Und wenn der Schnee staubt...

Bekenntnisse eines Skiskeptikers: Kolumne über Freud und Leid auf der Skipiste und warum Sozialdarwinismus dort nichts zu suchen hat.

„Wenn der Schnee staubt, dann fühl ich alles Glück in mir vereint!“ Jedenfalls auf dem Parkplatz beim Seegatterl, wenn ich den Skizirkus wieder verlassen und einen weiteren Tag auf der Piste unverletzt hinter mich gebracht habe. Skifahren mit der ganzen Familie ist ja schon anstrengend genug. Aber mit dem gesamten Chiemgau, Tirol und einen Großteil Resteuropas zusammen ist es jedes Mal für Skiskeptiker wie mich eine Herkulesaufgabe. Beginnend damit, für 4 meist unkooperative Familienmitglieder, sämtliche Ski, Helme, Handschuhe und Saisontickets komplett ins Auto zu verladen, ist eine Heldentat für die einem selbst Sisyphos anerkennend applaudieren würde. Hinzu kommt das Phänomen, dass selbst große Kinder traditionell wieder zu Kindergartenkindern werden, wenn es darum geht, die Skischuhe anzuziehen. Nicht besser wird es auf der Piste. Das Kind, das letzte Saison noch sämtliche schwarzen Pisten mit Pommes im Schuss nach unten flitzend gemeistert hat, hat den Sommer über alles verlernt und kann auf einmal nur noch mit Pizza im Schneckentempo den Hang hinunterschleichen. Schuld daran sind natürlich die neuen Ski, der Scheiß Schnee und in erster Linie wir Rabeneltern, die wir ihn überhaupt in diese Todesgefahr gebracht haben. Das alles wäre ja wunderbar auszuhalten. Man liebt seine Familie halt. Aber man ist ja selten auf der Piste allein. Und wenn sich das Anstellen am Steinplatten-Lift in eine Feldforschung zum Thema Sozialdarwinismus verwandelt, würde man am liebsten der gesamten Menschheit, die sich heute hier vor dem Sessellift versammelt hat, einmal die Schneeviten lesen. Ist die Skipiste nicht ein Ebenbild unserer Gesellschaft? Die einen stellen sich stoisch hinten an, machen sogar im Slalom steten Schulterblick, um niemanden zu gefährden. Und dann die anderen: Die drängeln sich durch, als hätten sie das Skigebiet gepachtet. Und auf der Piste sind die Deppen sowieso immer die anderen. Wenn jeder achtsamer gegenüber sich selbst und rücksichtsvoller gegen die anderen wäre gäbe es vielleicht Kriege. Denn eigentlich wäre es doch das Leiwandste, wenn wir friedlich aufeinander achten – auf der Skipiste wie im Leben.

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