Ludwig Thoma in Traunstein

Ludwig Thoma war einer der größten und wirkmächtigsten Dichter und Schriftsteller Bayerns. Als Chefredakteur des Simplicissimus und durch seine dramatischen Werke hat Ludwig Thoma auch über die bayerischen Grenzen hinaus noch bis heute Geltung. Und weil dieser bayerische Dichterfürst damals bis heute so berühmt und gefeiert war und er darüber hinaus auch noch einige Jahre in Traunstein verbracht hat - und zwar seine Zeit als Rechtspraktikant von 1890 bis 1893 -  findet man Ludwig Thoma bis heute noch an jeder Ecke in Traunstein. In der Literatenkneipe "Alter Simpl" traf er übrigens auf eine andere Traunsteinerin - die legendäre Wirtin Kathi Kobus. Diese Geschichte könnt ihr übrigens hier nachlesen.

In Traunstein gibt es die Ludwig-Thoma-Grundschule, es gibt die dazugehörige Ludwig-Thoma-Turnhalle und natürlich gibt es eine Ludwig-Thoma-Straße, in der sich lange Zeit das Landratsamt befand. Aber nur so lange, bis ein noch berühmterer Sohn Traunsteins zu noch größeren Ehren gelangte und zwar Joseph Ratzinger, kurzzeitig als Papst Benedikt XVI noch berühmter als Ludwig Thoma.

Dies sagt natürlich ein wenig über die Charakteristika der Traunsteiner Bürger/innen aus, jene Wesenszüge der alteingesessenen Traunsteiner, die schon Ludwig Thoma mit spitzer Feder in seinen "Erinnerungen" beschrieben hat. Denn auch ein Autor von Weltrang verbrachte die prägenden Jahre seiner Kindheit in Traunstein: An Thomas Bernhards Zeit in Traunstein erinnerte aber nur eine - inzwischen abgenommene Plakette am jüngst abgerissenen Wohnhaus des großen Dramatikers. Und eine Stiege, die - ihrerseits inzwischen renovierungsbedürftig - hoffentlich nicht ebenso bald abgerissen werden muss.

Ludwig Thoma Traunstein
Das Wohnhaus von Ludwig Thoma in der Höllgasse in Traunstein

Ludwig Thoma also ist jener Literat, der in Traunstein bis heute verehrt wird. Für Literaturinteressierte jüngerer Generation zunächst etwas befremdlich. Kannte man Ludwig Thoma nur noch von den Enthüllungen seines späten Antisemitismus und als Autor der Lausbubengeschichten und des Münchner im Himmel, zumindest von deren bekannten Verfilmungen her.

Trotzdem, befasst man sich mit dem Leben und Werk Ludwig Thomas eingehender, so muss man zugeben, dass der junge Thoma Ludwig schon eine coole Socke war, der in Sachen Rebellentum und Spießbürger-Derbleckens einem Thomas Bernhard in nichts nachstand. Jedenfalls nahm er seine ehemaligen Mitbürger wesentlich subtiler aufs Korn, als sein österreichischer Dramatikerkollege fünfzig Jahre später und sicherte sich so die Sympathien Traunsteins bis heute.

Aber was hat er so gewirkt in Traunstein, der Ludwig Thoma? 

Die wichtigste Verbindung Ludwig Thomas in den Chiemgau war die seiner Mutter. Diese war Gastwirtin in Prien und in Seebruck und schließlich auch das Gasthaus "Zur Post" am Stadtplatz in Traunstein. In den Jahren 1890 bis 1893 absolviert der Jura-Student Ludwig Thoma seine Referendariat in Traunstein am Königlichen Amtsgericht in Traunstein. 

Thoma lebte während dieser Zeit in der Höllgasse, in unmittelbarer Geruchsnähe zum Hofbräuhaus.

Die Jahre am Gericht nutzte er vor allem, um die Menschen - sowohl die Großkopferten, als auch die Bauern und das einfache Volk - zu studieren. So beschreibt er in seinen Erinnerungen, dass mancher Advokat in Traunstein bekannt für seine saftigen Reden und seine bajuvarischen Bonmots gewesen war. 

Vielleicht wäre er länger in Traunstein geblieben. Allerdings schaffte er in seiner Promotion nur die Note "3", die ihm gehobene Laufbahnen verwehrte. Und obwohl er sich eine eigene Anwaltskanzlei in Traunstein lange hatte vorstellen können, hielt ihn nichts mehr in Traunstein, als auch seine Familie die Stadt wieder verließ. Ludwig Thoma zog es weiter nach Dachau, wo er eine Anwaltspraxis eröffnete.

Ludwig Thoma Kontroverse in Traunstein

Ludwig Thoma hatte eine dunkle Seite, die erst in den 1980er Jahren aufgedeckt wurde. Er war der Urheber von 170 Hetzartikeln gegen Juden und Demokratie, die er zwischen 1920 und 1921 im Miesbacher Anzeiger veröffentlichte. Er war Gründungsmitglied der Deutschen Vaterlandspartei, einer nationalistischen und antisemitischen Bewegung.

Die Gründe für Thomas Antisemitismus sind nicht eindeutig geklärt. Einige Experten vermuten, dass er von seiner bitteren Kriegserfahrung, seinem Hass auf die Weimarer Republik und seinem Konkurrenzkampf mit anderen Schriftstellern beeinflusst wurde¹³. Andere weisen auf seine persönlichen Widersprüche hin, wie seine Liebe zu einer Jüdin, Maria von Liebermann, die er zu seiner Haupterbin machte.

Thoma gilt daher als eine vielschichtige und ambivalente Persönlichkeit, die sowohl Bewunderung als auch Ablehnung hervorruft. Seine Rolle in der Antisemitismus-Kontroverse ist immer noch Gegenstand von wissenschaftlichen Erörterungen und öffentlichen Debatten. Auch in Traunstein wird in jüngerer Zeit darüber diskutiert, ob die Ludwig-Thoma-Grundschule umbenannt werden sollte. Eine Mehrheit innerhalb der Stadt bevorzugt es aber, auf die literarischen Verdienste Ludwig Thomas hinzuweisen und appelliert dafür, Künstler und Antisemiten zu trennen. Der Ludwig-Thoma-Platz wurde bereits in Papst-Benedikt-XVI-Platz unbenannt. 

Traunstein in der Literatur Ludwig Thomas

Vermutlich sind viele der Gerichts-Anekdoten und Erlebnisse der Zeit Ludwig Thomas am Traunsteiner Amtsgericht in seine Werke eingeflossen.

Verbürgt ist Traunstein als Schauplatz der Ludwig-Thoma-Erzählung "Krawall". Die fiktive Kleinstadt dort heißt zwar "Dürnbuch", die beschriebenen Ereignisse haben allerdings nahezu exakt so im Jahr 1866 so stattgefunden.

Auch das Vorbild der bekannten Thoma-Figur "Josef Filser" war ein Chiemgauer: Der Ruhpoldinger Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Eisenberger aus Ruhpolding.

Gerne wird auch kolportiert, dass Traunstein beim Thoma-Stück "Die Lokalbahn" Pate stand. Dies ist allerdings leider unwahrscheinlich.

Herrlich ist es, nachzulesen, wie Ludwig Thoma selbst das damalige Traunstein portraitiert:

"Klein und eng war es in Traunstein und von einer Gemütlichkeit, die einen jungen Mann verleiten konnte, hier sein Genüge zu finden und auf Kämpfe zu verzichten. 

(...)

In dem Landstädtchen schien es sich vornehmlich um Essen und Trinken zu handeln, und alle Tätigkeit war auf diesen Teil der Produktion und des Handesl gerichtet. Am Hauptplatz stand ein Wirtshaus neben dem andern, Brauerei neben Brauerei, und wenn man von der Weinleite herab sah, wie es aus mächtigen Schlöten qualmte, wußte man, daß bloß Bier gesotten wurde."

 

Während die Traunsteiner Thomas Bernhard dessen deftige Schimpfkanonade gegen die Traunsteiner Bürger nie verziehen haben, haben sie bei Ludwig Thoma entweder auf Durchzug geschaltet, oder die Spitzen einfach nicht verstanden.

Auf der Zunge sollte man sich folgende Aussage Ludwig Thomas zergehen lassen:

 

"In ihren politischen Meinungen unterschieden sich die Traunsteiner nicht von den übrigen Oberbayern. Tiefe Abneigung gegen alles Leidenschaftliche in diesen Dingen vereinigte sich mit dem üblichen Maße von Wurstigkeit und Partikularismus, und das ergab bei Wahlen eine sichere ultramontane Mehrheit.

Daneben konnte sich der mit Beamten, Pensionisten und etlichen Rentnern eingewanderte Liberalismus nicht sehen lassen."

 

Krass! Der Cringe, den der späte Ludwig Thoma für seine alte Heimatstadt empfand, war ja fast so heftig wie jener Thomas Bernhards! Als Strafe müsste man einen Teil der Ludwig-Thoma-Straße sofort in Papst-Benedikt-XVI-Platz umbenennen! Ach so, schon geschehen. Na dann ist ja gut!

Zitate von Ludwig Thoma über Traunstein:

"Klein und eng war es in Traunstein und von einer Gemütlichkeit, die einen jungen Mann verleiten konnte, hier sein Genüge zu finden und auf Kämpfe zu verzichten. Es ist altbayrische Art, sich im Winkel wohlzufühlen, und aus Freude an bescheidener Geselligkeit hat schon mancher, um den es schad war, Resignation geschöpft.

In dem Landstädtchen schien es sich vornehmlich um Essen und Trinken zu handeln, und alle Tätigkeit war auf diesen Teil der Produktion und des Handels gerichtet. Am Hauptplatz stand ein Wirtshaus neben dem andern, Brauerei neben Brauerei, und wenn man von der Weinleite herabsah, wie es aus mächtigen Schlöten qualmte, wußte man, daß bloß Bier gesotten wurde.

Durch die Gassen zog vielversprechend der Geruch von gedörrtem Malz, aus mächtigen Toren rollten leere Bierbanzen, und am Quieken der Schweine erfreute sich der Spaziergänger in Erwartung solider Genüsse." (Erinnerungen)

 

"Wenn es herbstelte, versank die Stadt wieder in stillen Frieden, in dem es nichts Fremdes und Neuzeitliches gab und von dem umfangen man zwischen Tarockrennen und Kegelscheiben vergessen konnte, daß ihm der Kampf vorangehen müsse." (Erinnerungen)

 

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