Am Abgabetag meiner letzten Kolumne erfreuten wir uns alle noch des ganz normalen Wahnsinns unseres Alltags in Weiß-Blau. Selten sind diese Tage, die von einem Abend auf den nächsten Morgen den altbekannten Alltag umkehren. Tage, nach denen Themen wie Bier, Brezen und vegane Weißwürste so banal und nichtig erscheinen, dass man sich kurz fremdschämt, eine halbe Seite eines gern gelesenen Printmediums damit blockiert zu haben.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, einfach eine Seite in blauer und gelber Farbe abzudrucken? Die Aussagekraft wäre größer gewesen als jedes Wort.
So bin ich also in einer Welt aufgewacht, in der mein Alltag mit einem Mal mehr von Gelb-Blau und weniger von Weiß-Blau bestimmt wurde. Die Kinder basteln gelb-blaue Girlanden in der Mittagsbetreuung. Gebäude werden in gelben und blauen Farben bestrahlt. Menschen demonstrieren auf den Stadtplätzen für Freiheit und Frieden. Klar, das ist nicht neu. Doch erst, seit dabei Gelb-Blau bemalte Schilder schweigend emporgehalten werden, erscheint manch Vergangenes eben so banal wie Brezen und Weißbier.
Trotz zwei Jahren Pandemie sehne ich mich nach meinem alten Alltag in Weiß-Blau. So hart die Zeit war, sie wird abgelöst von einem neuen Alltag der Unsicherheit. Gegen bestimmte Gefahren kann man sich nicht mit Abstand, Masken und Niesen in die Armbeuge schützen. Gegen einen Angriffskrieg gibt es keine Schutzimpfung. Der Alltag in Gelb-Blau hat mir vor Augen geführt, was Frieden und Freiheit wirklich bedeuten. Die letzten Tage unseres Alltags in Weiß-Blau waren geprägt von der Vorfreude auf den F-Day, den Tag, dessen Namen nicht genannt werden darf. Jetzt, im Alltag in Gelb-Blau rückt der Freedom-Day zwar immer näher. Aber er wird sich nicht mehr nach wahrhaftiger Freiheit anfühlen. Nicht, solange es täglich im „Brennpunkt“ Bilder von Menschen in gelb-blauen U-Bahn-Stationen zu sehen gibt, deren Häuser gerade zerstört, deren Leben bedroht wird.
Der Alltag in Gelb-Blau hat auch unseren Alltag in Bayern verändert. Nach den zwiespältigen Jahren der Pandemie stehen die Bayern, die Europäer, der Westen, so geeint beieinander, wie seit langer Zeit nicht mehr. Möge es so bleiben. Und möge auch diese Kolumne von umwälzenden Weltereignissen ein weiteres Mal, diesmal positiv überrascht werden. Möge der Krieg beendet und wir wieder in den Alltag in Weiß-Blau zurückgekehrt sein, wenn Ihr diese Zeilen lest. Auch wenn ich jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, ahne, dass es sich um einen naiven weiß-blauen Wunsch handeln könnte.
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