Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte

Während meines Studiums hörte ich in einem Wahlpflichtfach das berühmte Gedicht „Wenn ich noch einmal leben könnte“, das ursprünglich Jorge Luis Borges zugeschrieben wurde. Darin geht es um die Gedanken eines 85-jährigen Mannes, der bald sterben wird. Er beschreibt, was er in seinem Leben alles anders machen würde, wenn er noch einmal die Chance dazu hätte.

Ich liebte das Gedicht sofort. Ich war damals 25 Jahre alt und bekam in diesem Gedicht die Bestätigung, dass ich in meinem bisher unsteten, aber glücklichen Leben nicht alles falsch gemacht hatte. Und ich nahm mir vor, auch die nächsten sechzig Jahre so zu leben, wie der Dichter es sich gewünscht hätte. „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen.“ Es war ein heißer Tag im Mai, und nach dem Seminar zog ich, an der Straßenbahnhaltestelle wartend, spontan meine Schuhe aus. Ich erinnere mich noch gut, wie die Leute in der Straßenbahn den barfüßigen Studenten angeschaut haben. Ein Kind zeigte auf mich: „Mama schau mal, der ist barfuß!“ Es fühlte sich großartig an. Irgendwie rebellisch, frei und befreiend zugleich.

Jahre später, als ich geheiratet und eine Familie gegründet hatte, wurde ich zu einem dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten. Ich beschäftigte mich intensiv mit Selbstoptimierung und Persönlichkeitsentwicklung. Machte die „RUSU“ von Laura Malena Seiler, war im „5AM Club“, versuchte meine „Atomic Habits“ mit der 1-Prozent-Methode zu verbessern und mein positives Mindset nach Napoleon Hill zu schärfen. Freilich hatte ich auch Momente der Freude. Aber ich hatte ganz vergessen, wie glücklich ich mit 25 Jahren war, als ich ganz nach dem Gedicht von Borges lebte.

Damals war ich entspannter. Ein bisschen verrückter. Ich nahm die Dinge nicht so ernst. Ich versuchte erst gar nicht, gesund zu leben. Ich schaute mir Sonnenuntergänge an und schwamm in Flüssen. Mein ganzes Leben bestand damals darin, gute Augenblicke zu haben. Glücklicherweise haben Menschen wie ich auch in Zeiten, in denen sie genug Geld verdienen müssen, um für ihre Familie aufkommen zu können, genug Gelegenheit, um nach dem Gedicht zu leben. Denn ich hatte in den letzten Jahren viel Gelegenheit, mit den Kindern zu spielen. Ich war viel bergsteigen. Und da ich mehr Geld verdiente, konnte ich mehr auf Reisen gehen als damals als 25-jähriger Student. Und ich las nicht nur die Selbstoptimierungs-Gurus, sondern auch Autoren, die dazu rieten, das Leben zu bremsen, im Jetzt zu leben. Eckhart Tolle beispielsweise. Oder auch Tom Hodgkinson und seine Anleitung zum Müßiggang.

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich schon mit 15 versuchen, meine Persönlichkeit zu entwickeln. Ein Vermögen aufzubauen, ein positives Money-Mindset zu formen. Denn sehen Sie, ich bin nun 45 Jahre alt und weiß, dass beides zum Leben dazugehört. Also versuche ich, nicht zu viel Zeit in meinem Beruf zu verbringen und gleichzeitig mit meiner Leidenschaft etwas Geld dazuzuverdienen. Ich versuche, etwas perfekter zu sein, weniger Fehler in der Arbeit zu machen. Und abends in einen See zu springen oder auf eine Alm zu gehen und den Sonnenuntergang anzuschauen. Und damit ich mich immer an dieses Gedicht von Borges und den Nachmittag, an dem ich es das erste Mal gehört habe, erinnere, versuche ich, dies von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuß zu tun.

Lebens- und Alltagstipps inspiriert durch „Wenn ich noch einmal leben könnte“

  1. Gehe barfuß: Ziehe deine Schuhe aus und spüre die Erde unter deinen Füßen. Das bringt dich zurück ins Hier und Jetzt und verbindet dich mit der Natur.
  2. Erlebe Sonnenuntergänge: Nimm dir Zeit, um den Tag bewusst ausklingen zu lassen. Ein Sonnenuntergang kann ein tägliches Ritual der Ruhe und Reflexion sein.
  3. Sei verspielt: Spiele mehr, sei es mit deinen Kindern, Haustieren oder einfach durch spontane Aktivitäten. Freude und Spiel sind essentielle Bestandteile eines glücklichen Lebens.
  4. Verbringe Zeit in der Natur: Wandere, schwimme in Flüssen oder mache einen Spaziergang im Wald. Die Natur hat eine beruhigende und heilende Wirkung.
  5. Lebe im Moment: Lass dich nicht von Selbstoptimierung und To-Do-Listen übermannen. Manchmal ist es wichtiger, den Augenblick zu genießen und im Jetzt zu leben.
  6. Pflege deine Leidenschaften: Finde heraus, was dich wirklich begeistert, und widme dem Zeit. Es muss nicht immer um Perfektion oder Gewinn gehen; oft reicht die pure Freude an der Tätigkeit.
  7. Lerne und wachse kontinuierlich: Persönlichkeitsentwicklung ist ein lebenslanger Prozess. Aber setze dir realistische Ziele und überfordere dich nicht. Kleine Schritte führen oft zu nachhaltiger Veränderung.
  8. Sei mutig und ein bisschen verrückt: Manchmal ist es wichtig, Regeln zu brechen und aus der Reihe zu tanzen. Diese Momente bleiben oft am stärksten in Erinnerung.
  9. Teile Glück und Liebe: Sei großzügig mit deinen Mitmenschen, teile deine Zeit, deine Liebe und deine Freude. Glück vermehrt sich, wenn man es teilt.
  10. Sei dankbar: Entwickle eine Haltung der Dankbarkeit. Führe ein Dankbarkeitstagebuch oder nimm dir jeden Abend einen Moment, um darüber nachzudenken, wofür du dankbar bist.

Das Gedicht zum Nachlesen:

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,

im nächsten Leben würde ich versuchen,

mehr Fehler zu machen.

Ich würde nicht so perfekt sein wollen,

ich würde mich mehr entspannen.

Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,

ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.

Ich würde nicht so gesund leben,

ich würde mehr riskieren,

ich würde mehr reisen,

Sonnenuntergänge betrachten,

mehr Bergsteigen, öfter ins Meer schwimmen.

Ich war einer dieser klugen Menschen,

die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten;

freilich hatte ich auch Momente der Freude.

Aber wenn ich noch einmal anfangen könnte,

würde ich versuchen,

nur mehr gute Augenblicke zu haben.

Falls du es noch nicht weißt,

aus diesen besteht nämlich das Leben,

nur aus Augenblicken;

vergiss nicht den jetzigen.

 

Wenn ich noch einmal leben könnte,

würde ich von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen.

Ich würde mehr mit Kindern spielen,

wenn ich das Leben noch vor mir hätte.

Aber sehen Sie... ich bin 85 Jahre alt

und ich weiß, dass ich bald sterben werde.

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