Der Zinnkopf im Chiemgau ist mit 1227 Metern einer der kleinsten Berge in den Chiemgauer Alpen. Auf halber Höhe befindet sich die Rabenmoosalm, eine Übernachtungsstätte auf der regelmäßig eine Schreibwerkstatt der Chiemgau Autoren stattfindet.
Dort ist die Kurzgeschichte "Auf dem Zinnkopf" entstanden - eine literarische Wanderung mit einem Schriftsteller und seinen Kindern der hofft, auf dem Gipfel des Zinnkopfes einen schweren Schicksalsschlag verarbeiten zu können. Er muss erfahren, dass es Zeiten gibt, in denen selbst der Gipfel des kleinsten Berges unerreichbar erscheint. Eine Interpretation der Kurzgeschichte können Schüler/innen hier nachlesen.
Die Erzählung ist im Lichtung-Lesebuch "Berge" im Lichtung Verlag erschienen.
Ganz unten findest Du eine pdf-Datei, für den Download der Kurzgeschichte. Lass mir doch einen Kommentar da, wie Du die Geschichte interpretierst!
Schnaufend schaute ich auf und beneidete meine Autorenkollegen, die uneinholbar, aber auf Sichtweite vor mir den Berg hinauf stapften. Obwohl ich der jüngste der Gruppe war, waren sie mir alle enteilt, selbst die ältere Dame, die eine Verfasserin von Vampirliebesromanen war. Sie wanderten in konstantem Tempo den Berg hinauf. Die drei Regionalkrimischreiber. Die Autorin eines historischen Romans. Sie hatten mich alle abgehängt. Dabei hielt ich mich, den Autor literarischer Belletristik, für den mit Abstand besten Bergsteiger der Autorengruppe. Mit meinen beiden kleinen Jungs, war von einem zügigen Aufstieg allerdings keine Rede mehr.
Der Weg wurde merklich steiler. Als ich kurzzeitig den Kleinen hinten in der Kraxe und den Großen, der einen Schwächeanfall kurz vorm Scheintod zum Besten gab, auf den Schultern Meter für Meter der Alm entgegenhievte, ärgerte ich mich über meine Frau. Ärgerte mich über die letzten Jahre und an dieses Schicksal, das das seine tat, mein großes Romanprojekt zu boykottieren, noch ehe es begonnen hatte. Schon vor Monaten war es abgesprochen, dass ich allein auf die Alm ging, um zu schreiben und sie die Kinder nahm. Nun schleppte ich die Kinder auf die Alm und sie war allein auf einem Yoga Retreat.
Der Weg mündete nach einem kleinen Steilstück an der Forststraße. Als das letzte Drittel des Weges erreicht war, begann ich mich über meine Kollegen zu ärgern. Selbst die Mundartautorin mit Hund war mir und meinen Kindern enteilt und außer Sichtweite. Es war ein heißer Sommertag Ende Juli. Mein Großer wollte nicht mehr auf meiner Schulter sitzen, weil das seinem Popo wehtat, wollte aber genausowenig auf eigenen Beinen weiterlaufen, weil ihm die Füße noch mehr wehtaten. Also saß er lamentierend im Kies der Forststraße und fragte, ob er als Belohnung "Sandmännchen" anschauen dürfe, wenn er es doch noch bis zur Alm schaffte. "Dort gibt es keinen Fernseher", entgegnete ich kühl, was nicht zur Entschärfung der Lage beitrug.
Ich ärgerte mich über meine Frau. Sie meinte, sie packe es noch nicht. Sie bräuchte Zeit für sich. Sie meldete hatte sich stattdessen für dieses Yoga-Wochenende im Olympiazentrum in München angemeldet. Ich schrieb mich in die Schreibwerkstatt ein, um endlich die vielen Ideen eines Romanes über meinen Schwiegervater aufs Papier zu bringen. Er war auf seine Weise ein Original, ein Querdenker und Kapitalismuskritiker. Nahezu alle meiner bisherigen Texte handelten vom Tod und ich war froh, endlich ein Thema gefunden zu haben, für das ich brannte und nichts mit Krebs und Verzweiflung zu tun hatte.
Im Frühling starb ihr Vater völlig überraschend. Und mit ihm meine Romanidee. Seine Naturliebe, seine Konsumverweigerung, die ich portraitieren wollte: Vorbei. Jede Erinnerung zu viel Schmerz. Erst recht für sie. Ich schüttelte den Gedanken ab und stapfte weiter.
Ich hätte auch zu Hause bleiben können. Die Kinder abgeben konnte ich nicht. Es war niemand mehr da. Die Kursleiterin, die das Konzept einer Schreibwerkstatt mit Naturerlebniselementen auf einer Bergalm entwickelt hatte, kannte meine Situation und schlug vor, ich solle die Kinder doch einfach mitnehmen. Die Alm sei perfekt für Kinder eingerichtet und es gäbe für die anderen Autoren genügend Ausweichmöglichkeiten, falls sie in Ruhe schreiben wollten. Ich entgegnete, ich hätte nicht einmal eine Schreibidee. Sie schlug vor, ich solle einfach über die Berge schreiben.
Die Alm schien unerreichbar und erst als ich steinharte Gummibärchen in der Außentasche der Kraxe entdeckte, war der nötige Antriebsstoff gefunden, um das Kind auch noch die letzten Höhenmeter hinauf zu locken.
Die anderen saßen bereits auf den Holzbänken vor der Rabenmoosalm und blinzelten in die Sonne.
Beide Kinder waren so begeistert von dem der Alm zugehörigen Wald-Spielplatz, dass sie sich stundenlang auf sämtlichen in den Ästen befestigten Schaukeln anschubsen ließen. Auch ein Tipi, ein Ziegengehege und einen Naturlehrpfad gab es zu besichtigen und schon war der erste Tag vorbei, ohne dass ich auch nur eine einzige Zeile geschrieben.
Am Abend, als die Kinder nach Lagerfeuer und Grillwürstel glücklich, zufrieden und erschöpft einschlummerten und es ruhig um mich herum wurde, kehrte das Elend zurück.
Das Lagerfeuer knackte in der Dämmerung. Die Glöckchen der Bergziegen schellten unaufhörlich, und als die Gedanken sich nach und nach den Gesprächen der Schriftstellerkollegen entzogen, machten sich sofort die unangenehmen, die schmerzhaften bemerkbar.
Es gibt Gedanken, die sich unten in der Stadt leicht wegdrücken lassen. Dort bleibt es laut. Auch nachdem die Kinder ins Bett gegangen sind, sorgen WhatsApp und Facebook dafür, dass keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Doch ohne Funk und WLAN blieb das Handy stumm. Daran änderte auch mehrmaliges Draufschauen nichts. Die wenigen Nachtgeräusche der Natur, ein Fuchs bellte in der Ferne, waren zu leise, um den Gedanken Einhalt zu gebieten.
Mit dem Aufbrausen der Stille schlug mein Herz schneller. Oder lauter. Oder das Abklingen der Reize des Tages ließ meine Sinne sich nach innen kehren. Dort wo ich sie nicht haben wollte. Dort wo sie auf Dinge stießen, mit denen sie sich nicht beschäftigen sollten.
Meine Frau hatte mir erzählt, wie auf einem Kundalini-Yoga-Workshop einige Teilnehmer heulend und schreiend zusammengebrochen waren, denen die Übungen das Unterbewusstsein schonungslos freigelegt hatte. Nun fragte ich mich, ob sie vielleicht eine von ihnen gewesen war. Ich hatte nicht nachgefragt.
Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Alle Augen schauten auf mich. "Über was du schreiben möchtest, habe ich gefragt", sagate die Organisatorin. Ich blickte sie erschrocken an. "Über die Berge", behauptete ich.
Das Blöken der Ziegen und die kräuterduftende Frische der Hochsommerluft weckten meine Kinder bereits um sechs. Noch bevor der erste Autorenkollege augenreibend aus den Schlafräumen lugte, saßen meine Söhne fertig angezogen und satt vom Frühstück vor der Alm und warteten auf das Tagesprogramm. Die sich endlos dehnende Länge eines Tages auf der Alm jagte mir Angst ein und so beschloss ich, wider jegliche Vernunft, mit den Kleinen den Aufstieg zum Zinnkopf anzugehen. Ich packte den Jüngeren in die Kraxe und nahm vorsichtshalber genügend Schokolade mit, um auch den Großen bis zum Gipfel zu locken.
In der Kühle des Morgens, es war der 22. Juli – mein Schwiegervater wäre heute 70 geworden - begannen wir frohen Mutes unsere Gipfelerstürmung. Der Große rannte freudig voraus, um die Ziegen streicheln zu können. Der Kleine saß brav in der Kraxe und benannte alle Pflanzen und Tiere, die ihm geläufig waren: "Ziege! Blume! Baum!"
Bald waren Ziegen und Rabenmoosalm außer Sichtweite. Nach einer Abzweigung, bei der wir den Weg zum Zinnkopf hinauf wählten, wurde die Forststraße monoton. Links der Abhang, der in Bäumen und Wald verschwand. Rechts der Berg voller Bäume, Himbeersträuchern und Disteln. Der Große beschwerte sich, dass es hier keine Ziegen mehr gab. Der Kleine schrie weiterhin munter "Baum! Blume! Baum! Blume!". Nach wenigen Minuten hatte der Große keine Lust mehr, weiterzugehen. Und der Kleine wollte raus aus der Kraxe. Während uns die ersten Mountainbiker, die uns vorhin auf dem Weg nach oben überholt hatten, wieder talwärts entgegenrasten, schien der Zinnkopf für meine kleine Wandergruppe unerreichbar.
Auf halbem Weg erreichten wir einen Stapel frisch gefällter Baumstämme. Es roch nach Harz, die immer stärker wärmende Sonne beschien den Platz und wir machten eine Pause. Eine in den Wald geschnittene Schneise bot eine eindrucksvolle Aussicht auf die umliegenden Berge. Insekten zirpten und summen. Der Kleine rannte, von der Kraxe befreit, die Forststraße rauf und runter. Erst als wir die Brotzeit beendeten, kehrte schlagartig die Gehfaulheit in beide Kinder zurück. Dem Großen taten die Knie weh und der Kleine wollte weder zurück in die Kraxe noch weiter nach oben gehen. Nach einer Diskussion zog ich den Kürzeren und wir trotteten talwärts. Und zwar nach dem Prinzip drei Schritte nach vorne und zwei zurück, da der Kleine das Spiel lustig fand.
Als wir mittags erschöpft zur Alm zurückkehrten, fühlte es sich an, als erreichte eine Seilschaft nach dem Aufstieg zum Mount Everest endlich das Basislager. Aller Augen richteten sich auf uns und jeder wollte wissen, wie es am Gipfel war. Nachdem meine Kinder behaupteten „schön!!“, gab ich kleinlaut zu, dass wir es nicht bis zum Zinnkopf geschafft hatten. Ich musste mir eingestehen, dass selbst einer der niedrigsten Gipfel des Chiemgaus mit Kindern in unerreichbare Ferne rücken konnte.
Zumindest fielen die erschöpften Kinder nach dem Essen in einen tiefen Mittagsschlaf und ich hatte ein erstes Mal Zeit, vor der Hütte in der Sonne zu sitzen und über meinen Roman nachzudenken.
Statt in die Welt der Berge glitten die Gedanken wieder und wieder in den Untergrund der unangenehmen Erinnerungen. Ich fragte mich, wie es meiner Frau gerade ging, ob es ihr inzwischen gelang, während der Meditation nicht nachdenken zu müssen. Ob sie die Erinnerungsblitze an gelbbleiche Hände, an auf hohle Holzkisten prasselnde Erde und Schluchzer in stillen Kirchen endlich wie Wolken beiseite schieben und sich auflösen lassen konnte. Gleichzeitig fragte ich mich, ob ich jemals wieder frei sein könnte in meinem Kopf, ob sich mein Kopf jemals wieder Geschichten über Berge ausdenken könnte, ohne über den Tod schreiben zu müssen.
Die Autorenkollegen diskutierten, wie Thomas Mann den Tod virtuos in seine Novelle "Der Tod in Venedig" eingewoben hatte. Dann lasen sie sich gegenseitig Gedichte über den Giersch vor. Ich war glücklich, hier zu sein.
Abends saßen wir wieder am Lagerfeuer, grillten Würstchen, ich brachte die Kinder ins Bett und sprach noch lange mit den anderen darüber, was Literatur sei. Mir war es egal. Ich war müde und hatte genügend Bier getrunken, um ein beruhigendes Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber allen Dingen zu empfinden. Bald fuhr wie aus dem Nichts ein Sturm in die Wälder. Auf das Rauschen folgte ein Krachen. Der Regenschauer und grelle Blitze trieben uns in die Hütte. Als der Kleine weinte, ging ich nach oben und blieb bei ihm, bis das Gewitter ebenso schnell wie es gekommen war, wieder verstummte. Der Große schlief tief und fest, als sei nichts gewesen.
Am nächsten Morgen erzählte der Große, dass er in der Nacht den Opa gesehen hatte. Er sei auf dem Schemel neben dem Bett gesessen und hätte auf ihn aufgepasst. Deswegen hatte er keine Angst vor dem Gewitter gehabt. Ich fragte ihn, ob der Opa ihn oft beschützte. Er nickte.
Nach dem Frühstück führte die Gruppe im Wald einige Naturerfahrungsübungen durch und die Kinder machten begeistert mit. Wir lauschten fünf Minuten lang der Stille und erzählten uns, welche Geräusche wir gehört hatten. "Bäume! Blume! Ziege!"
Später bekam jeder von uns einen kleinen Spiegel, den wir uns unter die Nase halten mussten. Auf einmal war das Sichtfeld auf wundersame Weise eingeschränkt. Blickte man nach unten, waren keine Beine und kein Weg mehr zu sehen, sondern nur noch die Baumwipfel und der blaue Himmel.
Ein Perspektivwechsel!, dachte ich mir. Es wurde schwieriger, den rechten Weg zu finden. Der Große musste mich bei der Hand halten, beinahe wäre ich orientierungslos gegen den nächsten Baumstamm gelaufen. Aber die Welt, die ich nun sah, wenn ich nach unten blickte, war schön wie ein neues Universum, von dem ich bisher nichts wusste. Blauer Himmel und Wolken. Immer wieder Vögel, die dort vorüberflogen, wo ich meine Beine wähnte. Und die hochaufragenden Bäume. Ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden von dem, was ich dort unten betrachten durfte. Die Kinder lachten: "Papa! Du läufst in den Wald hinein!" Es war mir egal. Ich wollte mehr sehen von dem, was da unten war. Was eigentlich da oben war. Etwas, das immer da war und dennoch hatte ich mir nie, oder viel zu selten, die Mühe gemacht, dort hinauf zu blicken.
Den Kindern wiederum war der Himmel gleichgültig. Sie sahen lieber sich selbst an, oder sie blendeten die Schriftsteller mit dem spiegelnden Sonnenlicht. Plötzlich vibrierte mein Handy. Ein kleiner Schritt aus dem Funkloch heraus und ich war wieder Teil der Zivilisation. Reflexartig griff ich nach meiner Tasche. Dann zog ich die Hand zurück. Ich wollte nicht wissen, wer es war. Ich wollte nicht wissen, was sich gerade im Rest des Universums abspielte. Ich wollte nur den Himmel sehen und die Vögel zwitschern hören. Ich schaltete das Handy auf Flugmodus.
Am Nachmittag des dritten Tages der letzte Versuch, den Zinnkopf zu erreichen. Die Dame mit Hund war inzwischen schon fünf Mal oben gewesen. Sie schmunzelte, ihr Hund könne nur oben sein Geschäft verrichten. Als wir den Brotzeitplatz vom Vortag erreichten, kam sie uns bereits entgegen. Eine rote Tüte baumelte an ihrem Rucksack. Sie versprach den Kindern Schokolade und dass sie den Hund Gassi führen durften, wenn sie es bis zum Zinnkopf schafften. Das half. Die letzten Meter führte ein Steilstück geradeaus durch den Wald. Die Kinder jammerten vor Anstrengung. Einer an meiner Hand, einer auf meinem Rücken. Aber der Gedanke, einen echten Hund an einer Leine halten zu dürfen, beflügelte beide.
Der Zinnkopf war, wie er hieß. Ein Kopf. Eigentlich hätte er Graskopf heißen müssen. Denn der kugelrunde Gipfel war eine hochsommerduftende Grasfläche, in der die Grillen zirpten. In der Mitte zwei Tannen, ein Holzaltar und eine Marienfigur. Der Maria sollte angeblich der Schmerz von Verlust und Tod ins Gesicht geschnitten sein. Doch der Künstler war entweder ein Laie oder er hatte einen gesunden Humor. Es war eine gleichsam andächtige wie geschäftige Stimmung auf dem Zinnkopf. Von allen Himmelsrichtungen führten Wege in die benachbarten Dörfer hinunter. Nach Siegsdorf, nach Inzell, nach Ruhpolding. Von dort kamen und gingen Wanderer, Mountainbiker und Gläubige, die sich vor der schief grinsend, vermutlich leidenden Maria bekreuzigten und rasch wieder bergab gingen. Eine junge Frau machte auf einer der Holzbänke Yoga-Übungen und ich musste an meine Frau denken und ob sie etwas mit den sechzehn Anrufen in Abwesenheit zu tun hatte, die ich gestern auf meinem Handy gesehen hatte, bevor ich den Flugmodus einschaltete.
Die Kinder saßen in der Wiese und versuchten, Schokolade schmatzend, die zu den Zirpgeräuschen zugehörigen Tiere zu fangen. Während ich auf der Holzbank saß und die leidende Maria betrachtete, wurde etwas in mir immer stiller. Etwas anderes immer lauter. Erst waren es nur die Erinnerungsblitze, die sich unten im Tal recht gut aus meinen Kopf hinausschütteln ließen. Die Blitze wurden zu Sequenzen, wurden zu Filmen, wurden zu Rissen. Sie wurden zu Gefühlen. Ein immer stärker anschwellender Strudel aus Trauer, Verzweiflung, Angst und Wut. Dann noch mehr Angst, heruntergespült von einer Flutwelle aus purer Trauer. Auf einmal war da nichts mehr als der Berg, die leidende Maria und der Große, der mir die Hand hielt und mich bang fragte: "Warum weinst du, Papa?"
Aber ich konnte nichts mehr antworten und bald sah ich nichts mehr als die Innenfläche meiner Hände. Das Durchschütteln des Körpers dauerte nur kurz, so kurz, dass ich hoffte, dass ich die Kinder und die Yogafrau nicht zu sehr verschreckte. Dann war es vorbei.
Ich blickte auf. Meine Kinder hielten mich fest umarmt. Der Große meinen Hals, der Kleine eines der Beine. "Papa weint!", sagte er. Es war vorüber. Etwas war weg. Obwohl es noch intensiver da war als zuvor. Ich umarmte meine Kinder und sagte ihnen etwas Beschwichtigendes, das sie verstanden, "Ich vermisse eure Mama".
Dann schämte ich mich wegen der Yogafrau und der Mountainbikergruppe, die nun so taten, als wären sie alleine auf dem Berg.
Auf dem Rückweg fühlte sich alles leichter an. Der Große lief vergnügt vor mir her. Der Kleine war nach den ersten wiegenden Schritten eingeschlafen und irgendwie fühlte sich die Kraxe nun leichter an.
Auf dem Weg nach unten fügten sich all meine Eindrücken der letzten Tage zusammen und mir kam eine Idee, wie ich die Berge, meinen Schwiegervater und den Tod in eine gemeinsame Geschichte verpacken konnte.
Zurück auf der Rabenmoosalm schrieb ich, während die Kinder den Hund Gassi führten, die ersten Seiten einer Geschichte, die ich "Auf dem Zinnkopf" betitelte. Am Abend gab es ein Textgespräch, bei dem die anderen monierten, "Auf dem Zinnkopf" sei zu trivial, zu wenig literarisch und ich solle endlich das „Show, don’t tell“ berücksichtigen. Und sie wollten wissen, was es mit den sechzehn Anrufen in Abwesenheit auf sich hatte. Doch das wusste ich selbst noch nicht und war froh, dass die meisten Kurzgeschichten einen offenen Schluss haben.
Ende