Im Leben eines Kindes gibt es drei gewaltige Meilensteine: Das erste Wort, die ersten Schritte und... der Tag, an dem das Kind ein erstes Mal Rad fährt. Natürlich sind dies nicht nur für die Kinder herausragende Tage, sondern vor allem auch für deren Eltern, die meist Wochen, Monate diesem einen Moment entgegenfiebern.
Fahrradfahren verlernt man nicht, sagt der Volksmund. Aber wie lernt man eigentlich Fahrradfahren?
Für die heutigen Kinder sei das alles ganz einfach, wurde uns Eltern versprochen. Denn quasi alle Kinder führen ja von Kindesbeinen an mit einem Laufrad und müssten also, im Gegensatz zu uns Fahrradstütz-Kinder der Achtziger Jahre nicht extra erlernen, das Gleichgewicht zu halten.
Soweit die Theorie. Mit viel Elan besorgten wir bereits im Frühjahr ein Fahrrad für Bastian. Die Marlena war so nett, ihr altes Rad abzugeben. Innerhalb einer Woche, waren die Eltern sicher, würde ihr Kind durch die Straßen "treteln".
Pustekuchen. Manche meinten, es läge daran, dass unser Kind noch so klein war, dass seine Füße nicht zu den Pedalen reichten. Nein, das konnte nicht sein, denn unser Kind ist nicht klein! Irgendwann im Laufe des Sommers kam die Oma zur Überzeugung, es lag daran, dass das alte Fahrrad von der Marlena rosa war. Und Jungs können einfach nicht auf einem Mädchenfahrrad Radfahren lernen.
Also kaufte die Oma ein schickes Jungs-Mountainbike mit FC Bayern-Fahrradklingel.
Zwei Wochen übten Eltern und Kind zwar fleißig, aber der Kleine weigerte sich, in die Pedale zu treten, wenn nicht mindestens zwei Elternhände das Lenkrad berührten.
Irgendwann erklärte er der völlig frustrierten Mama: "Radfahren kann man erst mit sechs."
Irgendwann kam der Papa auf eine glorreiche Idee: "Stell dir vor, das Rad ist ein Laufrad!" Und tatsächlich: Bastian nahm, statt die Pedale zu treten, mit den Füßen schwung und kaum war das Fahrrad ein Laufrad, konnte er auch alleine die Hügel hinunter sausen.
Das Training bestand fortan aus zwei Teilen: Treten üben, solange der Papa das Lenkrad festhielt. Und "Laufrad fahren".
Eine Woche ging das Training so und irgendwann war es Bastian vermutlich zu langweilig geworden. Mit einem Mal schrie er: "Papa, lass mich los!" Und nochmal, diesmal in einem militärischen Befehlston: "Lass looooooos!!!!" Und ehe der Papa kapierte, was eigentlich los ist, fuhr das Kind davon. Fuhr durch die Siedlung, bog in die Straße ab, trat wie ein kleiner Wirbelwind in die Pedale und fuhr der fassungslosen Mama entgegen, die vor Glück kleine Tränchen verkneifen musste.
Und seitdem fährt er, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Und inzwischen sogar auf Marlenas rosa Mädchenrad!
Es stimmt tatsächlich: Fahrradfahren verlernt man nicht!
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