Erkenntnisse im Woid

Einmal zur Gesellschaft „Leckt’s mi am Arsch“ sagen und fortan in einer Hütte im Wald Leben. Der amerikanische Philosoph Henry David Thoreau hat das vor 150 Jahren gemacht. Und ich kürzlich auch. Dessen inzwischen berühmte Thoreau-Hütte hat man nämlich mitten im „Woid“, unserem Bayerischen Wald nachgebaut. Und da drin durfte ich einige Tage einsam im Woid wohnen und über das Leben philosophieren. 

Die Thoreau-Hütte im Wildniscamp am Falkenstein
Die Thoreau-Hütte im Wildniscamp am Falkenstein

Warum der Thoreau das damals gemacht hatte, war alles andere als deppert: Er hat nüchtern gegeneinander aufgerechnet, was ihn ein großes Haus kostet. -und wie lange er dafür hart arbeiten muss.

Als ich in der kleinen Hütte im Woid saß, einsam, mitten in der Wildnis, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Wie groß mein Haus daheim ist, zum Beispiel. Und wie viele Jahresgehälter es noch dauern würde, bis es abbezahlt war. Viel zu viele. Nach Tagen in der bescheidenen Hütte im Woid stellte ich mir selbst die Frage: Warum machen wir das eigentlich? Sobald Herr Huber von der Raiffeisenbank einen Kredit in Aussicht stellt, lassen wir alles liegen und stehen und verschulden uns bis an unser Lebensende. Nur, um unseren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Und den Alptraum der lebenslangen Bindung an den Kreditberater der Bank. Bis, dass der Tod uns scheidet. Nach Unterschrift unseres Kreditvertrages hatten meine Frau und ich damals übrigens geheiratet. Weil‘s eh schon Wurst war, um es mal unromantisch auszudrücken. Aber die gemeinsame Unterschrift unter den Kreditvertrag war schon sehr romantisch! Aber zurück zu meiner Hütte. Je mehr ich mir dem Wahnsinn von kreditfinanzierten Häusern bewusst wurde, grübelte ich über Auswege nach. Ich schmiedete Pläne, das Haus zu verkaufen, den Kredit abzubezahlen und in ein Tiny House zu ziehen. Für das übrige Geld könnte ich (bei den irren Immobilienpreisen heutzutage) ein Wohnmobil kaufen, bräuchte nur noch Teilzeit arbeiten und könnte frei wie Thoreau das Land bereisen!

 

Nach fünf Tagen in der Einsamkeit kam ich wieder daheim an. Und wurde sofort vom euphorischen Lärm meiner Kinder begrüßt. Mir schwante, wie es wäre, mit einer vierköpfigen Familie in meinem geplanten Tiny House zu leben. So sehr ich meine Kinder liebe, schon nach einer Stunde war ich froh, ein Haus zu haben. Ein Haus, das groß genug ist, sich auch einmal aus dem Weg zu gehen. Und auf die Stille in der Arbeit freute ich mich auf einmal auch. Nur die Idee mit dem Wohnmobil fand ich immer noch grandios. Allerdings hätte ich dafür erstmal mit meinem Bankberater wegen eines neuen Kredits sprechen müssen. Und Thoreau hätte sich endgültig im Grab umgedreht.

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