Heute hätte die Oma ihren Geburtstag gefeiert. Wie sehr sich innerhalb nur zwei Wochen unsere Welt verändert hat, merkt man daran, dass wir nicht wie geplant in Freilassing feierten. Sondern zu Hause über Videotelefonie. Die Kinder fantasierten mit leuchtenden Augen, dass wir im Sommer, wenn wir den blöden Virus besiegt haben, den Geburtstag nachfeiern: Mit Drei-Tages-Übernachtung in Freilassing, Weihnachtsbeleuchtung und den fahrenden Zügen der Gartenbahn. Noch vor wenigen Tagen nannten wir das nicht Fantasie, sondern Alltag.
Am Vormittag gab die Mama wieder ihr Bestes als Teilzeit-Lehrerin. Damit auch Loni nicht zu kurz kommt und ein wenig Struktur in seinem aus den Fugen geratenen Lebens bekommt, begannen sie heute früh mit einem Morgenkreis. Leonard durfte dabei den exakten Ablauf von der „Oachkatzl-Gruppe“ nachspielen. Jeder durfte ein Buch vorstellen. Zum Beispiel das vom Papa. Und der ganze Morgenkreis sang für die Oma „Happy Birthday“.
Ich selber war in der Zwischenzeit in der Arbeit. Auch hier hat sich innerhalb von nur einer Woche alles auf den Kopf gestellt. Wir Berufsberater, die uns kürzlich noch als unverzichtbare Kreativabteilung der Agentur für Arbeit priesen, sind seit der Schulschließung auf die Zuschauerplätze verbannt. Der Arbeitgeberservice seinerseits ist zur systemrelevanten Fachabteilung mutiert. Jeder Mitarbeiter wird gebraucht und auch ich fand mich heute in einer überraschenden Tätigkeit wieder. Ich half am Empfang aus. Denn obwohl es keinen Kundenverkehr mehr gibt, verirren sich immer wieder Menschen ins Amt, die scheinbar noch nichts von „stay at home“ gehört haben.
Nachmittags kam es zu einigen skurrilen Szenen, als ich in Telearbeit in die Notfall-Hotline des Arbeitsamtes eingeloggt war. Während sich die Kinder in der Küche stritten, wer den großen Stuhl bekommt, telefonierte ich mit nervösen Arbeitgebern, die Informationen zum Kurzarbeitergeld brauchten. Noch skurriler, als zufällig auch noch ein Juniorchef durchgestellt wurde, den ich persönlich kenne. Das Gefühl bleibt, dass meine Arbeit noch sinnstiftender geworden ist, als sie es ohnehin schon war.
Meine Corona-Erkenntnis des heutigen Tages: Südkorea hat es irgendwie geschafft, die Verdoppelungsrate des Virus auf über 60 Tage zu senken, ohne das ganze Land lahmzulegen. Sie nutzten dabei intensive Testungen und die Möglichkeiten der Bewegungsprofile aus der Handy-Ortung. Die Bevölkerung wurde über Push-Up Nachrichten informiert, wenn sich ein Corona-Fall in ihrem Viertel aufgehalten hatte. Außerdem tragen dort alle Mundschutz. Dieser hat dort eher psychologischen Nutzen. Er symbolisiert: Ich nehme Rücksicht auf dich. Ich nehme Rücksicht auf die Gemeinschaft. Ich bin mir bewusst, dass die Lage gefährlich ist. Den ganzen Artikel könnt ihr hier nachlesen: https://taz.de/Kampf-gegen-Corona/!5672405/
Am Abend ein kurzer Spaziergang zum Edeka. Ich gehe allein hinein, die anderen warten draußen. Im Edeka gibt es an den Kassen nun Abstands-Markierungen. Beim Aldi inzwischen sogar eine Spuckschutz-Scheibe. Alle Menschen gehen inzwischen auf Abstand. Aber auf eine beinahe rührend zuvorkommende Art und Weise. Und eines ist uns heute noch aufgefallen. Schaut man zum Himmel: Keine Flugzeuge mehr. Keine Kondensstreifen. Nichts!
An dieser Stelle noch herzliche Glückwünsche an die Oma.
Passt auf Euch auf, bleibt daheim, haltet Abstand und Handy waschen nicht vergessen!
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