Der Autor und Berufsberater Bernhard Straßer erzählt in diesem Beitrag von seiner Berufswahl, seinem Versagen in der Schule und wie er die drei größten Krisen seines Lebens durchgestanden hat. Und wie es ihm gelang, dennoch seine große Vision, ein Schriftsteller zu werden, nie aus den Augen zu verlieren.
Hier könnt ihr einen Auszug aus seiner motivierenden Geschichte nachlesen. Eine Motivationsgeschichte über Berufswahl, berufliche Zufriedenheit und beruflichen Erfolg trotz großer Herausforderungen.
Wenn ich heute vor Schulklassen stehe und 60 Schülerinnen und Schüler schauen mich gespannt an, erzähle ich ihnen gerne von meiner Schulkarriere als Elftklässler. Ich war nicht gut in Deutsch, ich war schlecht in Latein. Und ich hatte in Mathematik eine Sechs. Nichts deutete darauf hin, dass aus diesem Schulversager einmal etwas werden würde. Und schon gar nicht ein von tausenden Schülern gelesener Schriftsteller. Ich erzähle gleichzeitig aber auch, dass ich eine Vision hatte. Ich wollte Schriftsteller werden. Und ich war mir sicher, dass ich eigentlich kein schlechter Schüler war. Auch, wenn das Gymnasialzeugnis der 11. Klasse eine völlig konträre Geschichte erzählte. Aber die Geschichte, meine Geschichte war nach der 11. Klasse nicht vorbei. Heute liebe ich es, den schmunzelnden Schülern zu erzählen, wie ich das Problem mit der verkorksten 11. Klasse gelöst habe: Ich habe die 11. Klasse nämlich gleich dreimal gemacht. Ein Jahr schöner als das andere. Nach dem Gymnasium ging ich ein Jahr nach Amerika und startete anschließend in Deutschland an der Fachoberschule noch einmal von vorne durch.
In meiner ersten Mathe-Schulaufgabe auf der FOS bekam ich, der ehemalige 6er-Schüler übrigens eine Eins. Ich weiß bis heute nicht, ob ich in Mathe nun gut oder schlecht bin, ob es am Lehrer lag oder einfach an meiner Einstellung.
Dies war die erste Krise meines Lebens, die ich mit Überreichung meines Fachhochschul-Abis auf den ersten Blick recht gut gemeistert hatte. Aber da bahnte sich bereits die nächste Krise an. Ich hatte das Pech, oder das Glück, dass ich exakt wusste, was mein großes Talent war und wo meine Begeisterung lag: Ich war spätestens seit meinem USA-Jahr ein recht guter Schreiber und wollte unbedingt Schriftsteller werden. Im Wissen, dass das ohne allgemeines Abitur schwer möglich war und ich selbst dann höchstwahrscheinlich nicht davon leben könnte, prokrastinierte ich nach dem Abitur noch zwei volle Jahre herum. Ich war nicht faul, im Gegenteil. Ich machte meinen Zivildienst und lebte ein Jahr in einer Jugendherberge am Chiemsee. Und davor und danach arbeitete ich als Schichtarbeiter und verdiente richtig gutes Geld. Aber die zwei Jahre brachten mich dem nächsten Lebensabschnitt, dem Erwerb eines Berufsabschlusses, zunächst keinen Millimeter weiter. Bis die Verzweiflung so groß wurde, dass ich einen Termin beim Berufsberater vereinbarte. Als ich ihm sagte, dass ich Schriftsteller werden wolle, sah er mich mit einem Blick an, der bereits alles sagte, was zu sagen war. Das Gespräch lief ziemlich schlecht, ich ging enttäuscht wieder nach Hause. Wütend beschloss ich, dass ich, wenn ich schon als Schriftsteller kein Geld verdienen könne, dann müsse ich halt einen langweiligen Sesselfurzer-Job wie den von dem Typ vom Arbeitsamt machen, dann hätte ich immer noch genügend Zeit zum Schreiben. Also bewarb ich mich beim Arbeitsamt.
Manchmal sind die bescheuertsten Ideen die, bei denen dann doch etwas Brauchbares herauskommt. So unzufrieden ich mit meinem Beratungsgespräch war, es hat mein Leben damals verändert, weil es buchstäblich mein erster Schritt ins Arbeitsamt war. Ich wurde durch eine Verkettung seltsamer Umstände tatsächlich vom Arbeitsamt für ein Duales Studium eingestellt und begann meine Karriere, die mich später zum Berufsberater machte und die mich später in einer wundervollen Pointe des Lebens zurück an das Gymnasium brachte, das ich einst so unehrenhaft verlassen hatte.
Doch das alles ist gar nicht die Geschichte, die ich erzählen will. Denn ich war ja weitab von dem, wo ich eigentlich hin wollte. Und ich ahnte auch nicht, dass ich, obwohl ich komplett anders abgebogen war, noch immer auf dem richtigen Weg war. Doch davor musste ich noch ein paar Prüfungen des Lebens bestehen.
Vor 8 Jahren war ich ein zweites Mal Vater geworden. Ich arbeitete als Berufsberater und hatte beschlossen, mich nebenberuflich doch noch als Schriftsteller selbständig zu machen. Ich war gefühlt auf dem steilen Weg nach oben, bewarb mich um eine Führungstätigkeit und hatte in einer völlig irren Aktion spontan ein Haus gekauft. Das war die Erzählung meines optimistischen Ichs. In Wahrheit war ich nicht auf dem Weg nach oben, sondern hatte den Kipppunkt erreicht, ab dem es steil nach unten ging. Meine Eltern waren gestorben, ich war auf unzähligen Beerdigungen in kürzester Zeit gestanden und als ich begriff, dass meine halbe Familie weggestorben war, erkrankte der Mann meiner Schwester an einem tödlichen Gehirntumor. Als ich aus meiner Euphorie aufwachte, hatte ich 400000 Euro Schulden, es stand ein Umzug an, ich musste aus einer Wohnung, die ich liebte in ein Haus, das zwar groß war, aber älter, kälter, fremder. Ich hatte kaum den Tod meiner Eltern betrauern können, da kündigte sich schon der nächste, diesmal ungleich härtere Schicksalsschlag an. Ich war viele Jahre resilient gewesen, aber nun war die Resilienz aufgebraucht. Panik, Angst, Überforderung. Und dazwischen zwei kleine Kinder, die starke Eltern brauchten.
Dies war die dritte Krise meines Lebens. Rückblickend weiß ich, dass ich trotzdem Glück hatte. Es gibt Menschen, die würden alles geben, eine vergleichbare Krise durchleben zu müssen/dürfen, weil sie wirklich nichts haben und ihre Liebsten dennoch sterben. Und ich wusste es damals auch, dass es mir den Umständen entsprechend gut ging. Aber es fühlte sich nicht so an. Mir tat alles weh. Der Schmerz war zu nah, zu groß, zu lähmend. Du kannst dir nicht vorsagen: Dein Papa ist gestorben, aber sei froh, dass dein Herz noch gut funktioniert. So ein Glück aber auch. Schmerz funktioniert so nicht, musste ich leidvoll feststellen. Schmerz kann man nicht steuern. Er ist da, oder er ist nicht da. Aber, da gebe ich all den Motivationsratgebern Recht, ob ich daran leide oder ob ich den Schmerz als Antrieb nehme, um etwas zu ändern, das ist meine Entscheidung. Ich sage nicht, dass es schnell ging. Nachdem mein Schwager gestorben war und kurz darauf eine weitere, nicht weniger schmerzhafte Beerdigung folgte, schien ich endgültig am Boden zu sein. Was ich aber noch nicht ahnte war, dass der Tiefpunkt bereits ein Jahr vorher überschritten war und ich, inmitten des Chaos der Schicksalsschläge und Ängste, die Talsohle der Verzweiflung bereits überschritten hatte. Ich brachte fast zeitgleich mein zweites Buch, das übrigens vom Tod meiner Mutter handelte, heraus. Noch immer war ich ganz unten und blockiert von der Angst, dass die Spirale aus Krebs, Tod und Verlusten ewig so weitergehen würde. Was ich aber nicht wusste war, dass ein vorläufiges Ende der tiefsten Zeit erreicht war und ich gerade einige der intensivsten Wochen meines Lebens erlebte. Ich wusste noch nichts davon, dass ich die nächsten Monate unzählige Texte, Kurzgeschichten, Romanfragmente schreiben würde, von denen ich auf Jahre zehren würde und die die Grundlage des nächsten Romans sein würden. Ich möchte nicht leugnen, dass es Jahre, ich meine, wirklich Jahre gedauert hat, bis zumindest ganz leicht das alte Glühen ins Herzen zurückkehrte. Trotzdem: Es ist zurückgekehrt. Obwohl mir viele Menschen in ähnlichen Situationen traurig mitgeteilt hatten, dass das empfundene Lebensglück nach Schicksalsschlägen wie diesen nie mehr so sein wird wie früher.
Ich habe mich an diesen Hinweis nicht gehalten und konsequent die Suche nach Glück, nach Lebensfreude fortgeführt. Und sie hat mich beruflich inzwischen zum Studienberater meiner beiden alten Schulen gemacht. Und hat mir als Schriftsteller zwei Millionen Seitenbesuchern meiner Webseite beschert. Und so viel ich im Spagat als Berufsberater und Schriftsteller bereits geschafft habe, fühlt es sich noch immer so an, als habe die Reise erst begonnen. Inzwischen erscheine ich in einer regelmäßigen Kolumne in Zehntausenden Briefkästen in der Zeitschrift „Hallo Nachbar“. Mein neues Buch „Falko“ wird auch in Österreich gelesen. Und es scheint, als habe Falkos Reise zu den Lesern erst begonnen.