Das Corona-Tagebuch Tag 11: Leichte Dissonanzen

Mittags hole ich die Kinder ab. Im Auto ist Leo verdächtig still. Bastian kichert. Irgendwann schnauzt ihn Leo an: „Hör auf, mich durcheinanderzubringen! Ich mache ein Lied!“ Ich interessiert: „Du komponierst in deinem Kopf ein Lied?“ „Ja, wenn mich der Basti nicht immer rausbringt.“ „Sing doch das bisherige Lied bitte mal vor.“ Leo blickt betrübt zu Boden. „Ich trau mich nicht. Weil es um Scheiße geht.“

Nach dem Mittagessen und ein wenig Ginger Beer läuft Leo dann auf Betriebstemperatur. „Singst du uns dein neues Lied endlich vor?“ Und Leo beginnt mit seiner zauberhaften Singstimme und leuchtenden Augen zu singen:

„Scheiße! Scheiße! Scheiße! – Ihr seid alle scheiße!“

Noch drei Tage bis zum Lockdown. Merkels Verkündung der unzähligen Einschränkungen und Söders Reaktion, dies sei ihm alles zu lasch und er würde seinerseits in Bayern einen „gescheiten“ Lockdown einführen, hat zu einem Beben in der Bevölkerung – mindestens aber in den Sozialen Medien geführt. Seit gestern wird auf allen Kanälen getobt, was das Zeug hält. Und es wundert mich nicht, dass unser Kleiner ausgerechnet heute ein Lied komponiert, das die neue Nationalhymne von Deutschland sein könnte.

Ich fasse die Dissonanzen und Forderungen so knapp es geht zusammen:

  • Die einen fordern, dass mehr getan werden muss, um das Gesundheitssystem nicht dem Kollaps preiszugeben
  • Die Wirte fordern, dass die Gaststätten geöffnet bleiben müssen, weil diese nur gering zum Infektionsgeschehen beitragen (Was übrigens so nicht ganz stimmt)
  • Die Hotelbetreiber fordern selbiges mit selbigem Argument
  • Die Fitnesstudiobetreiber und Yogalehrer schließen sich den beiden oberen Fraktionen an
  • Die Kulturtreibenden haben nie aufgehört zu fordern, dass sie wieder ihren Beruf wie zuvor ausüben können und fordern, dass ihre Forderungen endlich gehört werden
  • Die Amateurfußballer und Sportler fordern, dass der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann

 

 

 

 

 

Des weiteren fordert die FDP, dass der Lockdown vom Bundestag legitimiert werden sollte und die AfD fordert, dass generell alles was Merkel beschließt, sofort gestoppt werden muss.

Wenn wir kurz zusammenfassen, sind die einzigen die sich gerade nicht beschweren die Eltern, weil die Schulen und Kindergärten ja offen bleiben (Stimmt auch nicht ganz – da beschweren sich die Lehrer, weil sie nicht beim Lockdown mitmachen dürfen...)

Im Endeffekt haben alle Recht: Es ist alles scheiße! Es war eine Entscheidung Pest gegen Cholera – äh Corona. Wenn jetzt alle Gerichte alle Verordnungen kippen, sind wir wieder da, wo wir zuletzt waren. 

Was also tun? Ich persönlich verspreche der Gastronomie hoch und heilig, dass ich einen großen Teil meines Gehaltes diesen Monat in die regionale Wirtschaft investieren werde. Heute habe ich gleich damit begonnen. Denn natürlich sehe ich es ein, dass die Situation für euch alle scheiße ist und mir ist klar, dass ihr das für uns tun müsst, damit wir halbwegs weitermachen können und die Schulen geöffnet bleiben. Deshalb möchte ich euch etwas zurückgeben. Vielleicht stelle ich den Kulturtreibenden auch die Rechte an Leos Song „Ihr seid alle scheiße“ zur Verfügung – Anfragen gerne an mich.

Nochmal zur Erinnerung, warum das hier alles passiert: In unserer Region steigt die 7-Tages-Inzidenz weiter auf 134. Die Krankenhauszahlen bleiben zum Glück stabil bei 12 Normal und 4 Intensiv. Aktueller Stand BGL: 307 (7-Tagesinzidenz) und 15 auf Normalstation, 2 auf Intensiv. Auch hier scheint die Steigerung gestoppt. Allerdings hat es inzwischen die ersten Familienmitglieder von Bekannten von uns erwischt – es sind also nicht alles nur PCR-Positiv-Fälle, sondern tatsächlich Erkrankte.

Aber jetzt habe ich so viel darüber geschrieben, was die Leute derzeit alles scheiße finden, dass ich den heutigen Eintrag selber fast scheiße finde. Deshalb zum Schluss noch Leos allerneuestes Lied, das er jetzt gerade geschrieben hat: Die Melodie hat er offensichtlich geklaut – Es klingt nämlich ganz ähnlich wie „Backe Backe Kuchen“. Aber der Text ist original von Leo. Er geht so:

 

 

„Kacke, kacke Kuchen – Der Popo hat gerufen!“

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