November ist ja der Monat, an dem man in Bayern überdurchschnittlich viel auf Friedhöfen herumsteht. Oder über den Tod sinniert. Die Endlichkeit, den Boandlkramer. Fragt man Kinder, was der wichtigste Feiertag im November ist, antworten sie wie aus der Pistole geschossen: „Halloween!“. Das ist allerdings total falsch.
Denn Halloween ist richtigerweise im Oktober. Erst dann folgen Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag, Volkstrauertag. So oder so, es geht im bayerischen Brauchtum recht morbid zu, ehe man sich langsam wieder dem Glühwein zuwendet. Letztens sind wir im Rahmen eines Kindergottesdienstes über den Waldfriedhof spaziert. Die kindliche Neugier, mit der die Jungen und Mädchen die Gräber und Grabinschriften inspizierten, zeigten mir wieder, wie nahe Leben und Tod, Anfang und Ende beieinanderliegen. Aber vor allem, wie weit das Wissen, dass wir alle sterblich sind und das natürliche Gefühl, dass wir aber heute noch alle leben, auseinanderliegen können. Während uns Eltern an den nachdenklichen Blicken anzusehen war, dass wir den einen oder anderen Namen auf den Gräbern gut kannten, oder darüber sinnierten, wo wir selbst einst liegen würden, erfüllten die Kinder den Friedhof mit fröhlichem Gelächter. Und noch eine Erkenntnis durfte ich mitnehmen: Im Friedhof steckt das Wort Frieden. Ein Ort des Friedens. Welch seltener, außergewöhnlicher Platz in diesen unruhigen Zeiten. Benötigt es erst eines Friedhofs, um Frieden zu haben? Wie schaffen wir Menschen es, in Frieden zu leben und nicht zu Zigtausenden vor der Zeit auf dem Friedhof zu landen? In Frieden zu leben, heißt, nicht im Krieg zu sterben. Je länger ich zwischen den Gräbern über Frieden und Krieg nachdachte, desto banaler wurden die Lösungsansätze. Die lachenden Kinder machten einen Ort der Toten friedlich zu einem Ort der Lebenden. Was wäre, wenn die Lösung der komplexesten Konflikte tatsächlich die einfachste wäre: Friedlich zu sein. Ganz im Sinne von „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“? Als wir außerhalb der Friedhofsmauern wieder vom Alltag empfangen wurden, lösten sich die warmen Gedanken beim ersten Blick auf die News am Smartphone sogleich wieder als Seifenblasen einer fantastischen Utopie auf. Aber ich war dankbar, dass meine Kinder auf einem Friedhof lachen können. Und wir hier keine Angst haben brauchen, dass unsere Kinder durch kriegerische Gewalt auf dem Friedhof landen könnten.
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