Meine ganz persönliche Corona-Krise ist charakteristisch dafür, dass sie manisch-depressiv ist. Die besten Tage und Gedanken wechseln sich mit den absolut abgrundtiefsten in einer atemberaubenden Geschwindigkeit beinahe stündlich ab. Im einen Moment mache ich eine wunderschöne Wanderung mit den Kindern zur Froschhamer Kapelle. Kaum bin ich dort, flippe ich innerlich aus, weil die anderen Ausflügler dort oben sich zuraunen, dass an der Grippe ja nachweislich mehr Leute sterben als an Corona. Was also tun?
Ich hätte nun die aktuellen Statistiken der New York Times über exponentiell steigenden Sterblichkeitsraten 2020 zeigen können und mit meinem unnützen Wissen aus den Podcasts von Drosten, Kekule und dem RKI herumbrüllen können. Aber ich habe tief eingeatmet, tief ausgeatmet, habe „Auf Wiederschauen“ gesagt und habe die wunderschöne Wanderung mit meinen Kindern fortgesetzt. Ja mei, wir haben so ein schönes Wetter und, ganz ehrlich, diese Krise ist für jedes einzelne Würstel von uns zu groß. Da kann man noch so viele Beiträge posten die beruhigen wollen, wir hätten es mit einer mittelschweren Grippewelle zu tun. Konsequenz für mich? Kein Facebook mehr lesen. Meine Filterblase scheint nicht zu funktionieren, da sind noch zu viele Menschen, die meinen Blutdruck steigen lassen. Zweite Konsequenz: Ein bisschen weniger lesen und Nachrichten schauen. Nein, das streichen wir. Man will ja informiert bleiben. Aber eine sehr gute Idee habe ich aus dem Allgäu erhalten: Warum nicht weiterhin auf das konzentrieren, was ich gut kann, was viel mehr Spaß macht und zumindest niemanden weh tut: Dinge verbreiten, die Hoffnung machen. Und Hoffnung gäbe es ja genügend. Wann hatte die Menschheit zuletzt die Chance, nach einem erzwungenen Reset alles besser zu machen? Viel Positives gibt es trotz Allem zu berichten. Sascha Lobo hatte heute einen schönen Gedanken: Wie interessant es doch ist, dass in dem Moment, in dem die Leute keinen Schmarrn, sondern nur noch das wirklich Notwendige einkaufen, die halbe Wirtschaft zusammenbricht. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, die lange geforderte Wirtschaft der Nachhaltigkeit anzukurbeln? Oder die vielen Länder, die Kurzarbeit und Wirtschaftshilfen daran knüpfen, dass die Firmen keine Steuerschlupflöcher genutzt haben. Oder sollte man künftige Förderungen danach richten, ob Firmen CO-2-arm produzieren? Sicher, das sind linksgrüne Schwärmerei-Gedanken. Aber sind diese so verkehrter wie ein stures „Weiter so?“
Stop, zurück in die Realität. Seit über einer Woche bearbeite ich Kurzarbeits-Anzeigen. Heute wurde ich geschult, auch Anträge zu bearbeiten. Es gibt gefühlt kaum einen Mitarbeiter mehr in der Arbeitsagentur, der nicht Kurzarbeitergeld bearbeitet. Dabei erwachen auch die Schüler/innen langsam aus ihrer Schockstarre und begreifen, dass sie entweder noch keinen Ausbildungsplatz haben, oder keine Zukunft mehr in ihrer ursprünglich ausgesuchten Branche mehr sehen. So schön es ist, als Kurzarbeits-Sachbearbeiter systemrelevant zu sein – langsam werden auch Berufsberater wieder dringend gebraucht.
Warum ich heute kaum was von den Kindern erzählt habe? Die haben virtuellen Hausarrest. Auch hier im Corona-Tagebuch. Seit einigen Tagen tanzen sie uns nur noch auf der Nase rum. Der Große schaut erst vollmundig die ersten dreißig Sekunden „Game Of Thrones“ mit an und wundert sich dann, dass er nicht mehr schlafen kann. Aber nein, es lag sicher nicht an den Zombies mit den blauen Augen. Dafür steht er morgens nicht mehr auf und hat auch vergessen, wie man selbständig Hausaufgaben macht. „Ich vermisse die Schule!“, behauptet er dann. Der Kleine ist den ganzen Tag in sein Spiel vertieft. Er spielt eine Mischung aus Paw-Patrol, Ninjago und die Eiskönigin 2. Das hört sich oft komisch an, sieht definitiv komisch aus, beinhaltet aber so viel Energie, dass wir heilfroh sind, wenn er Abends im Bett liegt und das Spiel in seinen Träumen weiter spielt.
Der Vollständigkeit halber noch die Traunsteiner Statistik: 1015 infizierte Personen. Gleichzeitig schnellt die Zahl der Geheilten um 72 auf 311 Personen hoch. Das macht doch Hoffnung. Was nichts daran ändert, dass da draußen immer noch ein Virus tobt, gegen den unser Immunsystem (noch) nicht gewappnet ist. Ich erwähne das vorsichtshalber mal, nicht dass der Zirkus Corona auch bald tausendfach geteilt wird: „Schaut’s her, selbst der sagt, dass es nur eine Grippe ist!“ Also, teilen dürft ihr natürlich schon.
Einige haben ja mitbekommen, dass unser Kind eine Weile übel geschwollene Lymphknoten hatte und wir uns ziemlich Sorgen gemacht hatten. Nach einer Woche „Antiblotika“ geht es ihm aber schon wieder bestens und die Schwellung ist weg. Morgen ist Kontrolluntersuchung. Drückt uns die Daumen, dass alles gut ist.
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