Das Fußballcamp von Teamsport Lohaus ist uns bereits bestens bekannt. Letztes Jahr hatte Bastian dort als dreikäsehöchiges Kindergartenkind einige tolle fußballbegeisterte Tage erlebt. Nebeneffekt der von basslastigem Clubsound begleiteten Trainingseinheiten war, dass Bastian im Auto auf einmal alle auf Antenne Bayern gespielten Lieder mitsingen konnte. Als das Fußballcamp die zweite Osterferienwoche in Surberg Halt machte, meldeten wir Bastian umgehend an. Mit ungeahnten traumatischen Folgen.
Vor allem für uns Eltern natürlich. Doch zunächst begann das Fußballcamp wie gehabt und Abend für Abend hatten wir ein ausgepowertes, überglückliches Kind zu Hause. Vor nicht allzu langer Zeit waren für uns Eltern Ferien der absolute Horror. Diesmal fühlte es sich auch für uns nach Urlaub an: Ein Kind den halben Tag im Fußballcamp. Das andere so happy, mal nicht in den Kindergarten gehen zu müssen und (vor allem) die Mama ganz für sich alleine zu haben, dass unser Familienidyll verdächtige Kitschzüge anzunehmen begann.
Bis zum Freitag, dem letzten Tag des Fußballcamps. Teamsport Lohaus sorgt nicht nur dafür, dass die Kinder sich spielerisch und taktisch in ihrem Fußballspiel weiter entwickeln. Sie sorgen auch subtil dafür, dass zwischen den kleinen Fußballern einerseits der Teamgeist gefördert wird, gleichzeitig aber auch der Ehrgeiz, zu den besten zu gehören, leicht angekitzelt wird. So sahen wir unser Kind bisher stets in dem Licht, dass er einerseits nicht besonders ehrgeizig ist, andererseits mit einem märchenhaften Selbstbewusstsein ausgestattet ist. („Gell Papa, ich bin ein ganz schön guter Fußballer!“) Beim letzten Hallenturnier verlor sein Team beispielsweise jedes Spiel – bis auf das letzte. Während ich noch befürchte, dass Bastian am Boden zerstört ist, kommt er strahlend vom Spielfeld gelaufen und jubelt: „Wir haben das Finale gewonnen! Also sind wir Erster geworden!“
Seine Behauptung, dass er beim Fußballcamp das „Bundesliga“ -Trainingsturnier, in dem Dreierteams gegeneinander spielten, gewonnen hatte, nickte ich väterlich lächelnd ab. Träum weiter.
Dass sein Team tatsächlich gewonnen hatte und dies in ihm einen unbändigen Ehrgeiz geweckt hat, auch das nächste Turnier zu gewinnen, musste ich am letzten Tag des Fußballcamps erkennen.
Wir kamen verspätet zum großen End-Turnier des Fußballcamps an. Bastians Team lieferte sich gerade ein Elfmeter-Drama. Es ging um den Einzug ins Finale. Spieler um Spieler verschoss oder verwandelte. Es blieb und blieb beim Unentschieden. Bastian wäre gar nicht für das Elfmeterschießen vorgesehen gewesen. Es hatten aber bereits alle anderen Spieler inklusive Torwart geschossen und es stand noch immer Unentschieden. Der gegnerische Spieler hatte souverän verwandelt. Nun war der (mal wieder) mit Abstand kleinste Spieler des Fußballcamps dran. Mit Grausen beobachtete ich die Szenerie und erinnerte mich an etwas, das ich längst verdrängt zu haben glaubte.
Bastian legte sich den Ball zurecht. Der Coach stupste das Leder mitleidig noch etwas nach vorne. In meinem Kopf baute sich eine Szene aus dem Jahr 2012 wieder auf. Allianz Arena München. Champions League Finale. Bastian Schweinsteiger legt sich den Ball zurecht. Mein Herz begann schneller und schneller zu schlagen.
Der kleine Bastian nahm, wie damals der Große Anlauf. Bastian trifft den Ball mit voller Wucht. Der Ball pfeift schneidig aufs Tor. Und links am Pfosten vorbei.
Flashback Finale Dahoam 2012: Schweinsteiger läuft an, zielt den Ball auf rechts… und trifft den Pfosten. Das Champions League Finale ist verloren!
Bastian fällt auf den Boden. Geschüttelt von Weinkrämpfen. Mitspieler versuchen ihn zu trösten. Es ist leider nicht Bastian Schweinsteiger, sondern mein Bastian. Mein vermeintlich so ehrgeizresistenter Sohn. Spieler von allen Teams ringen sich um den unglücklichen Elfmeterschützen, trösten ihn, sprechen ihm Mut zu. In diesem Moment spürte ich, dass die Surberger Jugendabteilung eine großartige Arbeit leistet und hier einige großartige Sportsmänner heranwachsen. Talente wie der Flo und der Luca haben in dieser Situation bewiesen, dass sie nicht nur gute Fußballer sind, sondern auch auf dem Weg sind, sich zu Fußballpersönlichkeiten zu entwickeln.
Bastian wollte sich an diesem Nachmittag weder von Mama noch von Papa trösten lassen. Da half es auch wenig, als ich ihm erzählte, was nach dem verschossenen Elfmeter 2012 passierte:
Damals war Bastian nämlich gerade im Bauch der Mama und kurz davor auf die Welt zu kommen. Der Papa – so behauptet die Legende – hat nach Schweinsteigers verschossenen Elfmeter geschworen, seinen Erstgeborenen „Sebastian“ zu nennen. Und so geschah es auch, als wenige Tage später Bastian auf die Welt kam. Und wie ging die Geschichte mit Schweinsteiger weiter? Während sich mein Bastian wie der 2012er Schweinsteiger die Tränen aus den Augen wischte, fragte ich meinen Kleinen ob er sich noch erinnere, was zwei Jahre später passiert ist. „Zwei Jahre nach dem verschossenen Elfmeter war Schweinsteiger nicht nur Champions League Gewinner, sondern auch Weltmeister!“, erklärte ich die Moral von der Geschichte. „Und ohne den verschossenen Elfmeter damals würdest Du jetzt Jannik heißen“, behauptete ich, während die Mama die Augen verdrehte.
Bastians verschossener Elfmeter:
Ich kann mir diese Szene bis heute nicht anschauen. Für alle Masochisten oder Sechziger Fans unter Euch hier noch einmal der verschossene Elfer:
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