Nichts wünschen sich Eltern wie wir derzeit sehnlicher als die Rückkehr der Kinder zur Schule. Endlich wieder in Ruhe Elterntagebuch schreiben, ohne dass zwei Kinder laut „Paaapaaa!“ schreiend durchs Haus laufen und Raum für Raum durchsuche, wo er sich denn versteckt hat. Wie schön war es, als die Kinder von Schule, Hausaufgaben und Freundestreffen so müde, erfüllt und erschöpft waren, dass sie wenigstens Abends mal keine Lust auf Eltern hatten. Kurz haben wir gejubelt: Ab 4. Mail öffnen die Schulen wieder! Dann kam die Korrektur von Söder. Liebe Bayern, bei uns hat bis 11. Mai die Gesundheit Vorrang. Sind meine Nerven denn keine Gesundheit?
Tagelang schwankte ein ganzes Volk zwischen: „Lockerungen, sofort!“ und „sicher ist sicher“. Jetzt wissen wir also, dass das Leben im Mai auch außerhalb unserer vier Wände weitergehen wird. Wenn auch in Zeitlupe. Werden wir einmal zurückschauen und wehmütig an die Corona-Tage denken? Zugegeben, wir lernen gerade viel über unsere Kinder. Nicht nur mit ihnen. Leo hat mir letztens erklärt, dass er, genau wie ich, einmal entweder Frischteller oder Berufserater beim Arbeitsamt werden will. Oder THW. Und Bastian stellt sich beim täglichen gemeinsamen Mittagessen als noch schlimmerer Essensnob heraus, als ich es jemals war. Heute gab es Linsencurry mit Reis. Bastian verweigerte das Essen. „Du magst doch Reis sonst auch!“
„Ja schon. Aber nur, wenn Sushi obendrauf ist!“
Kurz verwandelten wir uns vor lauter Ärger in unsere eigenen Eltern und schimpften über den Hunger in der Welt und undankbare Kinder, die noch nie was von Demut und Bescheidenheit gehört hätten und Mütter, die stundenlang am Herd stünden und die armen Kinder, die im Jemen hungern mussten. Als wir am Handy Bilder von ebenjenen Kindern zeigten, verstand Bastian und schaufelte missmutig einige kleine Löffel Reis in seinen Mund. Plötzlich ließ ihn ein neuer Gedanke strahlen und er fragte mit leuchtenden Augen: „Papa, was kostet eigentlich ein Tesla?“
Auch in der Arbeit war heute ein seltsamer Tag des Innehaltens. Wir sprachen darüber, wie überraschend diese Pandemie über uns hereingebrochen war und wie naiv wir doch waren zu glauben, dass uns dies alles nicht beträfe. Mit Entsetzen hatte ich festgestellt, dass sich seit Ostern in den Köpfen einiger etwas verändert hatte. Bei meinem Lieblings-Edeka, den ich einst so gelobt hatte, trug gestern kein einziger mehr Schutzmaske. Ach so, ist Corona also schon wieder vorbei? Da haben wir ja nochmal Glück gehabt! Die Statistik heute: 794 bestätigte Fälle im Landkreis. 63 davon im Krankenhaus. Nur noch 10 auf Intensiv. Wenigstens diese Zahl geht zurück.
Heute hatte ich einen Osteopatie-Termin beim Richard. Wir trugen beide Schutzmasken. Es sah sicher sehr seltsam aus, aber auch an das gewöhnt man sich. Für mich selber war es ein kleiner Test, wie das Leben nach den Ausgangsbeschränkungen aussehen könnte. Ja, wir werden wohl Masken tragen. Nein, wir werden nicht überall Abstand halten können. Ja, wir werden weiterhin sehr viel Händewaschen.
Oft frage ich mich, was diese Welt, die gerade um uns herum entsteht, mit unseren Kindern macht. Werden sie die Schutzmasken als Bedrohung erleben oder als Selbstverständlichkeit? Im Moment glücklicherweise letzteres. Heute haben sie mich ein wenig an ihren Visionen teilhaben lassen. Ich fragte Bastian, für was er einmal berühmt werden möchte. Ohne zu zögern antwortete er: „Dafür, dass ich Menschen helfe!“
„Und wie, zum Beispiel?“
„Wenn jemand ein Goldstück stiehlt – dann rufe ich sofort die Bundeswehr! Und ich stoppe den Dieb mit meiner Lavapistole!“
Außerdem will auch Bastian Frischteller äh Schriftsteller werden und hat sich eine Geschichte für mich ausgedacht: Es ging um einen Einbrecher, der Spargel sticht, OHNE ZU ZAHLEN! Hashtag #Coronageschichten…
Die schönste Überraschung hat mir aber Leo bereitet. Er verkündete stolz: „Papa, heute ist dein Geburtstag! Und ich habe dir was eingepackt: NICHTS!“
Nochmal zwei Wochen mit den Frechdachsen. Danke, Söder!
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