Der Finstermann von Kirchanschöring

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Da auch fast zwanzig Jahre später auch heute noch Geschichten über den Finstermann, der im Finsterwald bei Kirchanschöring einigen Menschen auflauerte,  im Internet spuken, möchte ich allen Geisterjägern auch diesen fiktiven Artikel aus der Rupertiwinkel Rundschau vom September 1997 nicht vorenthalten. Einen weiteren Text über den Finstermann findet ihr hier

Ein Phantom versetzt ein ganzes Dorf in Schrecken

Finstermann Finsterwald
Der Finstermann von Kirchanschöring

Kirchanschöring (bs) Die Angst geht um in Kirchanschöring. Eigentlich ist die kleine Gemeinde ein verschlafenes Dorf, eine Durchgangsstraße, ein Ort, den man überregional höchstens durch die hiesige Schuhfabrik und die Fußballmannschaft mit ihrem Goalgetter Günter Wimmer kennt.

Seit einiger Zeit aber wird das Dorf in einem Atemzug mit dem mysteriösen „Finstermann“ genannt: Eine Recherche über die dunkle Seele eines Dorfes.

Das kleine Waldstück zwischen dem Gemeindeteil Bannmühle und dem Weiler Breitwies ist keinen halben Kilometer lang. Es ist freundlich dort bei Tage. Die Vögel zwitschern, das Laub rauscht im Wind. Am Ufer der nahen Ache steht ein Fischer und hält gelangweilt seine Rute ins Wasser. Es könnte kaum idyllischer sein.

Kaum zu glauben, dass an diesem wunderschönen Ort die Geschichte des „Finstermann“, der seitdem das ganze Dorf in Atem hält, seinen Ursprung nahm.

Was aber geschah wirklich in jener Sommernacht vor einigen Jahren? Und warum beschäftigt es die Kirchanschöringer hinter vorgehaltener Hand bis heute? Die Behörden geben sich zugeknöpft. Eine Gemeindemitarbeiterin verweist darauf, dass es sich um „Tratsch“ handle und man nicht alles so wörtlich nehmen solle, was im Dorf erzählt werde. Sie behaupte, der Anschöringer an sich sei anfällig für abstruse Geschichten und glaube nur das, was im Dorf als Fakt gelte.

 

Gegen Abend, nach Einbruch der Dunkelheit, werden sie im Dorf gesprächiger. „Ich habe ihn auch gesehen“, schwört Josef S., ein Gast in der Wirtsstube im Gasthaus Felber. „Er ist mir nach, der Finstermann. Ich habe am ganzen Leib gezittert.“ Auch Alois W. pflichtet ihm bei: „Ihn gibt es wirklich, den Finstermann. Das können sie uns glauben. Mir hat er auch schon einen Heidenschreck eingejagt, erst kürzlich, als ich auf dem Heimweg vom Wirt war.“ Schwer zu sagen, was die beiden Männer so verschreckt hat, aufrichtig ist allerdings die Angst, die sich noch immer in ihren Augen spiegelt, wenn sie von ihrem Erlebnis erzählen.

In den Gesprächen über den Finstermann fällt immer wieder der Name M. Einig sind sich alle, die offen über den Finstermann sprechen, dass ein junger Mann namens M. der Erste war, der den Finstermann gesehen hat.

Da M. auf ärztlichen Rat hin nicht über die Geschehnisse sprechen möchte, muss seine Geschichte aufgrund der Berichte rekonstruiert werden:

Eine laue Sommernacht vor drei Jahren. Der Schüler M., ein strammer Bursche, Fußballer, selbstbewusst, im Nachbarort Fridolfing wohnend, besucht seine Freundin in Kirchanschöring. Dort wird eine Party gefeiert, es wird spät, er hat ein wenig getrunken. Er kennt die Strecke von Kirchanschöring nach Fridolfing gut, es sind keine sechs Kilometer. Er ist den Weg auch nachts bereits geradelt. Seine Freundin macht sich Sorgen, da er zu Fuß nach Hause gehen möchte. M., kräftig, großgewachsen, überzeugt sie, dass ihm schon nichts passieren werde.

Einem wie den M., erzählt man später im Dorf, dem jagt so schnell nichts einen Schrecken ein.

Warum er den Weg durch den „Finsterwald“ nimmt und nicht den etwas längeren, aber über offene Landschaft führenden über Hipflham, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Dort, wo der Wald beginnt, wo die Straße in den Finsterwald hinein führt wie in einen großen, weit aufgerissenen schwarzen Schlund, hat M. bereits ein ungutes Gefühl.

Er weiß, das Waldstück ist klein und der bodenständige Bursche redet sich selbst Mut zu. Aber bereits nach wenigen Metern geschieht das Unfassbare: M. blickt in zwei rot glühende Augen. Ein zwei Meter großer, pechschwarzer Mann, erzählt man, stellt sich M. in den Weg. Etwas Unmenschliches schnaubt. Die roten Augen  durchleuchten die Dunkelheit. Der schwarze Mann schwingt einen Gegenstand in der Hand. Ein Schwert, vielleicht einen Stab. In Panik beginnt M. zu schreien. Er weiß, es ist zwecklos. Das nächste Haus ist außer Hörweite, der Wald verschluckt jeden Laut. Es ist eine dunkelschwarze sternlose Nacht und bis auf die funkelnden Augen des schwarzen Mannes und die bedrohlich winkenden Äste der Bäume ist nichts zu sehen. M. taumelt, macht kehrt, stürzt, rafft sich auf, beginnt zu rennen, ohne sich umzusehen, rennt und rennt, bis er die Häuser der rettenden Siedlung erreicht. Als er sich umdreht, ist von dem schwarzen Mann nichts mehr zu sehen.

Er stolpert bis zum Haus seiner Freundin, wo er zusammenbricht. Schluchzend, am ganzen Leibe zitternd, nennt er immer wieder das Wort „Finstermann! Finstermann!“ Erst mit Hilfe von starken Medikamenten lässt sich M. in dieser Nacht beruhigen.

M. schämt sich und wird fortan kein Wort mehr über den Vorfall verlieren. Aber nach und nach spricht sich die Geschichte vom „Finstermann“ herum. Nächtliche Radfahrer meiden mit einem Mal das Waldstück, selbst Autofahrer umfahren den Finsterwald.

Weitere seltsame Aktivitäten erfüllen die Dorfbewohner mit Angst: Am Wegrand werden Kerzenstummel entdeckt. Ein nächtlicher Autofahrer ist überzeugt, eine Prozession von „Ku Klux Klan“-Kapuzen tragenden Gestalten gesehen zu haben. Im Dorf fürchtet man, einen Satanistenkult angelockt zu haben.

Längst nehmen die Geschehnisse hysterische Züge an: Schüler ziehen mit Ku Klux Klan-Kapuzen und flackernden Kerzen durch das Dorf. Ein Jux, wie sich herausstellt. Ein Jux allerdings, der weitere Angst schürt. Statt den Wald zu meiden, fahren junge Leute nachts über die Feldwege des Finsterwaldes auf der Suche nach dem Finstermann, und den „Kapuzenmanderl“. Eine Bürgerwehr formiert sich: Fußballer stürmen, mit Dreschflegel bewaffnet, den Finsterwald und jagen einer harmlosen, in einer Fischerhütte spielenden Schafkopfgruppe, den Schrecken ihres Lebens ein.

 

Niemand weiß bis heute, was M. und den anderen wirklich widerfahren ist. Gemeinsam eint sie alle die Angst, dass dort draußen etwas Unerklärliches sein könnte. Etwas, das man nicht mit Dreschflegeln verjagen kann.

Die Urban Legend vom Finstermann:

Was ist im Finsterwald wirklich passiert?

Finstermann Finsterwald Kirchanschöring
Der Finstermann von Kirchanschöring

Anfang der Neunziger Jahre macht im kleinen Dorf Kirchanschöring ein erstes Mal die Geschichte vom „Finstermann“ die Runde. Was als Dorftratsch begann, treibt fast ein Jahrzehnt lang sich bis ins Hysterische auswachsende Blüten und geistert heute als Spukgeschichte durch das Internet. 

Zwanzig Jahre später wird es Zeit, diese urbane Legende unter die Lupe zu nehmen.

Die Fakten des damaligen Ereignis sind schnell erzählt: Ein junger Mann aus dem Nachbardorf Fridolfing war auf einer Party bei seiner Freundin in Kirchanschöring. Da er noch keinen Führerschein hatte und zudem etwas getrunken hatte, entschied er sich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Beide Orte liegen etwa sechs Kilometer auseinander. Für Teenager ist es nicht unüblich, die Strecke nachts mit dem Rad oder zu Fuß zurückzulegen.

Der Junge ist von kräftigem, selbstbewusstem Schlag. Jemandem wie ihn, wird man später erzählen, jagt so schnell nichts einen Schrecken ein.

Aus diesem Grund wählt er wohl auch die direkte Strecke über Bannmühle Richtung Neunteufeln und nicht den kleinen Umweg über Hipflham, der über freie Felder und vorbei an mehreren Bauernhäusern führt. 

Bei Breitwies muss er ein wenige hundert Meter langes, aber dicht bewachsenes, finsteres Stück Wald durchqueren. 

Inmitten dieses finstersten Teilstückes seines Heimweges, keinen Kilometer vom Dorf entfernt, blickt er auf einmal in zwei rot leuchtende Augen. 

In Panik rennt er zurück, läuft durch das Dorf, erreicht taumelnd das Haus seiner Freundin. Er ist verwirrt, aufgeregt und völlig verstört und berichtet, dass er von einem großen Mann mit roten Augen verfolgt wurde. Die ungezügelte Angst dieses an sich so bodenständigen Burschen, der mit Tabletten beruhigt werden muss, führt dazu, dass ihm die Geschichte geglaubt wird und sie im Dorf die Runde macht. Im Laufe der Wochen wird sie stark ausgeschmückt. Aus dem Mann wird ein schwarzer Mann, mindestens zwei Meter groß, in manchen Erzählungen bekommt er ein Schwert in die Hand gedrückt.

Mitte der Neunzigerjahre ist die Geschichte ein fester Bestandteil des Dorftratsches und kaum jemand wagt es mehr, nachts alleine durch den Wald zu gehen.

Anstatt als Legende zu enden, treibt die Geschichte neue Blüten. Am Wegrand, so wird kolportiert, wurden Kerzenstummel gefunden. Statt des Finstermannes werden nun Gestalten in Kapuzen dort gesehen. Das Gerücht eines Satanskultes im „Finsterwald“, wie er jetzt genannt wird, macht die Runde.

 

Finsterwald Kirchanschöring
Kapuzenmanderl im Finsterwald

Wenig später rückt der „Finstermann“ selbst wieder in den Fokus, als eine der Dorfpersönlichkeiten nach einem Wirtshausbesuch von einem Mann verfolgt wird, dessen Aussehen er als „schwarz“ bezeichnet. Auch in diesem Fall gibt es außer dem Bericht keine Beweise, belegt ist einzig die Angst des Mannes, den seine Frau nur schwer beruhigen kann. Im Dorf bricht eine Hexenjagd aus. Trupps der hiesigen Fußballmannschaft durchkämmen abends, mit Dreschflegeln bewaffnet, den Finsterwald. Schüler ziehen, mit Ku Klux Klan Kapuzen und Kerzen nachts durch das Dorf und schüren mit diesem Jux nur weiter die Gerüchteküche.

Statt den Wald zu meiden, fahren die jungen Leute nachts über die Feldwege des Finsterwaldes auf der Suche nach dem Finstermann und den Anhängern des Satanistenkultes. 

Danach wird es wieder ruhig in Kirchanschöring.

Nur im Internet lebt die Geschichte vom Finstermann, längst zur Legende geworden, bis heute so lebendig weiter, wie vor fünfzehn Jahren noch in Kirchanschöring. 

 

Auch eine Theorie über den Ursprung des Finstermannes hat sich inzwischen mehr und mehr verfestigt: Durch die Bäume des Waldes ist an bestimmten Punkten nachts das Rote Licht der Müllverbrennungsanlage Trimmelkamm zu sehen. Dieses leuchtet exakt wie zwei funkelnd rote Augen…

Mehr Geschichten über den Finstermann:

Kurzgeschichte Finstermann

Nach einer wahren Geschichte. Eine Leseprobe findet ihr hier: https://www.chiemgauseiten.de/finstermann/

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