Falko in Wien

Unter dem stetig steigenden Druck, ein neues Buch schreiben zu müssen, stolperte ich durch mein Leben auf der Suche nach einem neuen Stoff. Aber da war nichts mehr. Ich hatte all meine Muse, meine Inspiration, alle Geschichte, die mich in meinem Leben bewegt hatten, in den vorherigen Roman gesteckt. Ich war leer, auserzählt. Aber ohne neues Buch wird man als Schriftsteller rasch vergessen. 

Ich war dabei, mich als Autor aufzulösen und wieder ein ganz normaler Beamter im Staatsdienst zu werden, der behauptete, ein Schriftsteller zu sein. Nachts stürzte ich mich ins Leben. Ging feiern, den Alltag verdrängen. Tanzte mit viel zu jungen Frauen auf alte Falco-Songs und begann auf Bad-Taste Partys die Haare zurückzugelen und Ray Ban Sonnenbrillen zu tragen. Ich war so hoch wie nie. Oder ganz weit unten. Je nach Standpunkt. Als der Tod wieder in meinem Leben anklopfte, zog es mir endgültig den Boden unter den Füßen weg. Die Gedanken über die Sterblichkeit, die Endlichkeit und wie zart und zerbrechlich das Leben, das Glück und all das, was im Leben wirklich zählt sind, setzten sich Stück für Stück zu einem neuen Roman zusammen. Ich begann, wie in einem fiebrigen Wahn, über einen Teenager zu schreiben, der sich nach und nach in Falco verwandelt. Dem die Mädchen zu Füßen liegen und dem oberflächlich alles zu gelingen scheint. Bis er erfährt, dass er totkrank ist. Getrieben von Inspiration und der zurückgekehrten Muse hämmerte ich Satz für Satz in die Tasten, wie dieser vor dem Tod flüchtende Falko seinen letzten großen Traum verwirklichen will. Ich stellte ihm Wolfgang, einen besten Freund zur Seite, der ihn durch die Höhen und Tiefen begleitet obwohl er weiß, dass er dabei mehr verlieren als gewinnen wird. Und Ines, dieses verzaubernde Fabelwesen, das in keinem großen Roman fehlen darf. Das Mädchen in das sich beide Hauptdarsteller verlieben, die aber mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Am Ende wollen sie alle den Tod besiegen. Und falls das nicht klappt, wollen sie Falkos größten Traum erfüllen. Sie planen, in Wien in Falcos früherer Wohnung in der Schottenfeldgasse einzubrechen und nach einem Geheimfach zu suchen. Dort drin versteckt soll eine Schatulle mit den verschollenen Originaltexten von „Junge Römer“ versteckt sein. Ich hätte dort auch eine blaue Blume oder den heiligen Gral verstecken lassen können. Das Geheimfach in der Schottenfeldgasse war nichts anderes als die letzte große Sehnsucht, die in jedem von uns irgendwo schlummert. Als das Buch erschien, blieb es, obwohl es sich für meine Verhältnisse recht gut verkaufte, finanziell ein großer Flop. Von der Kritik gelobt, schaffte es Falko nicht, jenseits der regionalen Grenzen zu einem Verkaufserfolg zu werden. Aber Falko ist mehr als ein Wirtschaftsprojekt. In dem Buch sind so viele Leidenschaften, Ängste, Träume und Erinnerungen gespeichert, dass ich wusste, dass es seinen ganz eigenen Weg gehen würde. Vielleicht noch nicht jetzt. Aber irgendwann. Und dann begann sich Falko auf eine fantastische Reise zu machen von der ich mir wünschte, dass sie niemals enden würde. Falko landete in Wien. In diesem und jenem Bücherschrank. Unter anderem in der Bar eines alten Bekannten. Einer dieser seltsamen Zufälle meines Lebens wollte es so, dass sich diese einzige Bar in ganz Wien, bei der ich den Besitzer persönlich kannte, sich ausgerechnet in der Schottenfeldgasse befand. Also dort, wo Falko sein großes Finale erleben würde. Der Gedanke, dass Falko tatsächlich eine Homebase in der Schottenfeldgasse gefunden hatte und dort in der Radio Bar neben Schnapsflaschen stand und auf die Wochenend-Feiernden hinabblickte, hatte etwas Feierliches. Aber diese neue Geschichte, dieser neue Roman war noch nicht zu Ende. Denn einer dieser Wochenend-Feiernden, die regelmäßig in der Bar saßen, sollte der heutige Besitzer der Falco-Wohnung sein. Nein, keine ältere Dame wie im Roman. Sondern ein bekannter österreichischer Schauspieler. Und der nahm Falko tatsächlich mit und trug das Buch die Gasse hinunter, die Stockwerke hinauf in die Wohnung hinein. Falkos größter Traum, in die Schottenfeldgasse einzubrechen, hat sich buchstäblich erfüllt. Falko ist drin! Genau dort, wo Falco einst lebte. Und auch wenn es in der Wohnung vermutlich kein Geheimfach gibt. Und schon gar keine bisher unbekannte Version von „Junge Römer“. Diese unglaubliche Reise dieses Buches, das vor einigen Jahren noch nur aus einer Idee und einigen verrückten Träumen bestand, hat vorerst sein vielleicht schönstes Ziel erreicht. 

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