„Aufgeben ist keine Option“

„Wäre der Xaver nicht gewesen, wäre Tiana nicht mehr am Leben“, ist Timon überzeugt. Sein kleiner Sonnenschein, der hier von Freundin Tiana in den Armen gehalten wird, ist mittlerweile sechs Monate jung und trotz widrigster Umstände gesund
„Wäre der Xaver nicht gewesen, wäre Tiana nicht mehr am Leben“, ist Timon überzeugt. Sein kleiner Sonnenschein, der hier von Freundin Tiana in den Armen gehalten wird, ist mittlerweile sechs Monate jung und trotz widrigster Umstände gesund

Von Ralf Enzensberger, Quelle PNP. Mit freundlicher Genehmigung vom Autor mit Bitte um Verbreitung.

„Wäre der Xaver nicht gewesen, wäre Tiana nicht mehr am Leben“, ist Timon aus Waging am See heute überzeugt. Aus Rücksicht auf ihr Kind ließ sich seine schwangere Freundin Tiana (27) Ende vergangenen Jahresnäheruntersuchen, weil sie sich eine hartnäckige Nasennebenhöhlenentzündung eingefangen hatte. Der Schock: Völlig überraschend bekam sie die Diagnose „Akute Leukämie“. Die Chemo- Therapie schlug an, Xaver kam kerngesund auf die Welt. Jetzt der Nackenschlag: Der Blutkrebs ist zurück, Tiana braucht jetzt dringend eine Stammzellenspende.

Ihren Nachnamen möchten die beiden nicht in der Zeitung lesen. Bis Weihnachten des vergangenen Jahres sah das gemeinsame Leben des jungen Paars eigentlich aus wie aus dem Bilderbuch: Eine glückliche Beziehung, gemeinsame Wohnung – und ein Baby unterwegs. Beide sind wahre Frohnaturen, lachen und scherzen gerne und viel. Ihre Freizeit verbringen sie am liebsten mit ihren Freunden in der Natur, ob in den Bergen, am Kletterturm oder auf dem Rad – Hauptsache draußen. Alles begann sich zu ändern, als eine hartnäckige Nasennebenhöhlenentzündung einfach nicht mehr vergehen wollte. „Zu der Zeit war gefühlt jeder krank, ich habe mir erst mal nichts gedacht, auch wenn es mir ziemlich dreckig ging“, erinnert sich die gelernte Physiotherapeutin.

Versprechen gegeben, das gemeinsam durchzustehen

„DerTimonistindieserZeitmeinegrößteStütze.Ohneihnwürdenichts laufen. Und ich wäre sicher nur halb so stark“, sagt Tiana über ihren Freund Timon. Fotos: (c) Privat
„DerTimonistindieserZeitmeinegrößteStütze.Ohneihnwürdenichts laufen. Und ich wäre sicher nur halb so stark“, sagt Tiana über ihren Freund Timon. Fotos: (c) Privat

„Wäre der Xaver nicht gewesen, wäre Tiana nicht mehr am Leben“, ist Timon überzeugt. Sein kleiner Sonnenschein, der hier von Freundin Tiana in den Armen gehalten wird, ist mittlerweile sechs Monate jung und trotz widrigster Umstände gesund.

Hätte man früher einfach nur das Antibiotikum genommen und sich auskuriert, ging das Paar diesmal doch auf Nummer Sicher – weil sie ja nun für noch einen Menschen verantwortlich waren. Tiana ging also am 1. Januar ins Krankenhaus nach Traunstein, ließ ein großes Blutbild erstellen. Erste Ärzte wurden aufgrund der schlechten Werte misstrauisch und gingen auf Ursachenforschung. „Nie im Leben hätte ich um diese ganzen Untersuchungen gebeten, wenn es nur um mich gegangen wäre. Ich war ja ,nur’ schlecht beinand“, sagt Tiana. Am 18. Januar bekommt sie die niederschmetternde Diagnose: Akute Leukämie. Zu der Zeit befand sie sich in der 22. Schwangerschaftswoche. „Ich weiß nicht, ob es ein Wort dafür gibt. Eins, das wirklich treffend beschreiben kann, was du dabei fühlst, wenn dir jemand so etwas sagt. Ich habe es immer mit einer Leere beschrieben“, erzählt Tiana. Gemeinsam mit Timon war sie bei dem Arzt, der ihnen gegenüber die Hiobsbotschaft ausgesprochen hatte. Ihr Freund ergänzt: „Du fühlst dich wie in einem komplett falschen Film und kannst das nicht sofort völlig realisieren. Ich weiß noch genau, dass ich mich nicht mehr bewegen oder sprechen konnte. Irgendwann brachte ich die Frage über die Lippen: ,Wird sie sterben?‘“ Bis dahin habe Tiana zwar gespürt, dass etwas nicht ganz in Ordnung ist, aber nicht an eine tödliche Krankheit gedacht. „Ich glaubte, irgendwann kommt ein Arzt bei der Tür rein, sagt, ich hätte zwar Pech gehabt und habe dieses oder jenes – aber jetzt bekomme ich dieses Medikament, und es wird alles wieder gut.“ 

Nach dem Gespräch mit dem Arzt wollten die beiden erstmal für sich sein. Sie setzten sich aufs Bett, nahmen sich in den Arm und ließen ihren Tränen freien Lauf. Timon erinnert sich an diesen wichtigen Moment: „Erstmal hörten wir beide eine ganze Weile nicht mehr auf zu weinen. Aber als wir uns wieder etwas gefangen hatten, gaben wir uns das Versprechen, uns niemals alleine zu lassen und das gemeinsam durchzustehen.“ Auch den Ärzten in Traunstein, sei es zu verdanken, dass sich das Paar schnell wieder fing und kein Raum für Selbstmitleid ließ: „Wir bekamen eine gute Prognose, dass wir es schaffen können. Die schmieren einem keinen Honig um den Mund, sondern sind sehr ehrlich. Ab dem Zeitpunkt sagten wir uns: Flucht nach vorne, wir gehen das an, aufgeben ist keine Option“, so Tiana. „Im Grunde sagten uns die Ärzte, dass sie in der Lage sind, Tiana und unser Kind in ein tolles Leben zu schicken. Sie sagten, sie trauen sich das zu“, ergänzt Timon. Bei aller Entschlossenheit und der positiven Prognose kreisten die Gedanken des werdenden Vaters ab der Diagnose nur noch um seine schwangere Freundin im Krankenhaus. An Arbeit war für den Projektmanager im Solarbereich nicht mehr zu denken. „Schon als Tiana von Trostberg nach Traunstein verlegt worden war, konnte ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Ich bin dann in der Arbeit in Tränen ausgebrochen, habe gesagt, ich muss in die Notaufnahme und sie sehen.“ 

Sein Chef und seine Kollegen hätten keine Sekunde gezögert und ihm gesagt, er soll sich krankschreiben lassen und sich um seine Familie kümmern. „Das war unglaublich. Alle in der Arbeit haben mich unterstützt. Sie ermöglichten es mir auch, dass ich nach Geburt nahtlos in die Eltern-zeit gehen konnte – und das werde ich ihnen nie vergessen.“ Ab diesem Zeitpunkt war er rund um die Uhr bei seiner Freundin, bekam später auch ein Bett im Kranken- haus.

Ausgerechnet am Geburtstag fallen Haare aus

Die erste Chemo-Therapie habe sie gut weggesteckt, sagt Tiana.

„Da war es noch nicht so, wie man sich das vorstellt, mit ständig über der Schüssel hängen oder völlig kaputt.“ Ausgerechnet an ihrem Geburtstag begannen jedoch ihre blonden Haare auszufallen. „Ich dachte mir schon, dass das jetzt wohl ein schlechter Scherz sein sollte“, erinnert sich die 27-Jährige. Kurz darauf habe sie das aber ganz pragmatisch genommen: „Ehrlich gesagt, war es mir dann egal. Mein Gefühl war, wenn es eben jetzt so ist, dass die Haare ausfallen, dann ist es eben so.“ Ihr Freund ergänzt:

„Man muss dazu sagen: Sie kann das tragen und sieht richtig gut damit aus, das meine ich ganz ernst.“ Er hingegen habe fest vorgehabt, sich seine Haare aus Solidarität auch abzuschneiden.

„Aber da hat Tiana ihr Veto eingelegt. Sie hat mir relativ klar zu verstehen gegeben, dass das bei mir aber sowas von bescheuert aussehen würde. Vielleicht hat sie es ein bisschen netter ausgedrückt. Ich musste ihr Recht geben und hab’s dann halt gelassen“, sagt er, und beide müssen lachen. Der Plan der Ärzte war es, aufgrund des noch maximal niedrigen Risikos einer Schädigung des Kindes, die erste Chemotherapie gleich zu starten, die Geburt in der 28. Schwangerschaftswoche einzuleiten und danach mit der Therapie weiterzumachen. Ende Februar kam dann der kleine Xaver gesund auf die Welt. Die anfängliche Nervosität, die wohl jedes Paar verspürt, das das erste Mal Eltern wird, wandelte sich in pure Freude, die wohl nicht größer hätte sein können. „Es war herrlich, schön normal-unnormal“, bringt es Tiana für sich auf den Punkt.

Nach sieben Monaten Chemo schien sie den Blutkrebs besiegt zu haben. Dann der Rückschlag: Die Ärzte fanden wieder vereinzelte Leukämiezellen. Weil eine Chemotherapie nur noch bedingt möglich ist und die große Gefahr besteht, dass die bösartigen Zellen eine Resistenz gegenüber der Behandlung entwickeln, braucht Tiana nun dringend eine möglichst passende Stammzellenspende, einen genetischen Zwilling sozusagen, der derzeit noch nicht gefunden ist.

Als die Freunde der beiden davon erfuhren, gingen diese in die Offensive. Eine Online-Spendenaktion, damit Timon auch nach der Elternzeit ohne Geldsorgen oder Arbeiten gehen zu müssen, seiner Freundin beistehen kann, schlug ein wie eine Bombe: Nach vier Tagen kamen über 55.000 Euro zusammen. „Wir sind natürlich nach wie vor völlig perplex, dankbar, überwältigt. Auch vom Zuspruch, der uns erreicht, das gibt uns gerade wirklich Halt und baut uns auf“, sagt Tiana, die eigentlich so gar nicht gerne im Mittelpunkt steht. „Als ich meiner Freundin gesagt habe, ich möchte mich einfach nicht so wichtig machen, hat sie gesagt: 'Tiana, du bist wichtig!' Außerdem möchten wir mit der Aufmerksamkeit auch allen anderen helfen, die in derselben Situation sind. Jede Registrierung kann Leben retten.“

Sollte Tiana schneller geheilt sein und nicht alles gebraucht werden, möchten sie und ihr Freund das Geld an Organisationen spenden, die sie in dieser schweren Zeit unterstützt haben.

„Am allerliebsten wäre es mir, ich könnte das Geld einfach nehmen und gegen die Gesundheit von Tiana eintauschen“, sagt Timon, der in einer Sache auch keinen Zweifel lässt: „Unsere Freunde sind die besten der Welt.“ Diese planen weitere Aktionen vor Ort und digital.

So kannst Du Tiana helfen:

Oder klick einfach auf das Bild!
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An erster Stelle steht in der Situation von Tiana, einen passenden Stammzellenspender zu finden. Eine Registrierung über die DKMS ist schnell erledigt. Mit wenigen Klicks über die Webseite www.dkms.de/tiana kann ein Testkit angefordert werden, das die DKMS direkt nach Hause versendet. Die Seite kann auch über den unten rechts zu sehenden QR-Code aufgerufen werden.

Auch Geldspenden helfen weiter, weil jede Registrierung die DKMS rund 40 Euro kostet. Gespendet werden kann an das DKMS-Spendenkonto mit der IBAN DE06 7004 0060 8987 0005 62 und dem Verwendungszweck „Tiana“ oder auf der privaten Spendenseite - zu finden unter www.spendenaktion.de/spendenaktion/kampf-gegen-leukamie-einer-jungen-mama.

Mit diesem QR-Code gelangt man direkt auf die Registrierungsseite der DKMS. Einfach das Smartphone mit geöffneter Kamera-App oder QR-Code-Scanner einige Sekunden vor den gedruckten Code halten, bis ein Link angezeigt wird oder sich öffnet.

Die DKS

Alle 12 Minuten erhält in Deutschland laut der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ein Mensch die niederschmetternde Diagnose Blutkrebs; weltweit geschieht dies alle 27 Sekunden. Blutkrebs ist nach wie vor die häufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle bei Kindern. Viele Patienten können ohne eine lebensrettende Stammzellspende nicht überleben, und mit der Suche nach geeigneten Spendern beginnt stets ein Wettlauf gegen die Zeit. Je schneller ein Treffer gefunden wird, desto größer sind die Überlebenschancen der Patienten.

 

Die DKMS wurde 1991 in Deutschland von Dr. Peter Harf gegründet. Mittlerweile sind mehr als 11,5 Millionen potenzielle Spender registriert. Bis heute hat die Organisation laut eigener Aussage mehr als 105.000 Stammzellspenden vermittelt. Die DKMS ist neben Deutschland auch in den USA, Polen, UK, Chile, Indien und Südafrika aktiv.

 

Durch internationale Projekte und Hilfsprogramme ermöglicht die DKMS noch mehr Menschen weltweit den Zugang zu einer lebensrettenden Therapie. Darüber hinaus engagiert sich die DKMS in den Bereichen Medizin, Wissenschaft und Forschung, um die Heilungschancen von Patienten zu verbessern. In ihrem Hochleistungslabor, dem DKMS Life Science Lab, setzt die Organisation weltweit Maßstäbe für die Typisierung potenzieller Stammzellspender, um so das perfekte Match für eine Transplantation zu finden.

 

Die Geschichte der DKMS beginnt 1990 mit einem Familienschicksal und dem Kampf um das Leben eines geliebten Menschen. Für Mechtild Harf war damals eine Knochenmarktransplantation die einzige Chance, ihre Leukämie zu besiegen. Doch zu dieser Zeit gab es in Deutschland nur etwa 3.000 registrierte potenzielle Stammzellspender.

 

Angesichts dieser enormen Herausforderung, für seine Ehefrau einen „genetischen Zwilling“ zu finden, ergriff ihr Ehemann Peter die Initiative. Er beschloss, seinen Unternehmergeist dem großen Ziel zu widmen, die Überlebenschancen seiner Frau und anderer Betroffener zu verbessern. Am 28. Mai 1991 gründeten Peter Harf und Mechtilds behandelnder Arzt, Gerhard Ehninger, die DKMS. Bereits im ersten Jahr stieg die Zahl der verfügbaren Spender in Deutschland von 3.000 auf 68.000. Trotz aller Anstrengungen der Familie und ihrer vielen Helfer überlebte Mechtild ihre Krankheit nicht. Doch sie nahm von ihrem Ehemann das Versprechen, weiterzukämpfen – so lange, bis jeder Patient einen passenden Spender findet. Diesem Versprechen ist Peter Harf, zusammen mit seiner Tochter Katharina, treu geblieben. Schon 1995 war die DKMS die weltweit größte Stammzellspenderdatei.

 

Weitere Informationen finden sich auf der Webseite: www.dkms.de

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