„Es gibt auf dem ganzen Globus nur eine Kathi Kobus“, dichtete Joachim Ringelnatz über die Wirtin der Münchner Künstlerkneipe „Simplicissimus“. Kathi Kobus führte die schon damals legendäre Künstlerkneipe, bis heute schlicht „Alter Simpl“ genannt und scharte die komplette Münchener Kulturszene von Frank Wedekind, Ludwig Thomas bis hin zum jungen Thomas Mann um sich. Die krachern bajuwarische Wirtin trug dabei stets ein Chiemgauer Dirndl. Denn Kathi Kobus kam ursprünglich aus Traunstein.
Ein langweiliges, bürgerliches Leben, das war für Katharina Kobus, geboren am 7. Oktober 1854 in Niklasreuth am Irschenberg, von Anfang an nichts. Ihr Vater Joseph Kobus war seinerseits als leichtfertiger Charakter bekannt. Im Februar 1953 hatte er Theresia Bertl geheiratet.
Kathi Kobus wuchs bei ihren Eltern in Traunstein auf. Ihr Wohnhaus war in der Unterstadt, in der heutigen Scheibenstraße. Vater Joseph betrieb einen Pferdehandel und weitete sein Geschäftsfeld passenderweise auf den Bereich Lohnkutscherei und – ja – Pferdemetzgerei aus. Zudem betrieb er eine Gastwirtschaft. Auch wenn ihn Walther Diehl in seinem Buch über den Simplicissimus als leichtfertig beschreibt, so war er als Geschäftsmann so gewieft, dass er sich ein Haus in Traunstein leisten konnte.
Er betrieb das Traunsteiner Gasthaus „Zu den drei Rosen“. Die Wirtschaft wurde ab 1872 vom Pallinger Bauern Josef Wichtlhuber betrieben. Joseph selbst arbeitete weiter als Lohnkutscher und fuhr die Kundschaft zwischen seiner Gastwirtschaft und Trostberg hin und her. 1859 hatte er diese Fuhrkonzession schon einmal verloren, aber seitdem schien es stetig aufwärts gegangen zu sein.
Alles schien gut zu laufen für die Familie Kobus. Bis sich die schöne 17-jährige Tochter ausgerechnet in den adeligen Nachbarsjungen Ferdinand verliebte. Die junge Kathi Kobus war schon damals für ihr Temperament und ihre Streiche bekannt und wurde liebevoll „Kobusfuchs“ genannt. Auch der Ferdinand schien Gefallen an der Kathi gefunden zu haben. Allerdings verbot seine Mutter bei Androhung der Enterbung die nicht standesgemäße Liebelei zwischen dem Adeligen und der Fuhrmannstochter. Joseph Kobus schloss sich dem Verbot an.
Es half nichts, der Kobusfuchs hatte schon damals einen eigenen Kopf. Sie wurde schwanger. Während über Konsequenzen für Ferdinand nichts bekannt ist, wurde Kathi Kobus von ihrem Vater hinausgeworfen. Die 17-schwangere jährige Kathi musste Traunstein verlassen und ging nach München. Für Joseph Kobus ging es fortan bergab. Laut Walther Diehl kostete ihn dieser „Streich“ seiner Tochter die Wirtschaft in Traunstein und die Familie musste nach Eggenfelden gehen.
Kathi Kobus‘ Leben in München begann mit einer Tragödie. Ihr Kind, ein Junge, verstarb im Alter von nur drei Monaten. In den folgenden 20 Jahren arbeitete sie als Malermodell, half in Wirtschaften aus und lebte von Gelegenheitsarbeiten. Als ihr Vater starb, kam die Mutter zu ihr nach München. Ein großer Erfolg war beiden nicht beschieden.
Erst 1895, Kathi Kobus war inzwischen 41 Jahre alt, begann die große Zeit der Kathi Kobus. Sie wurde Kellnerin in der damals angesagten „Dichtelei“, einer Kneipe und Brettlbühne. Ihre freche, bodenständige Art fiel dort auf fruchtbaren Boden. Einer der Stammgäste war Albert Langen, der Herausgeber der im ganzen Reich bedeutenden Münchener Satirezeitschrift „Simplicissimus“.
Die Kathi Kobus war nicht nur ein Charakterkopf, sondern immer noch eine fesche Frau. Sie wurde zu einer der Attraktionen in der „Dichtelei“.
Ihre teils prominenten Gäste überredeten Kathi Kobus, sich eine eigene Lokalität zu suchen. Nicht weit von der Dichtelei war in der Türkenstraße gerade das „Kronprinz Rudolf“ frei geworden.
Der Legende nach zogen in der Walpurgisnacht 1903 die Gäste der Dichtelei, angeführt von einem Laute spielenden Frank Wedekind, feierlich aus der Dichtelei hinaus in Richtung Kathi Kobus‘ „Neuer Dichtelei“. Angeblich nahmen sie sogar einige Möbel mit.
Ärger war vorprogrammiert. Kathi Kobus wurde verklagt, weil sie nicht nur Gäste und Möbel, sondern auch den Namen der Dichtelei übernommen hatte. Kurzum musste die „Neue Dichtelei“ umbenannt werden. Sie entschied sich für den Namen des Satiremagazins, für das ein Teil ihrer Gäste arbeitete: „Simplicissimus“. Aber auch hier war, trotz mündlicher Zusage Langens, die rechtliche Lage unsauber, da Langen nicht die Rechte am Titel hatte.
So oder so, der „Simplicissimus“, auch „Alter Simpl“ genannt, wurde zum Inbegriff der Münchner Künstlerkneipe und zum Treffpunkt der Schwabinger Boheme. Kathi Kobus ließ sich von den damals teils noch unbekannten, armen Künstlern mit Bildern oder Auftritten bezahlen. So förderte sie viele talentierte Künstler und es heißt, dass sie auch Hans Bötticher entdeckte, der als Dichter Joachim Ringelnatz bekannt wurde.
Sie gingen alle im Simpl aus und ein – Frank Wedekind spielte fast täglich Gitarre, Ludwig Thoma, der Wedekind zwar lieber aus dem Weg ging, ließ sich als Simplicissimus-Redakteur trotzdem immer wieder blicken. Selbst Thomas Mann war im Alten Simpl anzutreffen. Zu den Hausdichtern gehörten neben Ringelnatz auch Julius Beck, Ludwig Scharf (mit dem sie verlobt war) und Erich Mühsam.
Viele Jahre war der Simplicissimus der Mittelpunkt der Münchner Künstlerszene. Kathi Kobus selbst ging, wohlhabend geworden, 1912 zunächst nach Wolfratshausen, wo sie ein Ausflugslokal übernahm. Der Erste Weltkrieg und die Wirtschaftskrise in den 20er Jahren trafen allerdings auch Kathi Kobus finanziell schwer. Nach dem Krieg kehrte sie in den Alten Simpl zurück und führte ihn weiter bis zu ihrem Tod 1929.