Meine Kinder sind 7 und 9 Jahre alt. Der Kleinere hat fast ein Drittel seines Lebens in einer Pandemie gelebt. Sie haben es gut gemeistert. Nun, als endlich ein Ende von Corona absehbar ist, bedroht unser Leben etwas, das noch gefährlicher ist, noch beunruhigender ist, weil man noch machtloser erscheint. Wir mussten ein erstes Mal mit unseren Kindern ernsthaft über Krieg sprechen.
Unsere Kinder sind schwierige Gespräche gewohnt. Der Tod hat unsere Familie häufig besucht. Als Eltern versucht man, seine Kinder beschützt aufwachsen zu lassen. Die Eltern unserer Generation dachten, sie hätten die größte Herausforderung bereits gemeistert. Bereits vor zwei Wochen, als im Radio immer öfter das Wort „Krieg“ fiel, zuckte unser Kleiner zusammen und sprach aus, was er in diesem Moment wohl wirklich dachte: „Ich will nicht sterben.“ Wir beruhigten ihn, erklärten ihm, dass ja noch gar kein Krieg ist. Und wir da ja sowieso nicht dabei seien. Und Krieg bedeute nicht, dass alle sterben müssen. Die Kinder sowieso nicht.
Gleichzeitig haben wir Eltern meist noch Großeltern gehabt, die uns vom Krieg erzählt haben. Vom Leid, von den zerstörten Städten. Von den vielen Männern, die nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt sind. Krieg ist tief in unsere kollektive Erinnerung gebrannt.
Tagelang gab es am Pausenhof der Kinder spielerisches Aufrüsten. Die Kinder mit russischem Migrationshintergrund überboten sich mit den unseren, wer einen möglichen Krieg gewinnen und wer mehr Atombomben hätte. Ein Kinderspiel. Zu Hause versuchten wir, den Kindern zu erklären, dass das Thema allerdings kein Spiel sei. Und wie wichtig es sei, dass sich alle vertrugen und kein Krieg ausbrach.
Der Donnerstag war auch noch der Unsinnige Donnerstag. Hunderte Kinder wuselten bunt maskiert und verkleidet durch die Stadt. Die Stimmung unter den Kindern war ausgelassen. Die Mienen der Eltern waren meist nachdenklich, sorgenvoll. Aber sie versuchten, den Kindern die Freude nicht zu nehmen. Die Kinder hatten nach zwei Jahren Pandemie einen ihrer heitersten Tage in der Schule. Es wurde viel gelacht. Es war herzzerreißend für uns Eltern zu wissen, dass uns allen vielleicht eine noch größere Herausforderung bevorsteht. Putin hat die Ukraine angegriffen. Der Führer eines der militärisch mächtigsten Länder der Welt hat den Pfad der Vernunft verlassen und bedroht Europa, den gesamten Westen indirekt sogar mit einem Atomkrieg.
Hilflosigkeit. Angst, Wut. Trotz Jugoslawien, den Golfkriegen, Kosovo und Afghanistan lebte unsere Generation in dem festen Glauben, dass es nie wieder einen Krieg in Europa geben würde.
Der Schock vom 24. Februar 2022 und Putins Angriff auf die Ukraiine markiert eine neue Epoche. Aber wie erklärt man es den Kindern?
Noch am Donnerstag, als der Faschingstrubel vorüber war, erlaubte ich ihnen, abends Fernzusehen. Unter der Bedingung, dass sie sich Logo anschauten. Seitdem haben sie viele Fragen. Sie wollen wissen, ob Putin „Ein Depp“ ist. Sie wollen wissen, ob wir auch Atombomben haben. Sie wollen wissen, ob Amerika zu uns gehört. Ich versuche, die Situation kindsgerecht zu erklären. Aber es ist schwierig, wenn man als Erwachsener selbst nicht begreift, was gerade vor sich geht.
Das Beste aber an Kindern ist, dass sie schnell vergessen. Die Sorgen, selbst die größten Sorgen halten nicht lange an, sobald etwas Aufregenderes ansteht. Seien es Pokemon-Karten, ein Freundesbesuch oder ein Bayern-Spiel. Diese Art der kindlichen Resilienz beruhigt auch mich. Ein wenig. Denn die Sorgen sind so groß wie seit Jahren nicht.
Ihr merkt, mir fehlen immer noch die richtigen Worte. Wie geht es euch und euren Kindern gerade?
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