Die Karwoche. Früher war der Karfreitag ein ruhiger, besinnlicher Tag, an dem wir zu Hause Zeit zusammen mit der Familie verbrachten. Es gab kein Fleisch und insgesamt haben wir relativ viel Fernsehen geschaut. Dieses Jahr haben wir am Karfreitag… Ja, stimmt. Karfreitag war eigentlich wie jedes Jahr. Mit dem Unterschied, dass wir heuer gar nicht erst in die Versuchung kamen, nach Salzburg in den Europark zu fahren, wo bekanntlich Karfreitag schon immer kommerziell boykottiert wird.
Bester Dialog des heutigen Tages: Bastian hat Schulfreund Luca angerufen, der heute Geburtstag hat.
Lucas Papa: „Bei uns gibt es heute leider kein Fleisch, weil Karfreitag ist. Macht ihr das auch immer so?“
Antwort Bastian kühl: „Wir sind Veganer! Bei uns gibt es nie Fleisch.“
Ja, die Corona-Krise trifft die Kinder am härtesten. Früher hatten sie wenigstens noch bei Oma und Opa in saftige Spareribs hineinbeißen können. Seitdem sie gezwungen sind, 24/7 mit uns unter einem Dach zu wohnen, hat sich auch das erledigt.
Die letzten Tage waren relativ anstrengend. Als ob die Kinder spüren, dass gerade Ferien sind, sind sie noch aufmüpfiger als sonst. Sie bleiben bis zehn Uhr abends auf und ihnen ist keine Ausrede zu peinlich, einen Blick auf das spätabendliche Fernsehprogramm zu erhaschen. Aufgestanden wird zwar gerne früh – meistens um den Papa beim frühmorgendlichen Arbeiten zu stören. Kleinigkeiten, wie sich den Schlafanzug auszuziehen, werden bei Leo aber komplett missachtet. Heute war ich mit ihm kurz zum Klobenstein unterwegs. Und erst als wir dort angekommen waren und die Leute so komisch schauten, merkte ich, dass er unter seiner Windjacke noch Pyjama trug. Weitere Erkenntnis: So eine Krise ist nichts für nette Menschen. Als Leo ein steiles Stück Weg nicht hochradeln konnte, half schob ihn ein Passant einige Meter an. Seine Frau rief zwar tadelnd: „Lass das, das darf man nicht mehr!“, aber wer lässt sich schon gern von einer guten Tat abhalten?
Es war eine trügerische Feiertags-Idylle heute. Während der gefühlt halbe Chiemgau auf dem Radl unterwegs war, kletterte die Zahl der Infizierten auf 715. 50 von ihnen werden im Krankenhaus behandelt. 17 auf der Intensivstation. Man spürt, wie die Menschen müde werden. Müde, zu Hause zu bleiben. Teilweise sogar zu müde, um über das Virus zu diskutieren. Das erledigten andere. Die Heinsberg-Studie von Hendrick Streek hatte kurz Hoffnung gemacht, dass die Ausgangs-Beschränkungen bald gelockert werden. Leider hat der Virologe der Herzen, Christian Drosten gleich wieder erklären können, warum die Studie wenig aussagekräftig und leider kein Grund zu großer Hoffnung ist. In England sterben über 1000 Menschen an einem Tag, über die USA mag man gar nicht mehr nachdenken. Es ist gerade ein krasser Widerspruch, selbst wunderschöne Ostertage zu erleben, während weiterhin jeden Tag ein standardgemäßer „Brennpunkt“ im Fernsehen läuft. Die Banalität des Alltags in einer Katastrophe, die gefühlt noch weit weg ist. So ganz stimmt es aber nicht. Seit ich in der Arbeit Kurzarbeitergeld-Anträge bearbeite, fühle ich mich persönlich für viele der Firmen verantwortlich, die auf Finanzhilfen angewiesen sind. So habe auch ich meine Aufgabe in dieser verrückten Zeit gefunden.
Kürzlich hat Leo auf dem Geheim-Spielplatz von Opa Franz einen Kindergartenfreund getroffen. Doch so schön die Wiedersehensfreude war – trotz strengen Distanz-Gebotes war nach kürzester Zeit klar, dass sich beide Kinder einfach nicht daran halten konnten. Als ich sie endgültig trennte, rief das Kind lachend: „Leo hat Angst vorm Virus! Leo hat Angst vorm Virus!“ Ein Spiel also. Ich lächelte ebenfalls und sagte: „Ich hab‘ auch Angst. Du nicht?“
Tägliches Highlight für unsere Kinder sind die Hasen. Inzwischen sind wir richtig froh, dass wir sie haben. Sie sind ein kleiner Spielkameraden-Ersatz geworden. Heute früh haben wir das Außengehege so um den Winterstall gebaut, dass die Hasen nach Lust und Laune hinaus und hinein hoppeln konnten. Die Kinder waren allerdings begeisterter als die Hasen selbst. Die hoppelten kurz hinaus, dann machten sie es sich wieder im Stall gemütlich.
Nachmittags wurden die Kinder von der Super-Mama betreut. Sie bastelte Sonnenuhren und Zapfen-Wetterstationen. Und einen Tag lang hörten wir kein einziges „Mir ist so langweilig!“
Nur Bastian hätte uns heute beinahe einen sehr peinlichen Streich gespielt. Ich war mit der Mama auf ein romantisches Date im Schlafzimmer verabredet und wartete zu vermeintlich ungestörter Zeit voller Vorfreude im Ehebett. Irgendwann hörte ich es unter mir kichern. Als ich erschrocken hochfuhr, tauchte von unter dem Bett der Kopf vom Bastian auf. Er hatte sich vor dem Leo versteckt. Das Date war gelaufen…
Das Corona-Elterntagebuch komplett nachlesen:
13. März 2020 - Wie geht man mit der Schulschließung um?
15. März 2020 - Willkommen im Zirkus Corona
16. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 4
17. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 5
19. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 7 - Mit Wutausbruch!
21. März 2020 - Tag 8 im Zirkus Corona - Wir haben aufgegeben
22. März 2020 - Zirkus Corona - der neunte Tag - Hausaufgaben
23. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 11 - Omas Geburtstag
25. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 12 - Das Leben der Wünsche
26. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 13 - Heimwerken
27. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 15 - Der große Krach
28. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 16 - Maskendämmerung
30. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 17 - The hammer an the dance
31. März 2020 - Zirkus Corona - Tag 20 - Mir ist so langweilig!
02. April 2020 Zirkus Corona - Tag 22 - Endlich Ferien!
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