Ein Wochenende lang fühlten wir uns nicht nur wie die coolsten Eltern der Welt, sondern ganz Traunstein fühlte sich ein wenig wie Berlin Friedrichshain an. Und das lag nicht nur am Bombenfund und der Evakuierung, die uns zwang, einen halben Tag im Café auszuharren. Oder, dass wir einen Tag die Kinder abgeben konnten. Es lag vor allem an dem grandiosen Programm, das Traunstein derzeit anbietet: Von der neuen Traunbar bis hin zu Yoga am Guntramshügel.
Das Wochenende begann einen halben Tag früher als geplant. Wegen eines Bombenfundes an der Chiemseestraße wurde Freitagmorgen die halbe Nachbarschaft evakuiert. Schlimmer noch, auch das Arbeitsamt war zu. Wo sollte ich jetzt arbeiten? Da die Kinder und Frau von der Evakuierung nicht betroffen waren, sah ich mich gezwungen, mich mit meinem Laptop ins Café Lindl zu setzen. Das wollte ich schon lange mal machen. Wie ein Berliner Hipster schlürfte ich an meinem Latte und arbeitete eifrig an meinen superhippen Projekten.
Später plauderte ich mit einem von Traunsteins angesagten Eventmanagern, der sich coronabedingt derzeit auf dem Bau verdingt und ebenfalls evakuiert war, über eine derart breite Themenpalette, um die uns so mancher Berlin Mitte Hipster beneidet hätte.
Kaum waren vier Stunden vergangen, verbreitete Bürgermeister Hümmer via Facebook die Entwarnung. Ein wenig enttäuscht diskutierte ich mit meiner Frau, die sich inzwischen ebenfalls angeschlossen hatte, ob wir schon bereit für den Alltag wären. Nein! Wir beschlossen, noch eine Weile so zu tun, als sei Bombenalarm und halfen dabei, die Traunsteiner Wirtschaft anzukurbeln. Wir holten die Kinder ab und setzten uns noch eine Weile ins Gorilla auf ein paar Pizzen. Die Kinder waren noch super aufgeregt von dem Bomben-Tag. Bastian: "Bei uns am Schulhof haben sie die Schwerverletzten versorgt." "Welche Schwerverletzten? Es ist doch nichts passiert!" Es stellte sich heraus, dass die Malteser einige Rollstuhlfahrer von der Lebenshilfe evakuiert hatten. War also auch das aufgeklärt.
Aller guten Dinge sind Drei. Also saß ich am Abend noch einmal in der Wirtschaft. Diesmal im Biergarten von der Festung. Meinem Autorenkollegen Christian Wicklein hatte ich als hochmotivierten Stadtführer einen literarischen Thomas-Bernhard Spaziergang vorbereitet. Erst als ich merkte, dass er und seine Freundin nach Tagen des Bergwanderns und eines Ausflugs zum Herrenchiemsee am Nachmittag ziemlich platt waren, kürzten wir ab und genossen die heimische Biergartenkultur der Festung. Mit anderen Autoren im Biergarten sitzen. Das fühlte sich schon wieder wie Berlin an.
Und als ich heimkam, sah ich schon von draußen, dass die Kinder noch wach waren. Woher ich das wusste? Aus dem hell beleuchteten Erdgeschoss wummerte laute Musik. Hinter dem Fenster sah man die wild schreiende Mama mit zwei Dreikäsehochs Polonaise durch die Küche tanzen. Was für ein wundervoller Wahnsinn! Ich schloss die Tür auf und tanzte mit. So durfte es weitergehen!
Ein Tag ohne Kinder
Und die Zeichen standen gut. Am Samstag fuhren wir Mittags die Kinder zu Oma und Opa und wussten erst gar nicht, was wir mit der unverhofft gewonnen Freiheit anfangen sollten. Wir machten zunächst das, was alle gestressten Eltern ohne Kinder machen: Wellnessen. Wir landeten im Vita Alpina in Ruhpolding und es war trotz coronabedingtem Sparprogramm sehr erholsam. Aber das war nicht das eigentliche Highlight.
Die Traunbar in Traunstein
Abends las ich zufällig einen Facebook-Post, dass in Traunstein eine neue Bar an der Traun aufgemacht hatte. Der Arnaud vom ehemaligen Wamso war mit von der Partie, also radelten wir mal runter zur Traun, um uns das mal anzuschauen, ehe wir in der Stadt etwas trinken wollten.
So viel sei verraten: Wir schafften es nicht bis in die Stadt. Die Traunbar übertraf alle unsere Erwartungen. Bereits, als wir den Radweg vom Wochinger Spitz hinabfuhren, hörten wir aus der Ferne Gitarrenmusik und sahen die Lichter und Fackeln der Bar, die sich als waschechte Beachbar herausstellte.
Die Bar war nur ein einfacher mobiler Bar-Truck, die Location allerdings gigantisch. Dort, wo der Mühlbach aus der Traun geleitet wird, unterhalb der großen Fußgängerbrücke zum Freibad, waren überall Liegen, Bänke und Stehtische aufgebaut. Dutzende Lichter und Fackeln brannten. Dazu gab es ein Lagerfeuer und Akustik-Musik. Die ganze Atmosphäre war fantastisch und unweigerlich stellte sich die Frage, warum man nicht schon längst auf so eine Idee gekommen war. Bürgermeister Hümmer war persönlich zu Gast und erklärte, dass man wegen der Coronasituation vor allem den jungen Menschen etwas ermöglichen möchte und man sich deshalb für das Projekt eingesetzt hätte. Hinter der Traunbar stecken als Masterminds übrigens die von Spreadfilm bekannten Unternehmer Andi Ramelsberger und Michi Schanz.
Nach zwei Radlern radelten wir auf unseren Hipsterrädern durchs nächtliche Berlin äh Traunstein wieder zurück und fühlten uns, als würden wir nicht nur in der Hauptstadt des Chiemgaus leben.
Yoga am Guntramshügel
Ähnlich ging es am Sonntag weiter. Vormittags lud die lange Zeit in Berlin praktizierende Yogalehrerin Ines Schilcher zum Freiluft-Yoga am Guntramshügel ein. Der Gunti ist einer der Kraftorte in Traunstein und manchmal muss schon jemand aus Berlin kommen, um das Potential des Ortes zu erkennen. Wieder radelten wir Hipster-Eltern durch die Stadt und freuten uns auf die Yoga-Praxis mit der kleinen aber feinen Runde am Guntramshügel. Es war eine sehr entspannende, kreative Yogastunde und wie bestellt wartete der Hubschrauber bis zur Schlussentspannung, dass er seine dröhnende Runde starten konnte. Die Hipster-Jungs, die die Yogaklasse mit aufmunterndem Pfeifen anfeuerte, stellte sich übrigens als die Partner der Yoginis heraus. Da sie wie Berliner Hipster aussahen, luden wir sie gleich an die Beachbar ein.
...und dann noch zum Essen an die Traunbar
Für den Nachmittag war die Rückkehr der Kinder angekündigt. Bereits von der Ferne konnte man die Jungs schreien hören. Wir waren also nicht mehr allein. War unser Hipsterleben nun endgültig beendet? Wir wollten es nicht zulassen!
Also besorgten wir erst im Parkcafé Torten, die wir Oma und Opa kredenzten. Dann packten wir die Kinder auf ihre Fahrräder und cruisten wieder durch unsere Stadt.
Auch bei Tageslicht hatte die Traunbar nichts von ihrem Zauber eingebüßt. Und die Kinder fühlten sich ihrerseits sofort wohl. Es waren einige Eltern von den Surberger Fußballkollegen da und überhaupt tummelte sich ein Publikum am Traunufer, wie es an der Spree nicht hätte interessanter sein können. Diesmal bestellten wir uns ein Abendessen. Die Besonderheit: Es gab vegane Speisen! Die Schwierigkeit: Sie würde von Marya persönlich in ihrer Küche zubereitet und per Autofahrt an die Traunbar gebracht. Man muss ein wenig Geduld aufbringen, aber das Essen war mal wieder göttlich und sehr reichhaltig.
Auf der Rückfahrt fühlten wir uns ein letztes Mal beschwingt und wie coole Eltern in einer Großstadt. Wir fuhren noch an der Beachbar am Bahnhof vorbei und stellten vergnügt fest, dass der dortige Sandstrand nun gar nicht mehr der hipste Ort in der Stadt ist.
Das Lächeln auf unseren Lippen währte noch genau so lange, bis wir die Räder in die Garage geschoben hatten. Dann ging es wieder los: "Der Basti hat... " "Der Leo ist... " "Mir ist so langweilig!" "Ich hab Hunger!"
Es wurde nur in etwa so lange geschrien, wie auch ein durchschnittlicher Berliner Hipster seine supercoolen Kinder geschimpft hätte. Dann schickten wir sie ins Bett, atmete einmal gescheit durch und fanden: Das war ein supertolles Wochenende!
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