Irgendein Psychologe hat letztens erklärt, dass es für Familien ein Segen ist, wenn sie während der Corona-Krise Haustiere zu Hause haben. Über diesen „Segen“ habe ich mich heute früh schon mordsmäßig aufregen müssen. Fast noch mehr als über manche Leserbriefe oder Facebook-Posts während dieser seltsamen Zeit. Unsere Hasen sind wie unsere Kinder: Man gibt und gibt und gibt – und im Gegenzug machen sie einem das Leben schwer, wo es nur geht. Wir haben den Hasen einen riesigen Palast gebaut. Was macht die Polly als Dank? Heute früh ist sie ausgebüxt.
Nicht, dass unsere Kinder auch regelmäßig ausbüxen. Und wenn, dann kommen sie immer freiwillig zurück. Unsere Hasen sind da noch eigenwilliger. Da unsere Kinder außer den Hasen kaum mehr Sozialkontakte haben, ließen wir uns bereitwillig überreden, dass wir einen niegelnagelneuen Hasenstall bestellen. Im Katalog fanden wir einen „Kleintier – Palazzo“. Der kostete zwar etwas mehr – aber wie hat die Mama letztens so schön gesagt: „In dieser Krise gibt es ja eh nichts mehr, wofür man sein Geld ausgeben könnte!“ (Jaja, soso…) Jedenfalls begannen wir gestern in einem Corona-Rappel zunächst, unsere Küche zu weißeln. Und wäre das nicht schon genug Aktionismus für einen Erholungs-Samstag, brachte der Postbote auch noch die Palazzo-Lieferung. Natürlich ließen wir die Pinsel sofort fallen und begannen, in der Garage unseren Hasen-Palast aufzubauen. Das Ergebnis war in der Tat imposant und die Kinder hüpften und jubelten vergnügt und voller Vorfreude. Wer sich nicht so freute, das waren unsere Hasen. Die setzten sich sichtlich verunsichert in ihren Palast und verkrochen sich im ersten Stock im Schlafzimmer. Und kamen nicht mehr heraus. Sie blieben dort, traurig nach draußen schauend, bis heute Morgen drin sitzen. Warum?
Die Treppe nach unten ist den Hasen scheinbar zu steil und keiner wagte es, sich den Rest des Palastes auszukundschaften. Also öffnete ich alle Türen – der Palast ist mit dem angrenzenden Palast-Garten verbunden, sodass die Hasen auch Auslauf haben. Aber keiner traute sich, herauszuhoppeln. Ich musste beide packen und ins Erdgeschoss versetzen. Während ich drinnen Frühstück bereitete, schaute ich immer wieder hinaus, was die Hasen so trieben. Ich freute mich, dass wenigstens Luki begriffen hatte, dass man die Leiter hinauf und hinunter hoppeln konnte. Polly verweigerte und erkundete den Freilaufbereich. Und war auf einmal weg.
Beim Aufbau hatte ich eine Absperrung im Gartenzaun scheinbar verrückt. Und Polly war es gelungen, durch die Maschen ins Nachbargrundstück zu flüchten. Oh mein Gott. Die nächste Hasenjagd begann. Ausgerüstet mit Korb, Kescher und einem Fußballtor bauten wir im Nachbargarten Fallen auf und versuchten, Polly einzufangen. Aber dieses Hasenhirn, das die ganze Nach über zu blöd war, eine Hasenleiter zu benutzen, war auf einmal schlau genug, alle meine Pläne zu durchschauen. Sie ließ sich in keine Falle locken und schlüpfte mehrmals durch unsere Hände und Beine durch. Es schien aussichtslos.
Durch meine Kinder habe ich viel über Ninja-Techniken erfahren und ich stellte mir vor, ich hätte Superkräfte wie der Goldene Ninja. Ich ließ Polly also eine Weile im Löwenzahn grasen, schlich mich langsam an, harrte geduldig aus, nur um plötzlich zuzupacken. Kurz hatte ich sie, dann kämpfte sie sich frei. Ich reagierte wie Oliver Kahn in seinen besten Tagen und hatte den Hasen im Nachfassen. Polly fauchte und schlug um sich. Ich hatte noch nie so einen berserkenden Hasen erlebt. Im Korb hievte ich sie zurück über den Gartenzaun, wo Polly die Mama noch sauber kratzte und zur Strafe in den Palazzo weggesperrt wurde. Gut, es gibt schlimmere Strafen.
Da vergisst man fast, dass wir immer noch Krise haben. Die Lage in Traunstein ist unter Kontrolle, aber Landrat Walch hat in seiner Videoansprache angemahnt, dass es noch lange nicht vorbei ist: „Wir haben den Regenschirm aufgespannt. Aber nur, weil wir nicht mehr nass werden, heißt das nicht, dass es nicht mehr regnet.“ Corona einfach erklärt. 908 Fälle gab es bisher in Traunstein. Momentan bleibt die Zahl der Intensiv-Patienten konstant bei 9. In den sozialen Netzwerken wird die Corona=mittelschwere Grippe-Fraktion wieder lauter. Die Menschen debattieren, ob die Beschränkungen gelockert werden sollen. Als Staatsbürger sage ich klar: Ja! Aus medizinischer Sicht allerdings klar: Nein! Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Äh Corona.
Meine Corona-Erkenntnis der letzten Tage: Erst war ich sauer, dass ein Kinderarzt den Infektionsschutz eher lax handhabte und verlautbarte, dass das Virus gar nicht so schlimm sei. Am selben Tag erklärte selbst der Virologe meines Vertrauens, Christian Drosten, in seinem Podcast, dass es so scheine, dass viele Kinder immun gegen das Virus seien und keine Corona-Symptome zeigten. Da ist das letzte Wort der Wissenschaft noch nicht gesprochen, zeigt aber, dass man in der Tat noch relativ wenig über das Virus weiß.
Aktueller Stand ist aber, dass das Tragen von Gesichtsmasken sinnhaft ist. In Traunstein sieht das so aus, dass die Masken tragenden Menschen im Supermarkt DRIN noch in der Minderheit sind. Beim Wertstoffhof vom Schaumaier DRAUSSEN war ich witzigerweise der einzige, der keine Gesichtsmaske trug. Vielleicht lag es auch daran, dass ich in letzter Zeit nichts mehr riechen und schmecken kann. Keine Panik, der letzte Satz war geschwindelt.
Die letzten fünf Wochen waren vor allem auch deshalb anstrengend, weil unsere Kinder vor zehn nicht mehr einschlafen. Die Eltern-Freiheit, die früher bereits um 20 Uhr begann, wird inzwischen um Stunden nach hinten geschoben, wenn wir nicht selber vorher einschlafen. Gestern sprang um 21:45 Uhr Bastian begeistert ins Wohnzimmer und verkündete stolz: „Papa, Mama, ich bin schon fast eingeschlafen!“ Wir bedankten uns für die Zwischenstandsmeldung und schickten ihn zurück ins Bett.
Zwei Minuten kam Leo herunter: „Papa, Mama, darf bei Basti im Zimmer schlafen? Dann werden wir einschlafen. Wir schaffen das ganz bestimmt!“
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