Zu viele Gefühle

Da ist er endlich: Der meteorologische Frühling. Und nicht nur draußen erwacht das Leben neu, auch emotional steht unser Familienleben derzeit voll in Blüte – allerdings mit einem wilden Mix aus Gefühlen. Ausgelöst wurde das ganze Chaos ausgerechnet am Valentinstag, jenem hochromantischen Feiertag der Liebenden, oder vielleicht doch eher der Blumen- und Schokoladenindustrie.

Geplant war ein romantisches Rendezvous am Vormittag. Der einzigen Zeit, in der beide Kinder gleichzeitig nicht mosernd zu Hause sondern brav lernend in der Schule saßen. Und wir Eltern mal sturmfreie Bude hätten. Stattdessen ein Anruf der Schule. Unser Viertklässler klage über diverse seltsame Symptome und möge umgehend abgeholt werden. Aus der Traum vom Valentinstags-Date. Blöderweise war ich noch in der Arbeit und das Auto bei meiner Frau. Und die ignorierte als Yogalehrerin während der Schluss-Meditation sämtliche meiner Anrufe. Also eilte ich mit gemischten Gefühlen zu Fuß Richtung Stadt. Als ich ankam, war meine Frau mit dem Auto schon längst da. Unser Sohn war blass, grinste aber schon wieder, als wir ihn aus dem Schulunterricht befreiten. Bis unser Kinderarzt  Zeit für uns hatte, gingen wir erstmal gemeinsam zum Bäcker auf ein Frühstück. Valentins-Date zu Dritt. Spätestens da schien die Frucht unserer Liebe schon wieder pumperlgesund. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich unser romantisches Date zu Zweit hiermit offiziell erledigt hatte. Beim Doktor brauchte unser Kinderarzt den Kleinen gar nicht lange zu untersuchen. Er fragte unseren Sohn augenzwinkernd, ob er viel Red Bull und Bier trinke. „Nein, nur Champagner“, behauptete der. Der Doktor stellte weitere Fragen zu seinem, also unserem Privatleben. Ob wir recht anstrengende Eltern wären. Bald führten die Zwei ein Männergespräch und wir, das Valentinstags-Paar war außen vor. Wir wurden hellhörig, als der Arzt unseren Sohn fragte, warum er manchmal nicht einschlafen könne. Das Kind schaute seinen neuen Bro vertrauensvoll an und sagte: „Ich habe zu viele Gefühle.“ Jetzt nickte der Kinderarzt ernst und wandte seinen Blick an uns. „Und? Was hat unser Kind?“, fragten wir sorgenvoll. Der Arzt seufzte und schaute uns mit mitfühlendem, dem Ernst der Lage angemessenen Gesichtsausdruck an. „Die Diagnose ist eindeutig“, sagte er. „Ich fürchte, euer Sohn hat“, er machte eine Kunstpause und ich drückte die Hand meiner Frau etwas fester. „Er hat Pubertät“, sagte er. 

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