"Eine meiner ersten Geschichten war diese Kurz-Krimi-Satire über das Rosenheimer Rotlichtmilieu. Unschwer erkennbar wurde ich von den Brenner-Krimis des österreichischen Krimi-Autoren Wolf Haas inspiriert und habe seinen Stil, der mich damals so oft zum Lachen gebracht hat, von Österreich in die bayerische Provinz in Rosenheim übertragen. Der Krimi ist 2004 entstanden, als ich selbst in Rosenheim lebte."
Was man als normaler Kunde nicht gewusst hat war, dass die Alina mehr war als der Shooting Star im Puff. Sie hat drüber hinaus auch noch gut kochen können und hat auch die grauseligsten Sachen eigenhändig weggeputzt. Dergleichen ist natürlich nicht selbstverständlich. Aber wenn man ein Mädchen wie die Alina hat, dann ist das natürlich doppelt Gold wert. Wer nicht in die Materie vertieft ist, der weiß verständlicherweise auch nicht, dass die Mäderl nicht nur zur Befriedigung weltlicher Freuden angestellt sind, sondern auch zum Putzen. Denn welcher Kleinstadtzuhälter kann sich heutzutage bei den Lohnnebenkosten noch eine eigene Putzfrau leisten? Weil, ebenfalls verständlich, es in der Regel je nach Größe des Freudenhauses genügt, wenn eine putzt, kann man sich vorstellen, dass dadurch Hierarchiegerangel gefördert wird. Ist ja auch ganz logisch. Der Chef denkt wirtschaftlich und sagt: Keine Putzfrau, das macht ihr. Gleichzeitig gesteht er seinen Angesteltinnen aber auch soziale Kompetenz ein und überlässt es ihnen, wer die Drecksarbeit erledigt.
So schauen sie halt mal aus, die modernen Unternehmen: Der Chef ist nicht nur Anschaffer, diesmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes, sondern er bezieht die Mitarbeiter in den Zielfindungsprozess mit ein. Jetzt, kurz nachgedacht, dann Bedenken gehabt: In so einem Bordell ist ja Devise: Zeit ist Geld. Und keine Zeit für längere Teamsitzungen und Betriebsrat auch Fehlanzeige. Deshalb: Die in der untersten Hierarchieskala muss putzen. Kann sein: Die Altersjüngste, die Dienstjüngste. Da alle natürlich in echt unter Achtzehn, laut Ausweis aber frisch Achtzehn geworden natürlich alle gleich alt. Also keine Chance. Läufts also auf einen Popularitätswettbewerb raus. Wer vom Kunden am meisten verlangt wird: Putzen vergessen. Das Mauerblümchen: Mehr Putzfrau als Freudenfrau. Natürlich auch weniger Geld, noch weniger Ansehen, ist ja klar. Also: Keine so recht Bock, die Putze zu sein, lieber Nutte, da mehr Ansehen. Aber davon verstehen der Außenstehende natürlich nur ganz wenig. Kommt also die Alina, sofort Außenseiter, da kein Polnisch, sondern bayerisch. Bei den Kunden aber sofort Star, da Flexibel und bildhübsch, natürlich gerade erst 18 geworden. Und: Zuhören hat sie auch noch gekonnt. Im roten Gewerbe muss man nämlich nicht nur Liebesdienste erweisen und Putzfrau sein, sondern auch noch Sozialpsychologisches Studium, da viele Kunden weniger Sex, aber viel Anerkennung und Mitgefühl wollen. Dann aber, wenn anerkannt und mitgefühlt, doch zur Feier des Tages noch eine Runde Sex. So ist das halt. Die Alina also Dienstleistungen aller Art: Horizontal und Vertikal. Für Höhepunkte und Unterbewusstsein bestens geeignet, sofort der Publikumsmagnet vom Puff. Hierarchierakete schließlich sofort nach oben geschossen, aber: Die Alina hat trotzdem weiter geputzt. Ganz fleißig und außerordentlich reinlich. Dadurch auch bei den polnischen Kolleginnen plötzlich beliebt.
Alina heute: fünfzehn Zentimeter Durchmesser Loch im Bauch. Eingeweide übers ganze Bett verstreut. Bettlaken roter als die Beleuchtung. Und die Tote auch noch mit Putzen dran. Saubere Bescherung.
Der Brand hat die Sauerei natürlich noch sehen müssen, zwecks Spurensicherung und so. An Geschäft natürlich nicht zu denken, Bordell Chef fuchsteufelswild und stinksauer auf die Alina, der das alles inzwischen allerdings ganz schön wurscht war. Der Brand also seine Augengläser geputzt, um ja sicher zu sein, richtig zu sehn. Bisserl mit den Händen in den Bartstoppeln rumgewurschtelt, dass die Kollegen sehen konnten: Ah ja. Der Brand überlegt. Es ist Freitag, sieben Uhr morgens und er hat den Fall sicher in Nullkommanix gelöst. Aber der Brand hat überhaupt keinen Plan gehabt. Hat sich nur gedacht: Wenn mich nicht alle so anstarrn würden, würd ich jetzt zum Kotzen gehen. Hat er dann auch gemacht, aber erst, als er daheim war. Zunächst aber weiter Leiche angestarrt und mit den Fingern in den Bartstoppeln rumgewurschtelt. Zum Scherz gesagt, er tippe auf Selbstmord, wie er das immer macht. Die Kollegen kaum gelacht. Die Alina auch nicht gelacht. Nur mit offenem Mund zur Decke gestarrt. Lag nackt auf dem Bett, ohne besondere Merkmale, außer dem Loch natürlich. "Vielleicht wars a Arbeitsunfall:" hat der Brand auf den Wischmob deutend nochmal gescherzt, um die eisige Atmosphäre aufzulockern. Aber die Kollegen allen speiübel. Oder ängstlich, von einem der Mädchen wieder erkannt zu werden und sofort selbst unter Mordverdacht zu stehen. Der Brand, nach einer Weile keine Lust mehr, dir rote Alina anzuschaun, auch wenn sie schön war. Dann runter in die Empfangshalle gegangen und ein paar beiläufige Verhörs geführt. Vom Puff Pifi, so der Künstlername vom Chef, viel über Putzpflicht und Reinlichkeit erfahren, aber darüber ja bereits am Anfang berichtet. Mit einem Bar-Hocker vom "L'amour" über die Putzstreitereien der Angestellten gefachsimpelt. Der Gast zugegeben, dass schon Witze über den Putz-Puff kursierten. Große Augenauskratzereien, weil keine Putzen wollte. Dann Alina und alles wieder ruhig. Putz-Puff sauber, Nutten zufrieden, Kunden befriedigt. Alles wieder gut. Jetzt Alina Loch im Bauch, großes Chaos, Angst und Schrecken unter den Freiern, nicht gut fürs Geschäft. Dann der junge Kollege vom Brand entdeckt. Sebastian „Basti Bast hieß er, meist lebenslustiger Geselle. Hockte jetzt heulend auf der Pufftreppe, war gar nicht mehr getröstet zu kriegen. Der Brand, ganz väterlich auf die Schulter geklopft, entlockte ihm, dass Stammkunde von Alina. Tolles Mädchen, immer fröhlich. Immer zugehört und erst mütterlich getröstet, dann töchterlich gevögelt. Tolles Mädchen. Jetzt Bauch durchsichtig, Kunden todtraurig. Jammerte ständig, „Wer tut denn so was, wer tut denn so was?“ „Mörder. Mörder tun so was.“, der Brand ganz cool gesagt. Sich selber aber auch gefragt: Wer tut so was? Die Putz verweigernden Prostituierten? Kontraproduktiv, denn jetzt müssen sie erst recht putzen. Besonders das Zimmer von der Alina. Der zwielichtige Zuhälter? Sicher nicht, wer versucht schon, seine Stars und Cash Cows loszuwerden? Die einsamen Kunden? Die müssen jetzt wieder Reste-bumsen. Noch dazu in schlecht gereinigten Zimmern. Vielleicht sogar einer der notgeilen Kripo – Kumpel? Die werden sich doch ebenfalls nicht mit doppelter Arbeit belasten: Erst anstrengend Löcher in Lustobjekt stechen, anschließend Überstunden in der Arbeit. Ne,ne. Da steckt mehr dahinter, der Brand sich gedacht und erstmal Feierabend gemacht, um in Ruhe kotzen zu können.
Am nächsten Tag ganz große Überraschung. Ergebnis der Obduktion. Alle vollkommen ratlos. Todesursache kein zuckendes Fleischermesser von blutrünstigen Psychopathen. Alles ganz anders. Innere Verpuffung hat zu chemischer Reaktion, physischer Explosion und äußerer Verschmutzung geführt. Außerdem wurden zahlreiche chemische Substanzen und Reste eines winzigen Plastiksäckchens nachgewiesen. Wie denn, was denn, der Brand jeden der Leichenschnippler gefragt. Die immer nur mit die Achseln gezuckt: „Sind wir Chemiker, oder was?“ Nach längeren Telefonaten mit Chemieprofessoren der Brand immer noch nicht gescheiter. Was dran gelegen hat, dass er selber halt auch kein Chemiker ist. Großes Blabla am Telefon. Von Sulfiten, Glycerin, chemischen Reaktionen, raschen Verbrennungen und logischen Resultaten gelabert. Der Brand nur so viel aus dem Gespräch behalten: 1. Zutat Schwarzpulver (vermutlich in einem winzigen Plastiksäckchen). 2. Zutat körpereigene chemische Ausschüttungen. (Hormone). Dann ganz komplizierte, extrem seltene Reaktion. Ergibt: Gewaltige Explosion in der Alina drin. Bauch weg. Alina hinüber. Der Brand zwar nicht verstanden, wie das alles passiert. Immerhin sicher, dass es passiert ist.
Also wieder zum L’amour, Zeugenbefragungen. Erst über den Freitag Mittagsverkehr in Rosenheim geflucht. Dann keinen Parkplatz bekommen. Später Strafzettel gekriegt, aber das wusste der Brand zum Glück noch nicht, als er sich das L’amour im Tageslicht anschaute. Wieder ins Alina – Zimmer. Immer noch nicht geputzt. Grausliger Gestank. Ein Kollege von der Spurensicherung dabei. Gezielte Fragen: Schwarzpulver, Plastiksäckel. Der Spurensicherer, nicht schlecht in seinem Job, deutet mit den Finger im Handschuh quer über das Zimmer: Da, da da, da,da: Überall Plastiksäckerl. Von Scharzpulver nur noch Restspuren. Dafür jede Menge Elemente von irgendeiner chemischen Substanz, deren Namen sich der Brand natürlich nicht merken konnte und die bei der Reaktion entstanden ist, die den Bauch von der Alina gesprengt hat. Den Brand jetzt zwei Fragen unter den Nägeln gebrannt: 1. Wie kommt das Plastiksäckel mit dem Schwarzpulver in den noch vorhandenen Alina – Bauch. 2. Warum kommt er dahin. Und 3. Welche Art von körpereigenen Hormonen haben die Alina letztendlich gesprengt. „Wurden eigentlich am Opfer Spermaspuren entdeckt?“ Der Brand zum Spurensicherer. Der fing lauthals zu lachen an. „Was dachten Sie denn? Acht verschiedene von Kopf bis Fuß.“
Da im Zimmer nix interessantes mehr zu finden, runter ins Büro vom Chef. Dort zuerst ziemlich eisige Stimmung. Chef ziemlich genervt, so viele Beamte dienstlich im Haus zu haben. Vermutet erheblichen Dienstausfall. Da Polizisten-Stammkunden natürlich privat fern bleiben und nach Feierabend zum Etablissement der Konkurrenz ins Eros-Center ausweichen. Der Brand, selbstverständlich sehr hohe Sozialkompetenz, warf nur gerade so mit Ice-Breakern um sich. „Das ist der schönste Puff, mit dem ich bisher dienstlich zu tun hatte.“ Schleimte der Brand, „So sauber. Bis auf das eine Zimmer halt.“ Der Pifi, selber nicht ganz so in Gesprächstechniken geschult, fiel natürlich sofort drauf rein. Lief sogar ein bisserl rot an, so geschmeichelt fühlte er sich. „Vielen Dank für die Blumen, Herr Kommissar. Aber sie haben Recht: In diesem Haus wird großer Wert auf die Hygiene gelegt.“ „Seit wann sind’s denn schon im Geschäft?“ der Brand sofort ein wenig ernster. „Noch keine drei Jahre.“, der Pifi ins Erzählen kommend, „Ich war ja davor noch arbeitslos. Hab in a Nebentätigkeit in München wichtige Kontakte geknüpft. Und des L’amour? Des war a oreudiger, verdreckter Schuppen, in dem sich die Hauptdarstellerinnen von Pudelnackt in Oberbayern Teil 1-4 ihre Rente aufbesserten. Wenns verstehn, was ich mein.“ Der Brand genickt. Obwohl er gar nicht wusste, dass es Teil 3 und 4 gab. „Ja gut, als dann das L’amour neu verpachtet wurde, hab ich zugeschlagen. Bin sogar sechs Monate lang vom Arbeitsamt gefördert worden. Hab dafür zwar an einem seltsamen Existenzgründerseminar teilnehmen müssen, dafür habens mir dann gute 15000 Mark in den Arsch geschoben. Des L’amour hab ich dann komplett umgestaltet, sozusagen eine neue Corporate Identity geschaffen. Neue Mädels angeworben. Da hat mir übrigens das Arbeitsamt ebenfalls sehr unterstützt, könnt gar nix schlechtes über die sagen. Ja, Herr Kommissar, und wie sie sehen, läuft das Geschäft seitdem bestens. Wir sind die Nummer Zwei im Landkreis knapp hinterm Eros-Center.“ Ich weiß, der Brand sich gedacht. Dann Überraschungsangriff auf den Pifi, der gerade so richtig in Fahrt gekommen war: „Können Sie sich vorstellen, was die Alina mit Schwarzpulver zu tun haben könnte?“ Der Pifi auf einmal ganz kreidebleich und mit lauter Stimme: „Also mit Drogen haben wir nichts am Hut! Dafür bürge ich mit meinem Namen.“ Der Brand breit gelächelt, sich vorgestellt, wie vertrauensvoll sein Name doch klingt und den Puff Pifi aufgeklärt: „Nein nein, nicht das weiße Pulver, Gott bewahre. Schwarzpulver. Sprengstoff, Dynamit.“ „Ach so.“, der Puff Pifi erleichtert, „Das haben sicher die Jordanier vom arabischen Stammtisch liegenlassen. Die kommen immer am Donnerstag.“ Der Brand jetzt auf einmal ganz neugierig geworden: „Der arabische Stammtisch, sagens?“ Der Puff Pifi, sich erstmal geheimnisvoll umgeschaut, als ob er beobachtet werden könnte: „Sehens, Herr Kommissar, des muss aber natürlich unter uns bleiben. Diese Muslime sind in der Hinsicht ja furchtbar empfindlich. Die dürfen im Paradies zwar dreißig, oder waren’s noch mehr – Jungfrauen haben, aber im irdischen Leben nicht mal in’n Puff gehen, ohne dass Ärger mit der Alten gibt.“ Der Brand fassungslos den Kopf geschüttelt, der Pifi erregt weitererzählt: „Die Frauen haben bei denen zwar in allgemeiner Hinsicht nix zu sagen, aber wenn’s um Allah geht – mein lieber Schieber! Da gibt’s Rabatz. Aber unser Haus ist natürlich diskret.“ „Und der arabische Stammtisch trifft sich also einmal in der Woche in Ihrem Laden?“ „Meine treuesten Stammkunden.“ „Und die Frauen zu Hause kümmern sich darum, dass die acht Töchter schnellstmöglich verheiratet werden und haben keine Ahnung.“ „Nana, Herr Kommissar. Jetzt schüren Sie aber Vorurteile. Aber so ist er, der Araber: Erzählt daheim, dass sie sich jeden Donnerstag treffen, um die Befreiung Palästinas zu planen, aber in Wirklichkeit befriedigen sie ihre irdischen Gelüste in meinem Puff.“ „Wird also nix mit den 66 Jungfrauen im Paradies.“ „Dafür haben Sie 9 Jungfrauen im L’amour.“ Das hat der Brand nun zwar nicht geglaubt, aber zumindest eine Vermutung hat er gehabt: „Sie wissen nix davon, dass die Alina vielleicht auch mit dem Islam sympathisiert hat?“ Aber der Pifi darüber nur den Kopf geschüttelt. „Wenigstens war sie nur dann verschleiert, wenn’s der spezielle Kundenwunsch war. Oder wenn sie mit Pestiziden geputzt hat wegen Atemschutz und so. Außerdem würd’s mich ums Verrecken ned wundern, wenn die sogar Jüdin war.“ „Gabs denn einen vom arabischen Stammtisch, der gern bei der Alina war?“ „Die waren alle gern bei der Alina.“ „Einer vielleicht ganz besonders gern?“ „Wenn, dann der Stammtischleiter.“ „Wie heißt der?“ „Lassens mich überlegen. Ach ja, der Mahmut.“ „Ich dachte, der ist ausgestorben.“ Der Brand noch gescherzt, bevor er sich auf den Weg machte, um den Mahmut aufzuspüren.
Erst noch Telefonat mit Handlanger: „Basti, suchens mir bitte sämtliche Araber im Raum mit Vornamen Mahmut raus. Und dann zack, zack Hausbesuch. Bin in zehn Minuten da.“
53 Minuten später: Der Brand sich endlich beruhigt wegen Strafzettel, dann Stau gestanden wegen Unfall am Brückenberg, zwecks Nervenberuhigung noch Plan gefasst, Leberkassemmel zu essen, noch mal zehn Minuten auf unfähige Bedienung warten müssen, die dann auch noch statt süßen scharfen Senf rein spritzte. Stinksauer dann endlich im Präsidium angekommen.
Der Basti, obwohl immer noch bisserl verweint drein geblickt, rang sich ein kleines triumphales Lächeln ab: „Bingo, Herr Brand: Mahmut ‚Scheich’ al Aksa. Vorbestraft wegen Waffenschiebereien, seit drei Jahren auf Bewährung frei. Wohnt in Kolbermoor. Könnt ein dicker Fisch sein, wird vom BND abgehört.“ „Woher weißt denn das schon wieder?“ der Basti gegrinst: „Herr Brand, in keiner Behörde Deutschlands wird so viel geplappert wie im BND, so was weiß man doch. Hab nur eine Vorzimmerdame anrufen müssen. Die freuen sich immer, wenn sie streng geheime Details verbreiten dürfen.“ „Und Vorzimmerdamen wissen nun mal immer alles.“, der Brand genickt. Also raus aus dem Präsidium, rein in den fettesten Dienst-Mercedes zwecks Einschüchterungstaktik. „Hast die Kanone dabei, Basti?“ der Brand extra noch mal gefragt – und noch mal fünf Minuten warten. „Da verhören wir einen arabischen Waffenschieber und der Junge hat keine Knarre dabei.“ der Brand geschimpft. „Glaubens echt, dass der mein altes Ding noch verscherbeln könnt?“ der freche Basti zurück gescherzt.
Fünfzehn Minuten später vor dem Reihenhaus vorgefahren. „Spießersiedlung,“ der Brand gesagt, „Rasen gepflegt, Einfahrt aufgeräumt, Familien Kombi in der Garage, selbst gestickte Fußmatte – was schließen wir daraus, Bast?“ „Eindeutig: typischer Schläfer.“ Der Basti blitzschnell kombiniert. Jetzt an der Tür geläutet. Biederes „Ding Dong.“ Weniger Kindergeschrei als erwartet, die Gören wohl in der Schule. Süßes dunkelhäutiges Mädchen mit wuscheligen Haaren öffnete die Tür, die beiden mit großen schwarzen Haaren erschreckt angeschaut. „Grüß Dich. Ist Deine Mama, oder der Papa zu Hause?“ der Brand ganz freundlich gefragt. Das Mädel den Zeigefinger zum Mund geführt und überlegt. Dann in tiefstem bayerisch geantwortet: „De Mamma, glab i is in da Oaboad. Oba da Babba is do.“ „Könntest du ihn kurz für uns holen?“ Der Brand noch freundlicher. Das Mädel gleich ins Haus zurück gelaufen und mit schriller Stimme geplärrt: „Babba! Baaaaaabaaaaa!“ Dann der Mahmut finster und böse drein blickend im Türrahmen erschienen, Mädel vom Haus wieder verschluckt. „Polizei, was wollen? Nix getan.“, der Mahmut reflexartig vorgebetet, noch ehe die beiden ihre Dienstmarken zücken konnten. Brand und Bast sich angeschaut: „Wenns so offensichtlich is, dass wir Bullen sind, können wir uns gleich erschießen.“ Der Brand geflüstert. „Herr Mahmut, sie kennen ja das Procedere, nehm ich an. Dürfen wir kurz rein kommen.“ Der Mahmut missmutig drein geschaut, aber genickt: „Wenn nicht zu lang dauert. Muss auf die Kinder aufpassen.“ „Sie sind mir ja einer.“ Der Brand gescherzt, „Schicken die Gemahlin arbeiten und schmeißen den Haushalt. Sehr lobenswert.“ Der Mahmut zurückgezischt: „Suchen se Streit, oder was? Isch kann gar nicht arbeiten. Darf kaum aus dem Haus. Bin politisch Verfolgter.“ „Ach so,“ der Brand gemeint, als sie sich im teils arabisch eingerichteten Wohnzimmer setzten, „Isch zu großes Sicherheitsrisiko.“ Der Mahmut erklärt, „Bin sowohl auf Todesliste von iranischen Geheimdienst als auch von kurdische Rebellen.“ „Respekt.“ Der Brand gegrinst. „Davon kann isch auch nix kaufen. Keine Firma stellt misch ein. War in Jordanien Ingenieur, hab sogar für König gearbeitet. War für die Klimaanlage im Palast zuständig. Jetzt hier in Deutschland: Alles Scheiße. Alle Angst vor Araber und Bombenanschlägen.“ Der Brand hellhörig geworden: „Wie meinen sie das mit den Bombenanschlägen?“ „Is doch klar: Isch, großer Verfechter der Demokratie in Jordanien, natürlich überall verfolgt.“ Der Brand den Basti ungläubig angeschaut und gezischt: „Verfechter der Demokratie. Wers glaubt…“ „Nein, ehrlisch. Isch großer Freund vom Westen. Deswegen gleisch nach erster Golfkrise nach Deutschland. Zu gefährlich daheim, auch in Jordanien.“ „Und wie war das mit der Angst vor Bomben?“ „Schwer zu erklären.“ „Versuchen sie’s.“ „Also: Ihr Deutsche alle meinen, wir Araber alle gleich. Aber Araber total verfeindet. Jordanier hassen Iraner, Iraker hassen Kurden. So ähnlich wie bei eusch mit Bayern und Österreischer. Das einzige was uns zusammenhält ist, dass wir Israel noch weniger mögen.“ Darauf der Brand zum Basti: „Das einzige was uns zusammenhält is, dass wir de Preissn noch weniger mögen.“ „Und isch, vor zehn Jahren großer Freund von Rabin, der damals noch Chef in Israel war. Junge, isch sag eusch. Nix als Stress deswegen daheim in Jordanien, nur weil isch den cool fand und des laut gesagt hab. Lauter Stress. Iranischer Geheimdienst, kurdische Rebellen, alle gegen misch. Erst seit Scharon und Bush an Macht, die isch ned cool finde und des auch laut sag, hab isch wieder bisserl Respekt bei andere Araber.“ „Und seitdem bastelns auch wieder Bomben?“ der Brand ganz frech gefragt. „Wie meinens jetzt des?“ Jetzt der Brand endgültig dienstlich geworden. Schluss mit Small Talk und Ice Breakern: „Herr al Aksa, die Alina vom L’amour ist tot.“ Der Mahmut ganz blass geworden, aber darauf bestanden: „Was für ne Alina? Was für ein L’amour?“ Der Basti dazwischen: „Leugnen ist zwecklos, Herr al Aksa. Wir wissen Bescheid. Und wenn Sie sich um ihre arabische Ehre gegenüber ihrer Frau sorgen, wir unterliegen der Schweigepflicht.“ Dann der Mahmut ganz traurig geschaut: „Die Alina ist tot?“ Und auch dem Basti seine Augen ganz glasig geworden, als er mit dem Kopf nickte. Dann wieder der Brand: „Die Alina ist explodiert. Wir haben in ihrem Bauch Reste von Schwarzpulver gefunden. Können Sie sich das erklären?“ Der Mahmut immer blasser geworden. Auf arabisch zu jammern begonnen. Die Hände zum Himmel gereckt und immer lauter unverständlich gejammert. Erst nach einer Minute oder so beruhigte er sich endlich. „Sie müssen mich verhaften. Isch bin schuldig. Isch gestehe alles.“ Der Basti plötzlich ganz grimmig drein geschaut und schon die Handschellen gezückt, der Brand ihn gerade noch zurück gehalten: „Was gestehen sie, Herr al Aksa?“ „Isch hab am Donnerstag Abend ein kleines Päckchen Schwarzpulver eventuell bei der Alina liegenlassen.“ Der Basti völlig außer sich aufgesprungen: „Du Schwein! Du hast die Alina ermordert!“ Der Basti dann kurzen Heulkrampf gekriegt, der Mahmut laut mitgeheult. Der Brand alle Hände voll zu tun, die Heulerei zu beenden. „Wo haben sie eigentlich das Schwarzpulver her?“ Der Mahmut jetzt wieder gecheckt, dass er in misslicher Situation steckte, sich schnell wieder beruhigt: „Isch schwör! Ganz legal in Apotheke gekauft. Für Chemiekasten von Kinder.“ Der Brand natürlich auch nicht blöd, sofort gemerkt, dass dies Lüge: „Könnten Sie mir den Chemiekasten zeigen?“ Der Mahmut kleinlaut: „Nein. Gut, isch gebs zu. Wir wollten Bombe bauen und Bush bei nächsten Deutschlandbesuch in Luft sprengen.“ Der Brand genickt: „Ach so.“ Der Basti wütend gebrüllt: „Du Schwein! Warum hast dann nicht ihn, sondern die Alina erwischt?“ Der Brand schnell wieder auf Konfliktbewältigung gesetzt: „Jetzt halt mal die Schnauze, Bast! Also, Herr al Aksa. Sie geben also zu, im Zimmer von der Alina Schwarzpulver versteckt zu haben.“ „Nix versteckt. Isch habs halt liegenlassen.“ „Jetzt erklären sie mir doch bitte in aller Ruhe, wie sie mit so einem kleinen Säcklein Schwarzpulver den Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sprengen wollten?“ Der Basti dazwischengeschrien: „Bei der Alina hats ja auch geklappt!“.“Klappe, Bast.“ – und Ruhe war. „Herr Kommissar, des mit dem Bush war doch gar nischt ernst gemeint. Wir hätten des doch nie durchgezogen, isch schwör! Aber als arabische Vereinigung muss man halt so Sachen planen.“ „Sie meinen, Art Berufsehre? Aber auch die Planung ist strafbar.“ „Und Mord auch!“ Der Basti wieder dazwischen. „Bitte erklärens mir trotzdem diese geringe Menge.“ „Gut, war a Werbegeschenk.“ „Ein Werbegeschenk?“ der Brand und der Basti fast gleichzeitig. „Vom ‚Verein für freies Palästina’. Die suchen neue Mitglieder und verteilen sozusagen symbolisch kleine Sprengstoffbackerl.“ „Und als Mitglied kann man den Sprengstoff dann kiloweise zu verbilligten Konditionen erwerben.“ „Genau.“ „Ihr Terroristen seids vielleicht ein seltsames Volk.“ „Hey, isch bin kein Terrorist.“ „Wo genau haben Sie das Packerl mit dem Sprengstoff denn liegen gelassen.“ „Auf dem Nachtkasterl.“ „Wusste die Alina, dass da Sprengstoff drin war?“ Der Mahmut den Kopf geschüttelt: „Isch hab ihr nur gsagt, dass das voll der krasse illegale Stoff ist und dass man fett ins Gefängnis muss, wenn man damit erwischt wird.“ „Und trotzdem haben sie ihn liegenlassen.“ „Ey, wenn man sisch den ganzen Tag Gedanken machen muss, wie man die armen Palästinenser befreit, da kann schon mal vorkommen, dass man a kleines Packerl vergisst.“
Der Brand inzwischen genug gehört, sich verabschiedet und wieder hinaus gegangen. Der Basti fassungslos: „Hätten wir den nicht verhaften müssen?“ „Ach Basti, lass doch den armen Spinner. Für den sind nicht wir, sondern der BND zuständig.“ „…aber die Alina?“ „Eines ist sicher: Dass er selbst die Alina nicht in die Luft gejagt hat. Aber sein Sprengstoff wars.“ Der Brand auf die Uhr geschaut: „Fast schon halb drei und der Fall immer noch nicht gelöst. Also wieder ab zum L’amour.“
Beim L’amour wieder keinen Parkplatz gekriegt und beim McDonalds geparkt. Da beide Hunger, noch schnell mit zwei Gutscheinen vier McBacon gekauft, gekaut und erst im L’amour langsam verdaut. Der Basti anschließend wichtigen Termin im Präsidium und von Kollegen abgeholt, der Brand natürlich gleich ins Büro vom Puff Pifi, der gerade Vorstellungsgespräche mit zukünftigen Angestelltinnen. „Das Arbeitsamt hat superschnell reagiert.“ Der Puff Pifi gestrahlt, „Heute Morgen meinen Vermittler vom Arbeitgeber – Service angerufen, der schaut kurz in Computer, macht einige Anrufe und kaum is Nachmittag tanzen die Puppen schon an. Da sag noch einer, Beamte wären langsam.“ Der Brand drei vollbusige, extrem junge Blondinen gemustert, die vor dem Büro in einer Reihe saßen. Jede von ihnen eine dicke Bewerbungsmappe in der Hand gehalten. „Was steht denn in einer derartigen Bewerbung?“ der Brand gefragt. „Ich lege sehr großen Wert auf die schriftliche Bewerbung.“ Der Pifi erklärt, „Ausführlicher Lebenslauf samt bisherigen beruflichen Werdegang, besondere Kenntnisse und Vorlieben, Hobbies und eventuelle Praktika. Natürlich Lichtbilder.“ „Nur vom Gesicht, oder auch Aktaufnahmen.“ „Beides, das ist doch selbstverständlich in meiner Branche.“ „Und wie verläuft das Vorstellungsgespräch? Oral, nehm ich an.“ Der Brand gescherzt. Dann aber nicht sicher, ob nur ein Scherz, als er große rote Couch in Nebenraum bemerkte. Dennoch der Brand den Pifi gebeten, die Vorstellungsgespräche für eine Sekunde zu unterbrechen, um in Ruhe, unter vier Augen sprechen zu können. „Sie sind doch ein gewissenhafter Geschäftsmann.“ Der Brand begonnen, „Sie führen doch sicher Buch über die Termine ihrer Damen, über die Besuche, über die Besucher und die Abrechnungen.“ „Natürlich, das ist ja mein Job, nicht wahr?“ „Ist es halbwegs zu rekonstruieren, wer alles in welcher Reihenfolge am Donnerstag Abend bei der Alina war? Mich interessiert natürlich brennend, wer zuletzt bei ihr war.“ Der Pifi in seinen Aktenordnern gekramt und den Terminplaner herausgeholt. „Herr Kommissar, ich will ehrlich zu ihnen sein.“, der Pifi gesagt, „Nahezu 90 Prozent unserer Kundschaft ist ordnungsgemäß ins Buch eingetragen, samt Rechnung und Quittung für die Herren zur Steuerabrechnung. Manche lassen sich die Besuche tatsächlich als Werbungskosten vom Finanzamt erstatten. Aber…“ „Ich befürchtete bereits ein Aber…“ „Aber unsere Premiumkunden und darunter die, die es ausdrücklich wünschen, die ficken im Hause natürlich anonym.“ Der Brand verärgert, aber verständnisvoll genickt. „Das könnte ein Problem werden.“ „Sie müssen meine Situation schon verstehen, Herr Kommissar.“, der Pifi erklärt, „Die Konkurrenz in der Stadt ist enorm. Ein kleines Puff wie meins könnte gegen das gewaltige Eros-Center in der Au ja kaum bestehen, wenn wir nicht eine kleine Prise Diskretion und Attraktionen wie die Alina bieten könnten.“ „Jaja, das Eros – Center, das soll eine totale Massenabfertigung sein, hab ich gehört.“ „Sie haben Recht, Herr Brand: In diesen Mega-Bordellen der Großkonzerne da gilt man doch gar nicht mehr als Mensch. Da ist man nur noch eine Nummer. Es ist schrecklich, wie wenig Menschlichkeit mehr in unserem Gewerbe herrscht. Da herrschen nur noch McKinsey und Roland Berger.“ „Jaja, auch die gehen ins Puff.“ Der Brand gegrinst, „Doch zurück zum Thema: Dürfte ich die Liste sehen?“ „Natürlich.“ Dann der Brand seine Augengläser gesäubert, damit er die klein gedruckten Namen besser lesen konnte: „Haßlberger Thomas… Krähling Oliver… dann ein Anonymus… Langwieder Martin… Stöckl Florian… aha, jetzt kommen die Araber… zu guter Letzt unser Mahmut. Und dann…“ Der Brand die Brille wieder abgenommen: „Als hätt ich’s geahnt. Ein Anonymus.“ Der Brand wütend geflucht, dann scharf überlegt: „War eine der Damen im Haus mit der Alina befreundet?“ Der Pifi, ohne zu überlegen: „Die Lysanne. Die war ihre beste Freundin. Die hat mit ihr sogar manchmal geputzt.“
Der Brand also rauf ins Arbeitszimmer von der Lysanne. Geklopft, eine Stimme gerufen „Ich komme.“ Aber keiner gekommen. Nur jemand dumpf geschrien. Der Brand, peinlich berührt, erstmal Platz genommen und gewartet. Nach fünf Minuten ein Mann herausgekommen, den der Brand natürlich sofort als Stadtratsmitglied erkannte. Da sicher, dass es sich dabei auch um einen „Anonymus“ gehandelt, der Brand dezent weggeschaut und getan, als ob nicht hingesehn. Dann rein ins Zimmer von der Lysanne. Die gerade Sturm – gelüftet, rauchte eine Zigarette am Fenster. Halb nackt. Der Brand sich als Kommissar vorgestellt und sie gebeten, sich doch zu bedecken. Sonst könne er sich nicht konzentrieren.
Dann strenges Verhör. Beide an einem kleinen Tisch gesessen. Der Brand sich trotzdem nicht richtig konzentrieren können, da die Lysanne auch angezogen wunderschön anzuschaun war. Kurz mit dem Gedanken gespielt, sich unsterblich in die Lysanne zu verlieben, sie aus dem Puff frei zu kaufen, sie zu heiraten und mit ihr ein neues Leben in der Schweiz zu beginnen. Sich dann aber doch auf das Verhör konzentriert: „Wie ist ihr Name?“ „Katharina Enzensberger.“ „Und Lysanne?“ „Mein Künstlername.“„Ach so. Wo waren Sie am Donnerstag Abend zwischen Zwölf und halb Eins?“ „Anschaffen.“ „Mit wem?“ „Muss ich das sagen?“ „In ihrem eigenen Sinne.“ „Mit meinem Ex-Freund.“ Der Brand ganz verdutzt geschaut: „Ihr Ex-Freund zahlt für den Sex mit Ihnen?“ „Selber Schuld. Wär er nicht fremd gegangen, würd ich’s umsonst machen. Aber er musste ja unbedingt ständig in den Puff gehen.“ „Läuft doch bestens, jetzt geht er zu ihnen in den Puff.“ Jetzt der Brand wieder ernst: „Sie waren doch mit der Alina befreundet.“ Die Lysanne mit den Mundwinkeln gezuckt und eine kleine Träne die hübschen Wangen gerollt, dass die geschminkten Augen schwarz verliefen. „Ja, sie war mein liebster Schatz in dieser schlimmen Welt.“ „Haben Sie irgendeine Ahnung, wer der Anonymus war, der der Lysanne als Letztes seine Aufwartung machte?“ Die Lysanne auf einmal ganz finster geschaut und lange überlegt: „Oh mein Gott.“ Sie auf einmal aufgeschreckt: „Nein! Das glaube ich nicht. Der wird sie doch nicht ermordet haben!“ „Wer?“ „Tut mir leid, ich darf den Namen nicht nennen.“ „Sie werden ihn nennen müssen.“ „Nicht ohne einen Anwalt.“ „Gut.“; der Brand gestöhnt, „dann sagen Sie mir doch bitte wenigstens alles, was sie mir mit reinem Gewissen ohne Anwalt sagen können.“
Und dann erzählte die Lysanne die traurige Liebesgeschichte von Alina und dem Anonymus. „Die Alina hat den Job hier gemacht, weil’s gutes Geld war und weil’s ihr Spaß gemacht hat. Und dann ist eben das passiert, was selten passiert, aber es ist passiert: Sie hat sich Hals über Kopf verliebt. Gleich an ihrem ersten Arbeitstag kam ein junger, gut aussehender Mann zu ihr, der sich bei ihr ausheulte, weil ihn seine Arbeit so fertig machte. Er jammerte über den Job, über seinen Arbeitskollegen, der ihn immer bevormundete und schikanierte und schüttete der Alina sein ganzes Herz aus. Die hörte ihm natürlich zu. Das konnte sie gut, fast noch besser wie das ficken.“ Der Brand genickt, signalisiert, dass er auch gut zuhören konnte. „Die Alina hat den Jungen supersüß gefunden und noch süßer fand sie, dass der gar keinen Sex von ihr wollte und mit ihr dann zwei Stunden lang rumgeknutscht hat. Sie wissen ja: Wir küssen in der Regel ja nicht auf den Mund. Aber mit ihm hat sie geschmust. Stundenlang. Und er hat trotzdem fürs volle Programm gezahlt und ihr sogar Trinkgeld gegeben.“ „Das ist ja sehr nobel.“ „Finde ich auch. Er kam dann meist einmal die Woche. Sie hat sich immer gefreut, wie ein kleines Kind, wenn er einen Termin ausmachte. Sie hat sich dann extra schick gemacht und das Zimmer immer besonders sauber geputzt. Sie war so unendlich verknallt in den Jungen und er hat ihr laufend Komplimente gemacht, was für eine tolle, wunderbare Frau sie doch sei. Sie hat mir mal gesteckt, dass sie nur darauf wartet, bis er sie fragt, ob sie sich mal privat treffen sollten. Aber dazu kam es leider nie. Und wissen sie, warum sie sich privat mit ihm treffen wollte?“ Der Brand schüttelte den Kopf. „Weil außer Schmusen nie was gelaufen ist zwischen den beiden. Der Junge hat die Alina so gern gehabt, dass er sich schäbig vorgekommen wäre, für Sex zu zahlen.“ „Aber fürs Knutschen zahlte er.“ „Er zahlte für ihre Zeit. Außerdem hat er der Alina tatsächlich gesagt, dass er nur dann mit einer Frau schlafen könne, wenn er mit ihr fest zusammen sei. Die Alina meinte, dass sie immer ganz feucht wurde, wenn er auch nur annähernd Sex andeutete. Aber in dieses Vergnügen ist sie nie gekommen. Außer…“ „Vielleicht in der letzten Nacht.“ Schloss der Brand, „Der Nacht, von der wir nichts wissen. Deshalb wäre es so wichtig, seinen Namen zu wissen.“ „Ich sage ihnen den Namen nur mit seiner Zustimmung.“ „Sie kennen ihn?“ „Nein, aber ich weiß, wo man ihn findet.“ „Dann finden sie ihn!“
Der Brand wieder runter zum Pifi. Wollte sich natürlich nicht darauf verlassen, dass die Lysanne den Namen rausrückte und längst Plan B gefasst. Aus dem Büro gerade eine der Bewerberinnen gewankt, sich die Bluse zuknöpfend. Der Brand geklopft und hinein: „Eine aussichtsreiche Bewerberin?“ „Sehr.“ Der Pifi gestrahlt. Dann der Brand dem Pifi die Pistole an die Brust gedrückt. Natürlich nur im übertragenen Sinn: „Nennen Sie mir den Namen der Anonymus, oder ich mach ihren Laden für dieses Wochenende dicht.“ „Aber wir haben doch Saison.“ „Also raus mit den Namen!“ Der Pifi überraschend schnell auf den Bluff vom Brand reingefallen und in den Karteikarten geblättert: „Also an besagten Donnerstag waren nur zwei Anonymus bei ihr. Da haben wir ja mal Glück gehabt. Also, Anonymus Nummer Eins ist… warten sie bitte…“ er blätterte in den Karteikarten und zog eine hervor: „Oha. Ein ganz hohes Tier. Ich zeige ihnen unauffällig die Karte, aber erwarten sie nicht, dass der Name über meine Lippen kommt. Berufsehre.“ Der Brand notierte sich Namen und Adresse und schüttelte den Kopf: „Tatsächlich. Diesen Namen werden wir natürlich sehr diskret behandeln, sonst gibt’s einen Riesen Skandal. Wusste gar nicht, dass auch Frauen die Alina besuchten.“ „Sie war die einzige.“ „Aha und nun der zweite.“ Der Pifi noch eine Weile geblättert, dann verzweifelt den Brand angeschaut: „Tut mir leid. Das war ein ‚VIP’, ein Very important Premium.“ „Und das heißt?“ „Dass die Buchungen nicht über mich liefen, sondern über die Damen persönlich. Also weiß nur die Alina selbst, wer es war.“ „Oder die Lysanne…“ der Brand gemurmelt und zurück ins Präsidium.
Das ganze Wochenende dann die Kollegen herumgescheucht. Riesen Aktion, viel Gemecker und viele Überstunden. Der große Spermaspuren – Vergleich. Der Brand aber schon geahnt: Sieben Spermaspuren komplett identisch mit sieben bereits bekannten Namen der Alina – Kunden. Neun Kunden waren es, davon war eine weiblich, also unmöglich, Spermaspuren zu hinterlassen. Somit war Anonymus Nummer 2 entweder auch eine Frau, oder er hatte nicht mit Alina geschlafen. Da laut Meinung vom Pifi ersteres zu 100 Prozent auszuschließen war, konnte der Brand davon ausgehen, erneut ein Fakt herausgefunden zu haben: Der große Unbekannte hat nicht mit der Alina geschlafen.
Montag morgen. Der Basti sich gerade krank gemeldet, der Brand stinksauer. „Das ganze Wochenende nichts als Mist – Arbeit abgeliefert und jetzt blau machen. Was ist denn nur los mit dem Jungen?“ der Brand getobt.
Der Brand dann den ganzen Vormittag Berichte geschrieben und hin und her überlegt, welche Verbindung zwischen dem Anonymus, dem Sprengstoff und der Explosion bestehen könnte und plötzlich gegen Mittag Geistesblitz gehabt.
Hinein in den Dienstwagen und ab zum L’amour. Lysanne gerade Kaffeepause gehabt, der Brand sie unbarmherzig überfallen. „Frau Enzensberger?“ „Ach sagen Sie doch auch Lysanne zu mir.“ „Also gut, Frau Lysanne.“ „Fräulein.“ „Also Fräulein Lysanne. Ich will nur eines von ihnen wissen: War der Anonymus Polizist?“ Die Lysanne ganz blass geworden. „Wie haben Sie das herausgefunden?“ Der Brand triumphierend gegrinst: „Das ist mein Job… und ich liebe meinen Job.“
Der Brand auf die Uhr geschaut: „Es ist jetzt Montag, dreizehn Uhr und ich hab den Fall immer noch nicht gelöst. Ich muss mich sputen.“ Also wieder ins Auto gesetzt, diesmal übrigens Parkplatz vor dem L’amour gekriegt und raus nach Happing gerast, bei dunkelrot über zwei Ampeln, so eilig hat er es gehabt. Sturm geläutet bei der Wohnung vom Basti, hinauf gestürmt und die Tür fast eingerannt. Der Basti, komplett verheult aufgemacht und erstmal für beide einen Kaffe aufgesetzt, bis sich der Brand wieder beruhigte. Dann die Katze aus dem Sack. Der Brand: „Basti, ich bin so nah dran, das glauben sie nicht.“ Der Basti nur lethargisch die Schultern gezuckt. „Wissen Sie, was mir heute Vormittag gekommen ist? Ich hab mich gefragt, wie das Säcklein mit Schwarzpulver in den Magen der Alina gelangt ist.“ „Sie hat es geschluckt.“ Der Basti mit gebrochener Stimme geflüstert. „Ja, aber warum hat die Alina das Zeug geschluckt?“ Der Basti wusste es nicht. Aber der Brand wusste es: „Der Mahmut hat doch der Alina gesagt, dass es sich um furchtbar illegalen Stoff handelte.“ Der Basti nickte matt. „Warum in aller Welt sollte die Alina den Stoff also schlucken?“ „Weil sie ihn verschwinden lassen musste.“ „Warum nicht verstecken?“ „Weil es in einem Bordellzimmer keine Verstecke gibt.“ „Und warum musste sie ihn verschwinden lassen?“ Der Basti immer bleicher geworden, „Keine Ahnung?“ „Weil der Kunde, der gerade anklopfte, ein Bulle war.“ Der Basti jetzt ganz grün im Gesicht. „Basti, hast Du eine Ahnung, wer von der Polizei alles die Alina besuchte?“ Der Basti nun grau im Gesicht, gestottert: „Sie meinen, außer mir?“ dann aufgesprungen, raus gerannt und die Badewanne voll gekotzt. Der Brand mit offenem Mund dagesessen und endlich das aufgehende Lichtlein über seinen Kopf glühen sehen. Dann ins Bad gegangen, sich auf den Hocker gesetzt und den kotzenden Basti väterlich am Kopf gestreichelt: „Du warst es also, in den die Alina so verknallt war?“ Der Basti aufgeschaut: „Verknallt?“ „Das hat mir die Lysanne gesteckt.“ „Ich wusste nicht, dass sie mich auch mochte.“ Der Basti noch gewimmert, ehe der große Heulkrampf begann. Der Brand eine halbe Stunde gebraucht, bis er den Basti wieder halbwegs bei Bewusstsein hatte. Wieder in der Küche gesessen, diesmal der Brand dem Basti einen Magentee gemacht. „Jetzt erzähl schon, was ist in der Nacht passiert?“
Und dann hat der Basti ausgepackt: „Die Alina ist… war meine große Liebe. Es war die große Nacht. Ich hab mich endlich getraut, sie um ein Rendezvous zu bitten. Ich weiß auch nicht, warum ich sie nicht früher gefragt habe. Ich habs einfach nicht auf die Reihe gekriegt. Aber an diesem Donnerstag war es soweit. Ich hab Blut und Wasser geschwitzt, weil ich dachte, sie gibt mir einen Korb. Aber sie hat sofort ja gesagt, wir haben uns für..:“ dicke Tränen kullerten ihm wieder von der Wange, „Wir hätten uns für Samstag verabredet… und jetzt ist sie tot.“ „Was ist dann passiert?“ „Rein gar nichts mehr. Ich war so überglücklich, dass ich sie nur noch umarmt habe, kurz küsste und mich dann verabschiedet habe. ‚Bis Samstag’ sagte sie noch und hat dabei so komisch geschaut, dass mir ganz anders wurde.“ „Wie komisch?“ „So… wie soll ich ihnen das beschreiben? So lustvoll. Als ob sie unbändige Lust auf Sex hätte. Aber ich dachte, das war ihr Berufsblick.“
Der Brand grübelnd: „…als ob sie unbändige Lust auf Sex hätte… Basti, haben Sie nie Lust auf Sex mit ihr gehabt?“ „Natürlich! Ich bin halb geplatzt bei ihr.“ „Aber?“ „Nein, nein. Das ist nicht mein Stil. Ich schlafe nicht mit Mädchen für die ich bezahlen muss.“ „Aber sie hätten gern mit ihr geschlafen?“ „Sehr. Ja, sehr, sehr sehr gern. Deshalb habe ich ja das Rendezvous mit ihr ausgemacht.“ „Wenn sie sie sehr begehrten, wie haben sie dann…“ der Brand räusperte sich, „öhm… Dampf abgelassen?“ Der Basti, eine Grimasse ziehend: „Na wie wohl… immer wenn ich daheim war… sie wissen schon, Handarbeit und Werken…“
Der Brand plötzlich ganz nachdenklich geworden. Dann geflüstert: „Oh, mein Gott.“ Auch der Basti plötzlich wieder kurz davor, ins Bad zu rennen. Beide sich entsetzt angeschaut. „Das körpereigene Hormon.“ Der Brand geflucht. „Ein Glückshormon. Verdammt.“ Basti mit offenem Mund den Kopf geschüttelt. Der Brand nun endgültig kombiniert: „Wann werden Glückshormone ausgeschüttet?“ Der Basti ganz leise: „Orgasmus.“ Der Brand genickt:
„Also wissen wir jetzt, wie es passiert ist: Der Mahmut hat das Schwarzpulverpäckchen auf dem Nachtkasterl liegen gelassen. Anschließend hast Du geklopft und die Alina das Päckchen gesehen. Da sie dachte, es handelt sich um etwas Illegales und sie wusste, dass du bei der Polizei bist, hat sie es in Panik einfach in den Mund gestopft und geschluckt. Und nun kommst Du. Bittest sie endlich, sie ausführen zu dürfen, worauf sie sich schon seit Monaten sehnt. Dann gehst du wieder und die Aussicht auf Sex macht sie so dermaßen heiss…“ „Und ich war auch noch ihr letzter Kunde…“ „…dass sie sich selbst befriedigt.“ Der Brand nickte stumm, „Und ihre unbändige Lust steigerte sich zu einem gewaltigen Höhepunkt, zu einem zündenden Orgasmus, an dem sie im wahrsten Sinne des Wortes…“ „…explodierte.“ Der Basti wischte sich seine Tränen ab und der Brand tröstete ihn: „Zumindest war es ein schöner Tod.“
Ende
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Linda (Dienstag, 04 Mai 2021 08:56)
Sehr cool! ;-)
Chiemgauseiten (Dienstag, 04 Mai 2021 09:02)
Dabnke! Den ganzen Krimi könnt ihr, wie oben beschrieben, als PDF downloaden!
Carlos (Samstag, 06 November 2021 12:25)
Warum Habe ich kein Auto?
JYupWMLW (Montag, 27 November 2023 12:22)
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