Kurzgeschichte über Jannek, einen KZ Häftling, der den Todesmarsch 1945 vom KZ Flossenbürg überlebt hatte. Historische Geschichte nach wahrer Begebenheit. Zur Geschichte

"In der Zeit, als ich über das Kriegsende 1945 in Kirchanschöring recherchierte, stieß ich immer wieder auf Texte von Luise Rinser, die die letzten Kriegsjahre in Kirchanschöring verbracht hatte. Darunter auch ihre Erzählung "Jan Lobel aus Warschau". Als Hommage an diese Erzählung habe ich die "Anschöringer" Version von Luise Rinsers Text geschrieben:"

Jannek aus Warschau

Ein Kuckuck schrie. Früher war Rosl beim Schrei des ersten Kuckucks mit dem Zug nach Altötting gefahren, um der heiligen Jungfrau Maria eine Kerze anzuzünden. Es gab keine Zugverbindung mehr, die Gleise in den Städten waren zerbombt und sie hatte zu viel mit den Buben zu tun, um sich die Zeit nehmen zu können, zu Fuß nach Altötting zu gehen.
Die täglichen Pflichten bestimmten den Alltag. Kochen, putzen, das ernten und hamstern von Essbarem.
Ihr Mann, der Hans, saß lange auf der Terrasse vor dem Haus, sah ihr zu, wie sie im Garten arbeitete, hustete ab und an. Sie hatten sich daran gewöhnt, dass sie die Quarantäne missachteten, seine Krankheit war ebenso zur Normalität geworden wie der Krieg.
Hans grübelte stundenlang über das Gehörte aus den letzten Nächten. Radio Calais berichtete vom Vorrücken der Allliierten auf allen Fronten. Die Amerikaner konnten nicht mehr weit sein. Nur Wahnsinnige kämpften weiter für das deutsche Reich.

Es gingen Gerüchte um, dass Hitler längst tot sei, aber Hans misstraute den Nachrichten, wollte sich nicht zu früh freuen, solange die SSler noch Waffen in den Händen hielten.
Er schaute zu seinen drei Söhnen, die in der Wiese spielten, der jüngste konnte noch kaum krabbeln.
Als sie den fernen Hall der Schüsse hörten, blickten alle erschrocken auf.
"Waren das Jäger?" rief Rosl besorgt. Sie ließ ihre Arbeit stehen und ging raschen Schrittes zu den Kindern. "Ist heute eine Jagd?", fragte sie ihren Mann.
Hans schüttelte mit versteinertem Gesichtsausdruck den Kopf. Er war grau im Gesicht, die eingefallenen Wangen ließen sein kantig hervortretendes Kinn noch markanter erscheinen. "Kein Jäger schießt viermal hintereinander auf das Wild", sagte er nachdenklich.
"Ist der Krieg jetzt da? Waren das die Amerikaner?", fragte sie ihn aufgeregt. "Soll ich die Kinder ins Haus bringen?"
Hans schüttelte stumm den Kopf. "Das waren auch nicht die Amerikaner", murmelte er.
"Jetzt red schon, Hans. Wer schießt denn am hellichten Tag?"
"Ja wer schon?", fuhr er sie an. "Erschossen werden sie halt jemanden haben. Irgendeinen Fahnenflüchtling, oder weiß der Teufel wem."
"So nah? Bei uns?"
"Der Krieg ist fast vorbei, die haben doch nichts mehr zu verlieren."
"Ich bring die Kinder trotzdem ins Haus."
"Ach geh. Solang keine Tiefflieger kommen, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Ich geh dann ins Dorf und frag ich mal durch was passiert ist."
Im Dorf traf er seinen Bruder Wost, den offensichtlich der selbe Gedanke umgetrieben hatte.
"Hast du auch was gehört?", fragte Hans.
"Schüsse", antwortete Wost. "Kein Feuergefecht. Gezielte Schüsse. Vermutlich Hinrichtungen."
"SS?"
Wost warf einen Blick  nach links und rechts und zog Hans näher an sich. Mit gedämpften Ton sagte er:
"Bei Petting haben sie sie gesehen."
"Wen haben sie gesehen?"
Wost sah ihn mit scharfen Augen an.
"Die haben die Lager im Osten aufgelöst. Jetzt treiben sie die Häftlinge weg von den Russen."
"Warum überlassens die KZler nicht einfach ihrem Schicksal?"
"Ich weiß es nicht. Vielleicht brauchens noch Arbeiter im Kleindeutschen Reich, wo immer das auch sein wird."
"Berchtesgaden", sagte Hans und lachte dumpf.
Wost sah sich unruhig um.
"Mitten auf der Straße", zischte er.
"Ach geh, es ist eh schon vorbei."
"Das sag mal dem Max, der läuft immer noch in Uniform rum, der Narr. Aber zurück zu den KZlern. Bei Petting haben sie einen Zug gesehen. Vielleicht sechzig, siebzig KZler."
"Aus Dachau?"
"Da hättens wohl hin sollen. Aber in Dachau sind die Amerikaner. Wenn du mich fragst, bringens die in die Lebenau."
"Und die Schüsse?"
Wost schüttelte den Kopf. "Ich muss wieder weiter. Kommst auf`d Nacht wieder?"
Hans verabschiedete sich und ging zurück nach Hause. Er erzählte seiner Frau von der Vermutung vom Wost. Als er sich ins Bett legte, um sich von dem Spaziergang  zu erholen, stand seine Tochter in der Stube.
"Was ist denn ein KZ?", fragte sie.
Er richtete sich im Bett auf. "Hast du gelauscht? Ich hab dir doch gesagt, es geht dich nichts an, wenn sich zwei Erwachsene miteinander unterhalten."
"Komm ich auch ins KZ, wenn ich böse bin?", fragte sie.
Der Hans sah sie streng an. "Wenn du durch das Dorf läufst und alle Leute fragst, was ein KZ ist, dann brauchst dich nicht wundern, wenn du ins KZ kommst", brummte er.
"Hans!", rief seine Frau, die gerade bei der Stube eingetreten war. "Erzähl den Kindern doch nicht solche schlimmen Geschichten."
"Mama, ich hab Angst, dass mich ein KZ Mann holt", jammerte die kleine Hedwig und sie flüchtete sich in die Arme ihrer Mutter.
"Sagst du mir, was ein KZ ist?"
"Du weißt doch, was ein Gefängnis ist", erklärte die Mutter.
"Ja, da kommt man hin, wenn man etwas gestohlen hat."
"Und du weißt auch, was ein Zuchthaus ist."
"Ja, da kommt man hin, wenn jemand umgebracht hat."
"Ein KZ ist ein noch strengeres Zuchthaus."
"Und was  muss man machen, um ins KZ zu kommen?", fragte Hedwig.
Rosl sah ihren Mann an. "Die meisten Leute meinen, dass man etwas ganz schlimmes anstellen muss, um ins KZ zu kommen. Aber es reicht schon, wenn man über den Hitler schimpft."
"Warum ist dann der Papa nicht im KZ?", fragte Hedwig. Sie erntete ein bedrücktes Schweigen.
Am Abend, als die Verdunkelungspflicht begann, nahm Hans seinen Hut und verabschiedete sich, um rüber zum Wost zu gehen.
"Sei vorsichtig", bat ihn seine Frau.
Anders als sonst wurde er nicht gleich von Wosts Sohn, dem Leo, der auf der Veranda Schmiere stand, begrüßt. Statt seiner saß der Bräumann auf einem Sessel und starrte in die klare Sternennacht.
"Wo ist der Leo?", fragte Hans.
"Kann ich nicht sagen. Frag deinen Bruder."
"Ist sonst alles in Ordnung?", fragte Hans.
Der Bräumann sah den Hans ernst an. Mit gedämpfter Stimme sagte er: "Die Sägewerkstochter von Neunteufeln hat beim Spielen in der Nähe vom Bunker drei Männer in Lazarettskleidung herumstreunen gesehen."
"In Lazarettskleidung?"
"In gestreiften Nachtkleidern."
Hans hielt sich die Hand vor den Mund.
"Durch Traunstein haben sie kürzlich auch einen Zug mit KZler getrieben. Ich weiß es aus sicherer Quelle. Die Leute haben vom Stadtplatz aus die elendigen Kreaturen beobachtet. Halb verhungert, bis zum Skelett abgemagert müssen sie gewesen sein."
"Deutsche?"
"Wärs dann weniger schlimm? Polen. Oder Russen warens."
Hans nickte ihm zu und ging ins Haus.
Sein Bruder und drei weitere Männer aus der Nachbarschaft saßen um den Volksempfänger in der Stube und hörten Radio Calais.
Sie blickten einen Augenblick verschreckt auf, als Hans die Türe öffnete, lauschten sogleich aber konzentriert den Berichten.
"Wo ist der Leo?", fragte Hans.
Wost löste sich von dem Radiogerät und nahm Hans beiseite. "Die hätten ihn noch eingezogen", flüsterte er. "Er ist in Sicherheit." "Du hast ihn versteckt?"
"Was hättest du denn getan? Ihn so kurz vor Kriegsende noch als Kanonenfutter den Nazis opfern?"
"Mein lieber Schwan, wenn das jemand spitzkriegt, dann Gnade Dir Gott. Noch sind die Hunde scharf, es ist noch  nicht vorbei. Oder was sagt das Radio?"
"München ist gefallen."
"Das ist gut."
"Morgen oder übermorgen sind sie bei uns."
"Amerikaner oder Russen?"
"Die Amerikaner."
"Gott sei Dank."
Hans sah seinen Bruder an: "Du siehst schlecht aus. Geht es dir gut?"
"Mir gehts erst gut, wenn der Krieg aus ist und der Bub wieder im Haus ist."
Hans nickte. "Man sieht dir an, dass du Sorgen hast."
"Lass uns später darüber reden", bat Wost und sie setzten sich zu den anderen Männern an den Tisch.
Die Männer blickten grimmig auf das Radiogerät. Immer wieder wurde die Meldung wiederholt, dass sich der Führer Adolf Hitler und seine Ehefrau Eva Braun das Leben genommen hätten.
"Die feige Sau."
"Wer ist Eva Braun? Seit wann ist der Hitler denn verheiratet?"
"Die waren heimlich zusammen. Im Bunker hat er sie noch geheiratet, bevor sie sich erschossen haben."
"Ist der Krieg jetzt vorbei?"
"Von wegen, die kämpfen immer noch, als ob es noch was zu gewinnen gäb."
"Oder als ob sie viel zu verlieren hätten."
Sie lauschten den Nachrichten von der deutschen Front, die an allen Seiten einbrach.
Dann verabschiedeten sich die Männer. Nur der Hans blieb.
Als alle gegangen waren, warf er dem Wost einen Blick zu, wie ihn nur Brüder deuten können.
"Komm mit", sagte Wost und führte ihn in den Stall. Es war finster und der Schein der Laterne warf gespenstische Schatten auf das Stroh.
"Papa?", rief Leos Stimme.
"Schlaf weiter."
"Ich dachte, du hast ihn außerhalb versteckt", sagte Hans.
"Habe ich auch. Ich hatte ihn nach Redl in eine Hütte gebracht, aber der Junge hat mir dort draußen Todesängste ausgestanden und ist wieder heim gelaufen. Jetzt muss ich ihn hier verstecken."
"Bist du deswegen so ängstlich? Dein Gesicht ist so grau, dass ein Blinder mit Krückstock sieht, dass du ihn im Haus versteckst."
"Er ist nicht der Grund, warum mir speiübel ist bei dem Gedanken, dass die Nazis wie wahnsinnige wüten und eine Todesschneise hinterlassen, wo sie durchziehen."
"Ich versteh immer noch nicht, wovon du redest."
Wost führte ihn hinaus zum Hühnerstall. Im Schein der Laterne sah er ein verkohltes Gewand, daneben ein Kanister Benzin. Am Saum der Hose waren hellblaue Streifen zu erkennen.
"Verdammt, Wost, was treibst du für Sachen? Die hängen dich auch, wenn sie dich erwischen."
"Da redet der gerechte." Er öffnete die Tür zum Hühnerstall und leuchtete hinein.
Ein magerer Junge, ausgezehrt und mit kurz geschorenem Haar saß zusammengekauert im Hühnerstall und blinzelte in das Licht. Er trug Leos Hose und ein Hemd, das an ihm schlackerte.
"Hattest du genug zu essen? Geht es dir gut?", fragte Wost.
Der Junge nickte und antwortete in gebrochenem Deutsch: "Ja, Danke."
"Dann ruh dich aus. Morgen bringt dir meine Frau ein Frühstück."
Er schloss die Tür zum Hühnerstall wieder hinter sich.
"Das war der Jannek aus Warschau", sagte er. "Gehen wir wieder hinein und ich erkläre dir alles."
"Du weißt schon, dass ich jetzt mit drin hänge, wenn der entdeckt wird?"
"Was ist los, Hans? Hast Schiss? Beim Feindsender hören bist sonst nicht so feige."
"Jetzt hör aber auf, es ist schon was anderes, einen Kzler zu verstecken, als Radio zu hören."
"Todesstrafe ist Todesstrafe."
Hans machte eine abfällige Bewegung.
Sie setzten sich in der Stube an den Tisch.
"Der Jannek spricht ein wenig Deutsch, nun weiß ich, was heute passiert ist."
Wost berichtete, was er vom Jannek erfragten konnte: "Der Jannek kommt aus dem KZ Flossenbürg bei Regensburg. Das KZ wurde vor den anrückenden Russen aufgelöst und evakuiert. Ein Zug von mehreren hundert Gefangenen hat sich in Richtung Dachau aufgemacht. Der Jannek hat nicht viel erzählt, aber die Wachmannschaften müssen recht brutal gewesen sein." Der Hans nickte. Er erinnerte sich an seine eigene Gefangenschaft.
"Der Zug wurde quer durch Bayern getrieben und viele sind vor Erschöpfung gestorben, oder erschossen worden. Als Dachau befreit wurden, zog der Zug weiter nach Süden. Am Schluss waren nur noch sechzig Gefangene übrig. Bei Watzing wagten die Kzler den Aufstand und bewarfen die Wachmannschaften mit Steinen. Die SSler waren offensichtlich so demoralisiert, dass sie zwar vier der Aufrührer noch erschossen, aber danach das Weite suchten. Der Zug löste sich auf und die KZler flüchteten in alle Himmelsrichtungen."
"Das heißt, dass die jetzt auch im Dorf sein könnten?"
Wost nickte. "Der Jannek wurde von einem Bauern außerhalb aufgegriffen. Und was macht der? Sagt ihm: Geh doch zum Straßer Sebastian. Der hilft dir schon weiter. Sagt der tatsächlich. Jetzt hab ich einen Fahnenflüchtigen und einen KZler unter meinem Dach. Was glauben die denn, was für eine Art von Held ich denn bin?"
"Ein aufrichtiger Sozialdemokrat bist du halt."
"Wenn du das sagst, hört es sich wie ein Vorwurf an."
"Geh weißt, Wost, wenn das auffliegt und unsere Kinder ohne Vater aufwachsen, dann mach ich dich in der Hölle noch höchstpersönlich dafür verantwortlich."
Wost musste schunzeln: "Wenn das dein Rosl wüsste, dass du dich in die Hölle kommen siehst."
Der Hans lächelte zurück: "Wegen ihr. Nur wegen ihr."
"Außerdem glaube ich, dass du genau so handeln würdest wie ich", sagte Wost.
Hans erzählte seiner Frau nichts von der Begegnung mit dem KZ Häftling, als er nach Hause kam.
Er war müde und seine Lunge schmerzte und er ging sogleich zu Bett. Kurz bevor er einschlief sagte er noch: "Ich fürchte, wir haben es noch lange nicht überstanden. Jetzt geht es erst richtig los.
Am nächsten Tag war das Dorf in Aufruhr. Versprengte Truppen der Wehrmacht und der SS durchquerten das Dorf auf dem Weg nach Süden, auf der Flucht vor ihrem Feind. Ging einem Wagen das Benzin aus, wurde er sofort von der Bevölkerung geplündert. Auf der Straße herrschte das Chaos. Hans musste immer wieder an seinen Bruder denken und schaute bei jeder Gelegenheit zum Haus am anderen Seite der Bahn hinüber.
Die Soldaten waren zu seiner Erleichterung so mit ihrer Flucht beschäftigt, dass keiner auf die Idee kam, Quartier einzufordern.
Am Nachmittag ging er in den Wald zu seiner Hütte um dort nach dem Rechten zu sehen und einzuheizen für den Fall, dass trotz des Chaos die Rotkkreuzdame auf die Idee käme, zu kontrollieren, ob er die Quarantäne einhielt.
Nachdem er den Kanonenofen eingeheizt hatte, ruhte er sich kurz aus und schlief dabei ein. Er wurde von Stimmen geweckt. Hans lugte durch die Vorhänge nach draußen. Er sah drei Gestalten geduckt im Gehölz sitzend. Sie diskutierten miteinander. Einer deutete immer wieder auf die Holzhütte. Alle drei trugen gestreifte Häftlingskleidung. Hans bekam es mit der Angst zu tun. Er wusste nicht, zu was die Häftlinge fähig waren und er fürchtete sich davor, es mit drei Mann gleichzeitig aufzunehmen. Vielleicht waren es Kriegsgefangene, die bereit waren, zu töten.
Auf den zweiten Blick aber machten die drei Männer auf ihn nicht den Eindruck, dass sie eine Bedrohung darstellen könnten. Sie waren ausgemergelt, die Beine und Hände wie Stelzen, knochig und zerbrechlich.
Hans fasste seinen Mut zusammen und trat aus der Hütte.
"Heda!", rief er und versuchte ein freundliches Gesicht zu machen. Aber seine Hände zitterten.
Die Männer warfen sich nervöse Blicke zu. Hans hob die Hände und zeigte seine nackten Handflächen. "Ich bin der Hans", sagte er und näherte sich vorsichtig. "Brauchts ihr Hilfe?"
Die drei Männer beratschlagten sich rasch. Schließlich sagte der eine: "Wir sind auf der Flucht."
"Das seh ich. Kann ich euch helfen?"
Der Mann, der deutsch sprach, sah Hans misstrauisch an. Ein unangenehmer scharfer Geruch ging von den Gestalten aus. Modrig und eitrig, als hätten sie sich seit Wochen nicht gewaschen. Einer der drei kratzte sich unentwegt am Hinterkopf.
"Wir suchen den Straßer Sebastian. Man hat uns gesagt, dass er uns hilft."
Hans schüttelte den Kopf. "Ich fürchte, der wird euch nicht helfen." Der Mann sah ihn resigniert an. Ihre Augen waren dumpf, als hatte sich eine Todesangst so tief in sie eingebrannt, dass sie nicht mehr zu erkennen war.
"Lasst den Sebastian in Frieden. Der hat genug Probleme. Ihr könnt bei mir bleiben. Aber nur eine Nacht."
Er deutete auf die Hütte. "Wartet dort. Ich hole euch was zum Essen."
Als Hans zurück zum Haus eilte, war er über sich selbst überrascht. Er wusste nicht, ob er stolz auf sich sein sollte, oder ob er sich gerade schwarz ärgerte, dass ihm das Schicksal nun dieselbe Probe stellte wie seinem Bruder.
Er riss die Türe auf. "Rosl, was haben wir noch an Brotzeit im Haus?"
"Was ist denn mit dir los? Und warum stinkst du so?"
"Das sag ich dir ein andermal. Gib mir so viel Brot und Käse, wie du auftreibst. Ich brauch außerdem Wasser und mein altes Gewand. Schick dich und schau, was du auf die schnelle finden kannst."
"Was ist denn passiert? Und stell auf keinen Fall Fragen und sorg dafür, dass die Kinder, dass überhaupt keiner in die Hütte kommt."
"Sind denn die Amerikaner schon da?"
"Schlimmer. Und jetzt hör auf der Stelle auf, so  neugierig zu sein", schimpfte er und wies sie zu schweigen.
Eine halbe Stunde später schlich er sich bei der Tür hinaus und trug eine Kiste voller Lebensmittel und Kleidung in die Hütte. Die Nachbarn würden denken, dass er seine Quarantäne nun endlich ernst nahm, dachte er.
Kurz hatte er gehofft, die Hütte leer vorzufinden, aber dies war nur ein Trugschluss. Die Männer saßen in der Hütte und starrten an die Holzdielen. Als Hans die Tür öffnete, sprangen sie auf. Er stellte ihnen das Essen auf den Tisch und deutete auf die Kleidung: "Das braucht ihr vielleicht."
Hans setzte sich an den schmalen Tisch und sah den Männern zu, wie sie sich gierig über das Brot hermachten. Sie aßen leidenschaftlich, aber langsam, als müssten sie sich jeden Bissen genau einteilen. Die Männer sahen immer wieder unsicher zu ihm hinüber, als vermuteten sie einen Hinterhalt, eine Falle.
Hans sah, dass die Männer müde waren. Er fürchtete um sein Bett, da mindestens einer von ihnen stark verlaust war und bat den, der Deutsch sprach, sie sollten die Häftlingskleidung im Ofen verbrennen und sich waschen.
Hans sagte, dass er wiederkommen würde, wenn es dunkel wurde.
Auf dem Weg zurück schrak er zusammen, als er ein Militärfahrzeug langsam durch die Straße fahren sah. Der SS Totenkopf prangte an der Türe. Er versuchte, seine Angst nicht zu zeigen. Der Wagen wurde langsamer und ein Uniformierter musterte ihn.
"Heil Hitler", rief der Mann und winkte Hans zu sich heran. .Hans wurde speiübel, nicht die übliche Übelkeit, die er in der Nähe eines SSlers empfand, die nackte Angst, die er damals im Gefängnis gehabt hatte, kehrte zurück.
Ein "Grüß Gott" lag ihm auf der Zunge, obwohl er selbst Atheist geworden war, aber ein erstes Mal seit Jahren rang er sich mit brüchiger Stimme ein "Heil" ab und hob seinen rechten Arm ein wenig.
"Die Straßen sind kaum passierbar, gibt es hier einen Weg Richtung Laufen?", fragte der SS Offizier. Hans deutete durch die Unterführung. "Links halten, dann immer nach Südosten."
"Danke." Der Wagen verschwand hinter der Unterführung.

Zurück im Haus sah ihn seine Frau sorgenvoll an. „Was ist los, Hans?“, fragte sie.

„Nix ist los. Und jetzt mach deine Hausarbeit und lass mir meine Ruhe.“

„Aber du würdest es mir doch sagen, wenn etwas ist, gell?“

Hans sah sie wütend an. Es ärgerte ihn, dass sie sich mit ihrer Neugier selbst in Gefahr brachte.

„Du weißt schon, dass alles, was du treibst, im Endeffekt auch auf mich zurück fällt, Hans“, erwiderte sie enttäuscht.

„Auch wenn du mir nichts sagst, wenn die kommen und etwas herausfinden, dann hängen die mich genauso hin. Also sei wenigstens aufrichtig mit mir.“

„Jetzt red keinen Schmarrn, Rosl. Es ist nix und selbst wenn was wär, würd ichs dir nicht sagen. Keiner wird dir das Gegenteil nachweisen können.“

„Du alter Sturkopf. Dann ist halt nichts.“

„Und sorg dafür, dass die Kinder nicht in die Hütte gehen.“

Sie schüttelte resigniert den Kopf. „Du bist unmöglich.“

„Ich bin vor allem müd. Weck mich auf, wenn es finster ist.“

Am Abend ließ er sich ein ergiebiges Abendbrot kochen und brachte Suppe und Schwarzbrot zur Hütte. Seine Frau sahn ihm kopfschüttelnd nach. „Ich hoff bei Gott, dass er einfach einen sakrischen Hunger hat“, murmelte sie.

Hans klopfte an die Türe der Hütte. Wieder war er sich sicher, dass die Gefangenen längst das Weite gesucht hatten. Nichts rührte sich. „Keine Angst, ich bring euch essen“, rief er mürrisch.

Als es in der Hütte still blieb, öffnete er langsam die Türe. Es war dunkel, aber der Ofen knisterte. Es war warm in der Hütte.

Als sich die Augen an das Dunkel gewöhnten, sah er drei ängstliche Augenpaare, die ihn aus der Ecke anstarrten. Erst als er lachte und die Ölfunzel anzündete, wagten sich die verängstigten aus der Ecke heraus.

Sie setzten sich um den Tisch und Hans hieß sie, zu essen.

„Ich habe euch gesagt, dass ihr eine Nacht hierbleiben könnt. Morgen müsst ihr weiter. Lauft nach Westen, die Amerikaner sind nicht mehr weit“, sagte er. „Aber bevor ihr geht, möchte ich wissen, wer ihr seid. Wenn die Amerikaner da sind, brauche ich vielleicht einen Leumund.“

Der Sprachführer der Drei ließ seinen Holzlöffel senken und sah Hans grimmig an. „Ach so einer bist du. Jetzt, da der Feind vor der Haustür steht, brauchst du jemand, der für dich bürgt?“ Er deutete den anderen, stand auf und war im Begriff, zu gehen.

„Setz dich wieder“, fuhr ihn Hans an.

„Ich nehm meine Bitte wieder zurück. Ihr könnt bedingungslos hier bleiben, verdammt noch eins. Ich bin auf keinen Persilschein angewiesen. Jeder im Dorf weiß, wer ich bin.“

„Und wer bist du?“

„Ich bin wenigstens kein Nazi.“

„Natürlich. Sobald ihr den Krieg verloren habt, hat es auf einmal keine Nazis mehr gegeben.“

„Ich weiß nicht, wie es in den Städten ist. Aber hier im Ort weiß jeder ganz genau, wer bei den Nazis mitgemacht hat und wer nicht.“

„Und du hast natürlich nicht mitgemacht.“ Die Augen des Häftling funkelten Hans wütend an. Die stumpfe Leere war einem glühenden Hass gewichen.

„Ich bin 1940 wegen Wehrkraftzersetzung im Gefängnis gesessen“, sagte Hans.

„Und das ist dein Persilschein?“

„Ich brauche keinen Persilschein“, sagte er und begann instinktiv zu husten. „Ich hab mir im Gefängnis die Tuberkulose eingefangen. Ich leb sowieso nicht ewig.“

Der Gefangene ging ein wenig auf Abstand. „Einer von uns hat Auschwitz überlebt, ich will nicht, dass wir uns so kurz vor dem Ende die Tuberkulose einfangen.“

„Was ist Auschwitz?“, fragte Hans .

Der Häftling sah seine Kameraden an und sagte etwas auf polnisch. Sie blickten Hans aus ihren eingefallenen Augenhöhlen traurig an.

„Du weißt nicht, was Auschwitz ist?“

„Ist das so etwas wie Dachau?“

„Ich war in Dachau und in Flossenbürg, aber wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was sie über Auschwitz erzählen, dann danke ich Gott für seine Gnade, mich von Auschwitz verschont zu haben.“

„Was hast du eigentlich angestellt?“

„Marxist“, sagte er.

Er deutete auf den einen Mann: „Er ist ein gewöhnlicher polnischer Kommunist. Und er“, er deutete auf den dritten, „ist polnischer Jude. Er war in Auschwitz.“

„Was erzählt er von Auschwitz?“

„Hast du dich jemals gefragt, wo die ganzen Juden hin sind?“

„Im Osten. Beim arbeiten.“

Der Mann schüttelte düster den Kopf.

„Die haben hunderttausende Männer, Frauen und Kinder nach Osten gefahren, das ist richtig. Aber nicht zum arbeiten. Die hat man nach Auschwitz gebracht und dort vergast.“

„Vergast?“

„Du hast richtig gehört. Vergast. Die wurden in einer Kammer zusammengetrieben, dann wurden die Türen versiegelt und sie haben Gas hineinströmen lassen, bis alle tot waren. Die Öfen der Krematorien haben Tag und Nacht gebrannt.“

„Das glaube ich dir nicht. Das ist Scheiß Kommunistenpropaganda.“

„Ihr Deutschen werdet es schon noch erfahren.“

„Wie soll denn das gehen, hunderttausend Menschen zu vergasen? Das habt ihr Kommunisten erfunden, um euch moralisch gegen die Nazis zu positionieren. Dabei seid ihr doch keinen Deut besser.“

„Das ist nicht meine Geschichte. Das ist die Geschichte der Juden.“

„Der Hitler ist ein Wahnsinniger. Aber es ist eine Sache, Millionen Menschen auf dem Schlachtfeld verrecken zu lassen, aber Menschen einfach zu vergasen, das ist Massenmord, das glaube ich nicht. So wahnsinnig ist nicht einmal der Hitler.“

Er schaute sich die drei Gestalten an, sah in die knöchernen, ausgezehrten Gesichter, die knochigen Ärmchen, die zitternd die Suppenlöffel in der Hand hielten.

„Wir sind seit zehn Tagen unterwegs“; fuhr der Mann fort. „Wir waren zu Beginn 400 Mann. Jeden Tag sind die Erschöpften und Kranken erschossen worden. Wenn jemand zu flüchten versuchte und erwischt wurde, hat man ihn misshandelt und dann, wenn sie gnädig waren, erschossen. Einen hat man von einem zerfleischen lassen.“

Hans sah ihn grimmig an.

„Wir bekamen einmal täglich eine wässrige Suppe. Wir wurden mit den Gewehren geschlagen, wenn wir das Marschtempo nicht mehr schafften. Bist du ein gläubiger Mensch?“, fragte der Mann.

Hans schüttelte den Kopf.

„Aber du weißt, was Altötting ist.“

„Natürlich.“

„In Altötting haben sie uns aufmarschieren lassen. Auf dem Kirchplatz haben sie drei von uns vor den Augen der Menschen erschossen. Ich glaube, es ist einfacher, eine Gaskartusche in eine Kammer mit zweihundert Menschen zu werfen, als einen Todgeweihten ins Auge zu blicken und ihm ins Gesicht zu schießen.“

Hans schüttelte den Kopf. Ihm war übel.

„Ich lasse euch alles da. Esst, soviel ihr könnt. Mehr kann ich nicht für euch tun.“

Er stand auf, ohne die drei Männer noch einmal anblicken zu können. Ihm war zum Heulen zumute. Er ging zur Tür und schloss sie hinter sich.

Am nächsten Morgen war die Hütte verlassen. Nur noch einige Stoffetzen im Kanonenofen verrieten, dass sich Häftlinge hier aufgehalten hatten. Hans vergrub sie im Wald, um die letzten Spuren zu verwischen.

Mittags stand er grimmig auf dem Balkon seines Hauses, lehnte sich gegen die Brüstung und schaute zur Straße hinunter. Aus dem Dorf tönte dumpf Maschinenlärm. Ab und an marschierten versprengte Soldaten verwirrt und orientierungslos durch die Unterführung. Die Kampfverbände waren in Auflösung und flohen vor den Amerikanern nach Süden. Jeden Moment konnte einer der Soldaten die Faust gegen die Türe hämmern und Quartier fordern. Er war froh, dass die Häftlinge fort waren.

Aber ganz fort waren sie nicht. Sie würden nie wieder fort sein. Er musterte einen Soldaten in SS Uniform, der mit ängstlichem Blick zielstrebig durch die Unterführung marschierte. Ein junger Mann, vielleicht Ende Zwanzig. Womöglich kannte er einen der Bauern und hoffte, dort versteckt zu werden. Vielleicht hatte er sich von seinem Verband abgesetzt. Hans fragte sich, was der Soldat wusste, was er gesehen hatte.

Gegen Nachmittag wurde es wieder ruhig. Die Truppen hatten das Dorf passiert. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Alle warteten nun auf die Amerikaner. Hans hieß seine Frau, ein weißes Laken auf dem Balkon aufzuhängen.

Eine an den Nerven zehrende Unruhe befiel ihn. Es war gut, dass die Amerikaner und nicht die auf Rache dürstenden Russen voranrückten. Dennoch war es eine große Ungewissheit, wie die Amerikaner den Deutschen begegnen würden. Ob es Misshandlungen und Vergewaltigungen gäbe. Immerhin waren es Soldaten, Kampfverbände, die jederzeit die Waffe zu zücken bereit waren und noch vor kurzem in heftige Gefechte mit der Wehrmacht verwickelt waren, Kameraden verloren hatten.

Der Gedanke, der ihn am meisten umtrieb, galt allerdings den drei KZlern. Er hoffte, dass sie bei einem anderen Bauern untergekommen waren. Dass sie den fliehenden Kampfverbänden ausweichen könnten. Kein Zweifel, dass man sie sofort erschossen hätte. Es nagte an ihm, ob er die Drei nicht doch hätte länger verstecken sollen. Aber er hatte vier Kinder, das mussten die doch verstehen.

Es blieb ruhig, von den Amerikanern war noch nichts zu hören. Da rief seine Frau, die im Garten arbeitete, seinen Namen. Sie deutete zum Wald. Wieder streunte ein Fremder Schutz suchend zwischen die Bäume. Diesmal war es ein Soldat.

„Sei bloß still, das ist ein SSler. Mit diesem Gesindel will ich mich nicht einlassen“, rief er vom Balkon herunter und starrte zu der fernen Gestalt hinüber. Spätestens jetzt wäre es aufgeflogen, dass er KZler versteckt hatte, dachte er und war erleichtert, dass er alle Spuren beseitigt hatte.

Plötzlich brach der Soldat zusammen und fiel auf den Laubboden.

„Hans!“, rief seine Frau und er stürzte sofort die Treppe hinunter und lief mit ihr so schnell es seine Lungen erlaubten zum Wald.

Der Soldat hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und hielt sich schwankend an einem Baum ein. Im Näherkommen sahen sie, dass es ein Junge war, vielleicht siebzehn Jahre. Kreidebleich im Gesicht. Die Uniform schlackerte an seinem schmächtigen Körper, die Ärmel, der Hut viel zu groß. Die SS Rune prangte auf seiner Uniform.

„Mein Gott, wer bist du denn?“, rief Rosina besorgt und stützte den Jungen.

Der begann zu weinen. „Heinrich heiß ich“, schluchzte er, „Ich hab solche Angst.“

„Was ist denn passiert?“, fragte der Hans.

„Meine Einheit hat sich aufgelöst. Die haben nur geschrien, rette sich, wer kann und jeder ist sich selbst der nächste. Und dann haben sie immer wieder gesagt, die Amerikaner erschießen uns alle. Ich will noch nicht sterben.“

Hans deutete auf seine Uniform: „Du weißt schon, dass du damit jetzt nicht mehr rumrennen darfst. Wie kommst du eigentlich dazu?“

„Die haben alle aus meinem Jahrgang verpflichtet, bei der Flak mitzuhelfen. Was soll ich denn jetzt machen?“

„Bei uns kannst du nicht bleiben“, sagte Hans barsch. „Ich habe erst gestern drei KZler versteckt“, sagte er und sah den Jungen herausfordernd an. Die Vorzeichen hatten sich endgültig gewandelt, aus dem Jäger war der Gejagte geworden.

„Hans, das ist noch ein Kind“, fuhr in seine Frau an.

Er schüttelte den Kopf, seine Zähne malmten. „Das kann doch alles nicht wahr sein“, murmelte er. „Na los, da drüben steht meine Hütte. Dort kannst du dich ausruhen.“

Wieder bereitete seine Frau ein reichhaltiges Essen für den Jungen. Diesmal war sie es, die zur Hütte hinüber ging und sich um den Versteckten kümmerte.

Hans verkroch sich in seine Kammer und ging früh ins Bett, er war erschöpft und seine Nerven flatterten wie zuletzt vor über vier Jahren, als er in Frankreich im Gefängnis saß und auf sein Todesurteil wartete.

Am Abend setzte sich seine Frau zu ihm: „Jetzt hat die Holzhütte doch noch seinen Nutzen“, sagte sie. „Wenn schon du nicht drin wohnst, so kommt sie jetzt wenigstens einem guten Zweck zugute.“

„Ist es ein guter Zweck, einen SSler zu verstecken?“, fragte er und dachte an die ausgemergelten Skelette und die Geschichte von Auschwitz, die sie ihm erzählt hatten.

„Hans, das ist immer noch ein Kind, egal welche Uniform er trägt.“

                Am nächsten Tag rückten die Amerikaner ins Dorf ein. Sie beschlagnahmten einige Häuser, darunter auch das Haus von Hans Bruder Max, in dem sich die Parteizentrale des Ortes befunden hatte. Als die Kunde umging, dass die Amerikaner jedes Haus, jeden Heustober nach Waffen durchsuchten, stürzte er zur Hütte.

„Heinrich, die Amerikaner sind da“, versuchte er ihm ruhig zu erklären. Aber Heinrich spürte instinktiv die Angst des Mannes und seine Hände begannen zu zittern. Er trug inzwischen Zivilkleidung vom Hans, aber sie passte ihm noch weniger als die Uniform.

„Du hast zwei Möglichkeiten“, sagte Hans. „Du kannst hier in der Hütte bleiben. Dann werden sie dich finden. Sie durchsuchen jeden Schlupfwinkel. Dann gehst du in Gefangenschaft. Oder du kannst versuchen, dich durchzuschlagen. Ein Bauer wird dich schon aufnehmen.“

„Ich will nicht in Gefangenschaft. Die werden mich dort erschießen“, jammerte der Junge.

Hans wusste, dass er ihn nicht aufhalten würde. Zu groß war ihm das Risiko, dass ihn die Amerikaner ebenfalls verhafteten, wenn sie einen SSler in seiner Hütte fanden.

„Ich schlage mich durch“, sagte der Junge.

„Hast du genug gegessen? Konntest du schlafen?“

„Ein wenig. Es geht“, antwortete er.

Die Rosina umarmte den Jungen tränenüberströmt. „Pass auf dich auf“, sagte sie. „Und lauf am besten den Bach entlang durch den Wald, beim Jellenbauern kannst du um Hilfe bitten, die haben einen großen Heustadel.“

Der Junge nickte und blickte sich ängstlich um, als er die Hütte verließ. Dann begann er zu laufen. „Und melde dich, wenn der Krieg vorbei ist!“, rief sie ihm nach.

Hans sah dem Jungen nach, wie er hinter den Bäumen verschwand.

„Das war nicht richtig, ihn gehen zu lassen“, sagte Rosina.

„Das war nicht richtig, dem Hitler zu folgen“, knurrte er.

 

Am nächsten Tag erfuhren sie, dass Heinrich von den Amerikanern erschossen worden war.