Es begann mit einem neuen Lieblingssatz unseres Kleinen, über den wir anfangs lachten: "I hob Hunger!"
Er hatte Hunger, wenn er sonntags um 6 aufstand. Er hatte Hunger, wenn die Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen zu lang wurde. Nachmittags sowieso. Und interessanterweise steigerte sich sein
Hunger noch einmal nach dem Abendessen, wenn er hätte ins Bett gehen sollen. "I hob Hunger!" "Du hast gerade erst gegessen!" "I hob HUNGER!"
Später wachte er mitten in der Nacht auf, kam ins Schlafzimmer getrollt. Blick auf die Uhr: 2 Uhr, 3 Uhr. "Loni, was ist los?" "I hob sooo Hunger!"
Irgendwann mutmaßte man in der Kinderkrippe, der Hunger stehe in direkter Relation zu "Langeweile".
Da das Hunger-Argument besonders nachts die Eltern nicht aus der Reserve lockte, ließ sich der kleine Schlaumeier etwas neues einfallen: "I hob Angst": Wenn es abends Richtung Bett ging,
verweigerte er sich zunächst mit: "I hob Hunger!" Wenn die Eltern nicht reagierten, schob er prompt ein "I hob Angst!" hinterher. Und wer kann sich diesem Argument schon entziehen?
Der brave Papa setzte sich also Abend für Abend neben das Bettchen des ängstlichen Kindes und begleitete es ins Lummerland. Jedesmal wenn der Papa dachte, das Kind sei eingeschlafen und er
aufstehen wollte, tönte es aus der Bettdecke empört: "I hob Hunger! I hob Angst!"
Irgendwann wurden sowohl Hunger als auch Angst so inflationär verwendet, dass sich der junge Herr etwas neues einfallen ließ: "I hob Hunger!" Papa reagiert nicht. "I hob Angst!" Papa reagiert
nicht. "Ich muss bieseln!" Papa stöhnt und begleitet ihn aufs Klo.
Diese täglichen Einschlafspielchen setzten sich irgendwann in der Nacht fort. Kaum waren die Eltern ins Bett gegangen, schlich Kind 1 herein: "I hob Hunger!" "Na gut, leg dich her." Drei Stunden
später kommt meist Kind 2: "I hob Angst!" Eine Stunde lang versucht man die Nacht zu viert zu verbringen. Dann flüchtet der Papa auf die Couch. Wieder eine Stunde später tippt ihn Kind 1 an: "Ich
muss aufs Klo!" Kurz vor Sonnenaufgang liegt der Papa mit zwei Kindern auf der Couch. Er steht auf und legt sich zurück ins Schlafzimmer, wo die Eltern kurz die Ruhe genießen. Als um 6 der Wecker
klingelt, liegen sie wieder zu viert im Bett.
Die letzten 8 Wochen gab es genau eine Nacht, in der wir alleine aufwachten. Vor Schreck sprangen wir auf und stürmten in die Kinderzimmer. Aber beide schlummerten selig bzw. spielten bereits
seit zwei Stunden Playmobil.
Manch Leser wird sich nun fragen, was denn daran so schlimm ist, wenn zwei süße Spatzen den Schlafplatz mit den Eltern teilen.
Und hier kommt der Teil, warum inzwischen auch die Eltern Angst haben. Denn eines unserer Kinder kann nicht selig schlummern. Es kickt und tritt. Schreit nach "Platz! Platz! Plaaaaatz!" und wenn
die anderen Bettinsassen nicht sofort spuren, macht der Kleine mit physischer Gewalt seine Forderungen geltend. Allein vorletzte Nacht erlitt eines der Elternteile einen Leberhaken. Davor war es
eine Kopfnuss. Und selbst wenn das Kind nachsichtig versucht, mit Papa und Mama zu kuscheln, endet dies meist mit Blauen Flecken und Schmerzensschreien.
So hat sich das Bett inzwischen zu einem wahren Schlachtfeld entwickelt. Es wird um jedes Kissen gekämpft und um jeden Quadratzentimeter Schlaffläche. Ähnlich dem altbekannten Tetris-Spiel
stapeln sich die Schlafenden in unterschiedlichsten Konstellationen. Meist liegt der Papa am Fußende in Neunzig Grad Winkel zu den restlichen Bettbewohnern, zusammengekauert in Schutzhaltung,
falls einer der Kleinen wieder zu nahe heranrückt.
Aber bald ist die Phase ja wieder vorbei, beschwichtigt man uns. Wir glauben nicht mehr daran. Denn:
Noch schlimmer wird es vermutlich in zwanzig Jahren aussehen. Befragt, wie er sich vorstellt, wie das weitergehen solle, kündigte der Ältere bereits an: "Ich werde für immer bei euch schlafen."
"Auch wenn du erwachsen bist?" "Ja!" "Und wenn du verheiratet bist? Wo schlafen dann deine Frau und deine Kinder?" "Auch bei euch im Bett!"
Na, das kann ja heiter werden...
Die nächtlichen Hunger- und Angstzustände gepaart mit nächtlich wechselnden Bettkonstellationen gehen nun seit fast zwei Monaten. Der Schlafmangel von Mama und Papa summiert sich von Nacht zu
Nacht.
Die Hoffnung, eines Tages wieder alleine aufzuwachen, ist noch nicht gestorben. Aber sie verschwindet mit jeder erneuten Nacht in der eines der Kinder im Schlafzimmer steht und flüstert: "I hob
Hunger!" oder "I hob Angst!"
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JYupWMLW (Montag, 27 November 2023 12:16)
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