Habe den Kleinen einen Tag lang nicht gesehen. Als ich von der Arbeit heimkomme, habe ich die Bild-Zeitung in der Hand, auf dem Titel lauter Nationalspieler, über die gesamte Seite jubelnd. Die Wohnungstür öffnet sich, mein Sohn sieht mich, strahlt übers ganze Gesicht. Dann sieht er die Zeitung, die Gesichtszüge weiten sich, die Augen beginnen zu glühen, ein Lächeln wie ein Honigkuchenpferd und ganz aufgeregt fängt er an zu schreien: "Baba! Fuaboi! Bajan! Toooooa!" Und er wirft jubelnd die Arme in die Luft. Wie rührend, sagen jetzt die Bayernfans. Alle anderen schütteln den Kopf: Entdecke den Fehler. Und vor Allem: Was hat der Arme denn verbrochen, von seinen Eltern so abgerichtet zu werden?
Aber mal ganz von vorne: Die Mama kann natürlich gar nichts dafür. Außer "Mario Gomez" hat sie dem Kleinen kein einziges Fußballwort beigebracht. Und, dass sie mit ihm vorm Schlafengehen "FC Bayern, Stern des Südens" eingeübt hat, war nur eine Phase und nur, um den Papa glücklich zu machen.
Nein, begonnen hat alles im Frühjahr, als der Papa ein paarmal im Stadion war und dem Sohn beigebracht hat, dass Fußball und Bayern so ziemlich dasselbe ist. Seitdem schreit der Junior bei jedem Ball, bei jedem Fußballplatz, bei allen ballspielenden Kindern, die er entdeckt, aufgeregt "Bajan! Bajan!" Die ersten Wochen war das noch charmant und amüsant, spätestens seit der Weltmeisterschaft rächt es sich: "Bastian, das ist nicht Bayern, das ist Deutschland. Doitschland!" Der Kleine deutet auf Mats Hummels und besteht darauf: "Bajan! Fuaboi!" Immerhin das Wort Fußball hat er während dieser WM gelernt. Kein Wunder. Der Junge, der sein Leben lang nicht Fernsehen durfte, darf sich auf einmal die 18:00 Uhr Spiele mit dem Papa anschauen. Anschauen, das heißt, seine Nasenspitze zwei Zentimeter entfernt vom Bildschirm und mit dem Zeigefinger versuchend, den Ball ins Tor zu tippen. Was er dabei gelernt hat ist, dass man ab und an ganz laut "Tooor! Schreien und dabei die Hände in die Luft werfen muss. Seitdem hört sich das eben so an: Er deutet auf ein Bild von Arjen Robben und schreit: "Bajan! Fuaboi! Toooooa!" Gut, das lassen wir gelten, der trägt zwar das Holland-Trikot, spielt aber für Bayern.
Einen kleinen Meilenstein der Sprachentwicklung hat der Kleine nach den Sieg gegen Frankreich gemacht. Beim Wickeln lernte er, dass er auf den Zuruf "Bastian" mit "Fweindaiga!" antworten muss. Auch das lassen wir mal gelten. Seit dem geschichtsträchtigen Sieg gegen Brasilien hat der Mini-Bastian seine Fankenntnisse noch perfektioniert. Ruft man ihm den Namen "Philipp!" zu, ruft er spitz zurück: "Lam!" Ruft man gar nach einem "Thomas!", reckt er mit leuchtenden Augen die Zeigefinger in die Luft und piepst mit freudiger Stimme: "Mülla!" Die Geste allein kann er sich nur beim großen Müller während dessen Torjubel abgeschaut haben, so originalgetreu schaut das beim kleinen Bastian aus.
Bis zum Finale habe ich jetzt noch Zeit, um ihm ein überzeugtes "Deutschland!" Oder wenigstens ein kleines "Schland!" beizubringen. Dann muss ich es wohl für den Rest meines Lebens bereuen, wenn er statt eines Schriftstellers doch ein Fußballer wird. Aber egal, Hauptsache ist sowieso, dass Bajan, Fuaboi, Tooooa am Sonntag Weltmeister wird!
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Der erste Fuaboiabend
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