Qui tacuisses...

Mein altes Jugend-Idol, der Tommi Gottschalk, der gehört zu den wenigen, die diese Überschrift noch fehlerfrei übersetzen können, ohne das Internet befragen zu müssen. Der war nämlich noch ein Jugendrevoluzzer, ein Treibauf der alten Schule. Genauer, eines humanistischen Gymnasiums. Einer, der die stockkonservative Generation mit klassischen Bildung, aber auch einer gescheiten Prise Chuzpe und ungefilterter Jugendlichkeit provozierte und die Generationen jüngeren Alters begeisterte.

Das galt für den blutjungen Gottschalk, Radio-Rebell und Supernasen-Schauspieler. Auch für den 34-jährigen, der als Ablöse von Wetten-dass-Legende Frank Elstner derart schnoddrig und erfrischend jugendlich galt, dass meine Fernsehzeitung wochenlang voller tobender Leserbriefe von empörten Boomern war. Die Boomer von damals waren übrigens diejenigen der Kriegs- oder Trümmergeneration. Andere Zeiten. Als er für nur ein Jahr die Show Wolfgang Lippert überließ, kam uns Gottschalk selbst als Mitte 40-jähriger im Vergleich so frisch und modern vor, dass sich nun alle, die Alten wie die Jungen viele fantastische Fernsehjahre lang um das von ihm moderierte TV-Lagerfeuer scharten. Wie hart muss es für einen Berufsjugendlichen sein, mit Mitte 70 festzustellen, dass die heutige Jugend inzwischen so jung geworden ist, dass diese ihn, der immer ganz der Alte geblieben ist, ganz und gar nicht mehr cool, sondern cringe findet? Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget hat beschrieben, wie sich Kinder Wissen konstruieren, anpassen und erweitern, um ihre Umwelt besser zu verstehen. Dies geht soweit bis sie im heranwachsenden Alter eine Ahnung haben, wie wenig sie eigentlich wissen. “Ich weiß, dass ich nichts weiß” - diesen Satz von Sokrates hat sicher auch Gottschalk damals im Unterricht gehört. Piaget hat herausgefunden, dass Menschen dazu neigen, Informationen so zu interpretieren, dass sie in ihr bestehendes Weltbild passen, anstatt ihre grundlegenden Denkmuster zu hinterfragen oder zu verändern. Neues wird so lange passend gemacht, bis es ins alte Schema passt, und wenn das nicht geht, dann wird es abgelehnt. Wie muss es sich für einen, der jahrelang das herbstblonde Gesicht der Berufsjugendlichen war, anfühlen, den Anschluss an die nächste Generation verloren zu haben? Vor dem Trotz und der Enttäuschung, von der Jugend vom Sockel gestoßen zu werden, war selbst Sokrates nicht gefeit. Wenige haben so über die heutige Jugend geschimpft wie einst der Sokrates. Und heute unser altes Jugend-Idol Thomas Gottschalk. Schad eigentlich. Hättest du geschwiegen, dann wärst du Philosoph geblieben.

 

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