Klassentreffen-Kater

Mein Rückblick auf das große Ehemaligentreffen meiner ehemaligen Schule. Jahrzehntelang verbanden ich sehr zwiespältige Gefühle mit dem Gymnasium. Spätestens nach dem großen Klassentreffen bin ich versöhnt mit meiner Schulzeit. Was nichts daran ändert, dass ich am nächsten Tag einen gewaltigen emotionalen Kater hatte. Und zwar deshalb:

Ob man sich auf ein Klassentreffen freut, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Vom Alter beispielsweise. Ich glaube, je älter man wird, desto lieber geht man. Inzwischen freue ich mich richtig auf Einladungen. Das war nicht immer so, weil es da noch einen weiteren Faktor gibt. Und zwar den, wie gerne man in die Schule gegangen ist. Das ist bei mir nicht so leicht. Wenn man selbst zwanzig Jahre später noch Alpträume von seinem Lateinlehrer hat und nachts schweißgebadet aufwacht, weil man geträumt hat, kein Abitur zu haben, kann man schon Vermutungen anstellen, dass die Schulzeit nicht ganz so schön war. Womöglich habe ich deswegen jeglichen Kontakt zu meiner alten Schule lieber vermieden und lieber Jugendromane über Schulversager geschrieben. Da ich beruflich seit einigen Jahren wieder eng mit meiner alten Schule verzahnt bin, war natürlich klar, dass ich beim großen Ehemaligentreffen des Gymnasiums dabei sein würde. Und dann war doch alles ganz anders als gedacht. Kaum betrat ich die kleine Aula hat es zoom gemacht und ich war sofort wieder sechzehn. Weil sie alle da waren. Die großen Jungs aus der Raucher-Ecke vor denen ich so viel Respekt hatte. Die Mädels aus den unteren Klasse, die ich immer so toll fand. Und natürlich die eine, die ich später sogar geheiratet habe. Wie kichernde Teenager saßen wir in den Bänken des Chemie-Saales und tranken Bier aus Flaschen. “Genau wie früher!”, fanden einige. Ich lief wieder alleine sinnierend um das Schulgebäude und hörte zu, wie andere über die Loser lästerten, die früher in der Pause alleine ums Schulgebäude spaziert waren. Die Coolen chillten damals natürlich in der Raucherecke oder spielten zumindest Tischtennis, wenn sie noch zu jung waren, um ohne Verweis zu rauchen. Ganz schweigsam wurde ich auch, als wir vor der Hall of Fame standen, einer Glaswand, in der die Namen aller Abiturienten eingraviert waren. Alle standen sie darauf. Nur ich nicht. Ich hätte die Schule halt nicht vor der zwölften Klasse verlassen sollen. Egal, einen Abend lang wurde ich, der einstige Schulabbrecher,  von der gesamten Schulfamilie so herzlich empfangen wie der verlorene Sohn, der endlich wieder nach Hause zurückgekehrt ist. Was mich nicht vor einem gewaltigen Kater bewahrt hat. Ich meine nicht den Alkohol bedingten - immerhin war ich Fahrer. Nein, einen Tag lang wieder die Schulbank zu drücken, wieder Teenager zu sein, mit den ehemaligen Lehrern anzustoßen, seine erste Liebe zu begrüßen und eine Minute später sich schon nichts mehr zu sagen zu haben - das muss man emotional erst mal verdauen. Es dauerte ein paar Tage, bis ich wieder 45 war. Bis ich dankbar begriff, dass man auch mit Fachabitur einen tollen Beruf erreichen kann. Dass selbst die strengsten Lehrer von damals irgendwann altersmilde wurden. Und, dass man von all den tollen Mädels an der Schule die richtige geheiratet hat. 


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Falko ist offiziell als Schullektüre empfohlen. Macht aber dennoch Spaß zu lesen.
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