
Manchmal braucht es Dunkelheit, um besser sehen zu können. Je dunkler die Nacht, desto klarer erkennen wir die Sterne am Himmel. Seit jeher hatte ein Stern besondere Bedeutung für alle, die Orientierung suchten: der Nordstern. Der Nordstern, auch Polarstern genannt, ist der hellste Stern im Sternbild „Kleiner Bär“, auch bekannt als „Kleiner Wagen“. Aufgrund seiner Position zeigt er zuverlässig nach Norden und half schon Seefahrern vergangener Zeiten, sich zu orientieren.
Dieses Bild lässt sich auf die Sinnsuche im Leben übertragen. Während Milliarden Sterne Nacht für Nacht über das Firmament wandern, leuchtet der Nordstern konstant an derselben Stelle. Ähnlich finden sich im Leben eines Menschen Themen, Träume und Motive, die im Laufe der Jahre unverändert bleiben. Dein persönlicher Nordstern ist etwas, das tief mit deinem wahren Selbst verbunden ist – unveränderlich und beständig. Wer seinen Nordstern kennt, trifft Entscheidungen leichter, denn er weiß, in welche Richtung er seine Lebenssegel setzen muss. Hier sind einige Gedanken zum Thema Nordstern zusammengefasst - inspiriert von Dieter Lange und angereichert mit meinen eigenen Erfahrungen als Berufsberater.
Doch nicht jeder findet seinen Nordstern früh. Manche Menschen entdecken ihn erst spät – manche sogar nie. Ein kleines Kind kann seinen Nordstern noch nicht klar benennen. In der sogenannten Midlife-Crisis hingegen steigt oft das Bewusstsein dafür, ob man seinen Nordstern gefunden oder sich möglicherweise völlig verirrt hat. Das Schwierige dabei: „Man kann das Leben nur vorwärts leben und nur rückwärts verstehen“, wie Kierkegaard sagte. Erst während der Reise zeigt sich, ob der Stern, dem wir folgen, tatsächlich unser Nordstern ist.
Wie kannst Du Deinen Nordstern entdecken?
Zwei Übungen könnten helfen:
- Stell dir vor, du bist 10 Jahre in der Zukunft:
Wer bist du dann? Welche Werte und Eigenschaften haben dich dorthin gebracht? Auf welche Eigenschaften bist du besonders stolz?
- Das Hiob-Gedankenspiel:
Stell dir vor, du verlierst durch schwere Schicksalsschläge alles: dein Hab und Gut, sogar geliebte Menschen. Was bleibt dann noch von dir übrig? Was macht dich wirklich aus?
Seinen Nordstern zu finden ist nicht einfach, doch wenn du ihn nicht hast, bemerkst du das meist recht schnell. Viele glauben, ihr Glück im Erreichen von Zielen zu finden. Spätestens wenn sie das Ziel erreichen und dennoch unzufrieden bleiben, verstehen sie, dass ihr Nordstern woanders liegt. Vielleicht kennst du das Gefühl: Etwas fehlt, du bist ständig erschöpft und müde. „Es gibt kein Richtig im Falschen“, beschrieb Adorno dieses Lebensgefühl treffend.
Frage dich daher nicht mehr ständig, wie du etwas erreichen kannst, sondern vielmehr, warum du es erreichen möchtest. Nietzsche formulierte es so: „Wer ein Warum im Leben hat, kann fast jedes Wie ertragen.“ Dein Nordstern ist eng mit diesem Warum verbunden.
Der Coach Dieter Lange, der viele dieser Gedanken prägt, schlägt folgende Übung vor: Überlege dir, wie der Buchtitel deines Lebens lauten könnte. Nur wer den richtigen Buchtitel kennt, kann seine Lebenskapitel passend dazu gestalten.
Warum es entscheidend ist, den Nordstern früh zu kennen
Ideal ist es, deinen Nordstern bereits vor der Berufswahl zu erkennen. Ein großer Teil deines Lebens wird im Beruf verbracht. Es geht dabei nicht nur um die Tätigkeit, sondern auch um die Menschen, mit denen du diese Zeit teilst. Sie prägen deinen Charakter entscheidend mit. Überlege dir also genau, ob du dich lieber von kreativen Chaoten oder von zuverlässigen Beamten beeinflussen lassen willst.
Zudem bestimmt dein Beruf erheblich über deine verfügbare Zeit. Manche Menschen verkaufen ihre kostbare Zeit für Geld, andere machen beruflich genau das, was sie lieben – und empfinden dabei kaum den Bedarf nach Urlaub. Dein Nordstern verrät dir, ob du Freiheit oder festen Rahmen brauchst.
Wie findest du deinen Nordstern?
Niemand behauptet, es wäre leicht. Aber eine wirksame Methode ist, in die Stille zu gehen. So wie es nachts dunkel sein muss, um den Nordstern klar zu sehen, musst du deinen Geist frei machen von Ablenkungen, Stress und Informationsflut. Handy ausschalten, in die Natur gehen, zur Ruhe kommen. Lass die Leere entstehen. Sie wird sich von alleine mit neuen Träumen, Ideen und vielleicht sogar mit deinem Nordstern füllen.
Doch selbst ohne deinen Nordstern zu kennen, helfen uralte Lebensweisheiten, glücklicher zu werden. Bereits vor Jahrtausenden wusste man, dass es der Seele nicht guttut, ständig in Vergangenheit oder Zukunft zu grübeln. Unser Leben findet genau jetzt statt. Wer das begreift, verabschiedet sich leichter von der Illusion, dass das Glück vom Erreichen eines bestimmten Ziels abhängt. Denn entscheidend ist immer der Weg, nicht nur das Ziel.
Und doch braucht es Vergangenheit und Zukunft, um den Nordstern zu finden. Vor allem bei der Berufswahl gilt: Was hat mich bisher geprägt, welche Fähigkeiten habe ich entwickelt und welches „Jetzt“ möchte ich zukünftig erleben?
Bei aller Planung gibt es allerdings noch den Faktor Zufall. Große Ereignisse im Leben – wie die Berufswahl – sind oft ungeplant. Das ganze Leben besteht aus Chancen, die man wahrnimmt oder liegenlässt. Glück ist letztlich nichts anderes, als eine zufällig auftauchende Chance zu erkennen und zu nutzen.
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