Eltern würden alles dafür tun, ihr Kind angstfrei aufwachsen zu lassen. Bisher hatten wir Glück, dass unser Kleiner mutig und ohne Angst in das Leben gestapft ist. Doch leider ist es unmöglich, Ängste vom Kind fern zu halten. Diese Erfahrung müssen wir ausgerechnet jetzt machen. Im Nachhinein logisch, es ist die Weihnachtszeit samt Nikolaus, Drohungen und Kramperl, die zwangsläufig Kindern Angst macht.
Den Schock mit "Schweinsteiger blutet!" hat unser Kind bravourös spielerisch verarbeitet. Abend für Abend wird der Weltmeistertriumph samt blutendem Schweini nachgespielt. Jedenfalls hatten wir keine Schlafprobleme. Auch die Geschichten von einem "Lump", der auf der Baustelle wohnt und einen Bagger hat (davon berichte ich ein andermal), löste in Bastian mehr Begeisterung denn Angst aus.
Am Freitag kam nun allerdings der Nikolaus in die Kinderkrippe. Ein Mann, der komisch aussieht und, obwohl er Geschenke bringt, bei Kleinkindern mehr Furcht denn Freude auslöst. Als der Papa, aufgeregter als die Kinder, fragte, ob der Nikolaus heute da war, schüttelten die Erzieherinnen rasch den Kopf. Allein die Anwesenheit dieses großen Mannes mit dem unheimlichen Bart im benachbarten Kindergarten löste unter den Kleinsten Angst und Schrecken aus. Man einigte sich darauf, dass der Nikolaus in Sicherheitsabstand vor dem Fenster vorbeiging, winkte und den Sack mit Geschenken vor die Türe stellte.
In sicherer Entfernung klebten dann auch ein Dutzend Krippenkinder am Fenster und beobachteten den Fremden, über den sie schon seit Wochen Lieder singen mussten. So richtig lustig lustig trallalalala ging es aber erst zu, als der Mann wieder weg war und die Geschenke aus seinem Sack ausgeteilt wurden.
Als der Nikolaus auch noch daheim und bei der Oma Geschenke abgegeben hatte, war die Welt sowieso wieder in Ordnung.
Bis Sonntag. Die Oma erzählt beiläufig, dass ein Kramperl sie verfolgt und sie gehauen hätte. Niemand dachte sich etwas dabei.
Am Abend liegt der Kleine mit weit aufgerissenen Augen im Bett: "Krampal! Oma! Weh tan!!!"
Man versucht, ihn zu beruhigen.
"Kramperl weg!!!"
Spieluhr an.
"Papa kim! Papa ned weggeh!"
Man erzählt eine Geschichte vom Schutzengel und einer Zauberdecke, unter der man sich verstecken kann.
"Kramperl weg! Oma weh tan!", erklärt das Kind mit ernstem Blick. Jedes Mal, wenn der Papa das Kinderzimmer verlässt, beginnt sofort das Schluchzen.
Das wird eine lange Nacht werden, ahne ich.
Als gegen neun immer noch die Kramperl durch die Dunkelheit fetzen und die Oma verfolgen, habe ich genug.
Ich mache das Licht an, setze mich ans Bett und schaue den Kleinen ernst an.
Dann erkläre ich ihm, dass die Kramperl nur verkleidete Buben sind. Und ich sage ihm, dass der Michi auch mal ein Kramperl war und dass man vor Kramperl keine Angst haben muss.
Ich bin kurz davor, ihm auch die Wahrheit vom Nikolaus zu erzählen, doch es bleibt ruhig im Kinderzimmer, nachdem das Licht gelöscht wurde.
Noch einmal Glück gehabt. Ich frage mich meinerseits die ganze Nacht, wer eigentlich der Nikolaus in der Krippe war. Vielleicht der Hubert?
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JYupWMLW (Montag, 27 November 2023 12:46)
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