In Sankt Leonhard am Wonneberg erinnert heute die Pater-Bernhard-Straße an einen faszinierenden Wonneberger, der es vom einfachen Handwerkersohn zum Priester, Gelehrten und schließlich Prior des altehrwürdigen Benediktinerklosters Scheyern gebracht hat. Viele der älteren Wonneberger erinnern sich noch an den 1970 verstorbenen Benediktinermönch, der seine Sommerurlaube gerne in seiner alten Heimat verbrachte. Die Frage, wer dieser Pater Bernhard eigentlich war, stellte sich auch mir. Und zwar aus einem ganz besonderen Grund: Pater Bernhard war weitschichtig mit mir verwandt und vielleicht trage ich nicht ganz zufällig seinen Namen.
Meine Recherche begann ich dort, wo das Leben von Pater Bernhard endete. Im Kloster Scheyern im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Das eindrucksvolle Benediktinerkloster ist heute vor allem bekannt für seine Brauerei und den gemütlichen Biergarten. Gleichzeitig wird bis heute dort in der Bildungsstätte und der naheliegenden BOS gelehrt. Das Klosterareal ist so weitläufig und eindrucksvoll, dass man sich einen guten Eindruck machen kann, was es für die Wonneberger bedeutete, dass einer der ihrigen hier nicht nur Priester oder Lehrer war, sondern der Prior. Also der oberste Mönch des Klosters.
Auf der Suche nach dem Grab von Pater Bernhard wurde ich von einer unbestimmten Intuition direkt zu einem kleinen, versteckten Friedhof gelenkt. Als wüsste mein Unterbewusstsein genau, wohin es mich führte, stand ich auf einmal vor dem Grab meines Verwandten, der meine Großmutter so inspiriert hatte, dass sie eines ihrer Kinder nach ihm benannte.
Das Grab von Pater Bernhard Walcher erzählte in knappen lateinischen Worten die Eckpunkte seines Lebens. Geboren wurde er am 23. Februar 1892, gestorben ist er am 18. Oktober 1970. Er wurde 78 Jahre alt. Er wurde am 30.8.1914 in die Bruderschaft aufgenommen und am 7. April 1918 zum Priester geweiht. Als Geburtsort wurde der Ort Greinach am Wonneberg genannt.
Einige Tage später suchte ich per Navi Greinach. Er liegt direkt an der Staatsstraße zwischen Waging und Traunstein, kurz vor Weibhausen. Schon tausendmal war ich vorbeigefahren, ohne zu ahnen, dass dort eine regionale Persönlichkeit geboren war. Allerdings lag ich falsch. Ortskundige Wonneberger haben mich aufgeklärt, dass Pater Bernhards Greinach heute in "Greinachtal" unbenannt wurde. Es befindet sich in der Nähe des heutigen Schweizerhofes.
Drei Jahre später unternahm ich einen erneuten Anlauf, das Haus von Pater Bernhard zu finden. Ich tippte das Greinachtal in mein Navi und fuhr los Richtung Sankt Leonhard, bog zum Schweizerhof ab und näherte mich schließlich der Senke des Greinachtals. Zu meiner Überraschung war gleich das erste Haus zweifelsfrei als das Elternhaus vom Pater Bernhard wiederzuerkennen.
Am Abend erfuhr ich dann von einem Einheimischen, dass das Haus immer noch "Beim Schmied" heißt und dort noch vor 15 Jahren eine alte Frau gelebt hat, deren Hobby es war, Granaten zu sammeln. Ich werde weiterrecherchieren!
Noch mehr Aufschluss über das Leben von Pater Bernhard gab das Wonneberger Heimatbuch. Christoph Bauer hatte sich die Mühe gemacht, das Leben von Pater Bernhard zu skizzieren:
Geboren wurde er als Matthias Walcher im Schmiedhäusl in Greinach. Sein Vater war Johann Walcher, der in zweiter Ehe mit Maria Lackner von Reiten / Petting verheiratet war. Insgesamt hatte Matthias Walcher elf Geschwister. Zwei seiner Schwestern wurden Franziskanerinnen in Ursberg.
Da der junge Matthias sich bald als ungewöhnlich gescheit hervortat, war die einzige Möglichkeit, ihm eine höhere Bildung anzutragen, ihn über ein Kloster ausbilden zu lassen. Matthias kam im Alter von 12 Jahren auf die Lateinschule nach Scheyern.
Als er nach seinem Abitur die Aufnahme ins Kloster ersuchte, nahm er in Gedenken an den Tegernseer Mönch Bernhard von Waging den Namen Bernhard an.
Pater Bernhard studierte in München und Eichstätt Theologie und Philosophie. Die Priesterweihe empfing er im April 1918 durch Kardinal Faulhaber im Dom von Freising.
Die Primiz feierte er in Waging. Irmengard Jäger war so freundlich, mir ein Original-Primizbild zu schicken, das Aufklärung darüber gab, wo genau der Primizgottesdienst stattfand: In der Wallfahrtskirche am Mühlberg. Anschließend fand ein großes Fest statt. Es war das letzte Jahr des Ersten Weltkriegs und die Bevölkerung hatte bereits einige Hungerjahre hinter sich. Damit die Gläubigen in Waging dennoch ein Festmahl halten konnten, wurde kurzerhand in einer Schwarzschlachtung ein Ochse geschlachtet. Es wurde trotzdem, oder gerade deshalb für die Anwesenden ein unvergessliches Erlebnis.
Denn eine von ihnen war meine Oma. Obwohl sie noch ein Kleinkind war und sich vermutlich kaum an die Primiz erinnern konnte, hatte sie dieses Erlebnis zeitlebens nicht vergessen und oft vom Pater Bernhard gesprochen. Sie war mit ihrer Mutter auf der Primizfeier. Anhand der Daten im hervorragenden Wonneberger Heimatbuches konnte ich rekonstruieren, dass die Mutter über ihre Schillinger-Verwandtschaft mütterlicherseits die Cousine von Pater Bernhard war.
In den Folgejahren war Pater Bernhard Kaplan in der Pfarrei Scheyern und gab Unterricht an der klösterlichen Lateinschule. Doch das schien ihm nicht zu erreichen. Er blieb zeitlebens offen für Neues und wissenshungrig. So studierte er an der Münchner Universität Altphilologie, Deutsch und Geschichte und wurde schließlich Gymnasiallehrer.
Seine Doktorarbeit schrieb er zum Thema „Beiträge zur Geschichte der Bayerischen Abtswahlen mit besonderer Berücksichtigung der Benediktinerklöster“
Während des zweiten Weltkriegs dozierte er an der Benediktinerhochschule in Seitenstetten in Niederösterreich. Schließlich kehrte er nach Schyern zurück und wurde dort der Dorfpfarrer. 1951 schließlich ernannten ihn seine Mitbrüder zum Prior. Auch das Gymnasium leitete er einige Jahre.
Pater Bernhard war auch als Lehrer hochbeliebt bei seinen Schülern. Im Internet ist heute ein Gedicht von Gero Hermes nachzulesen, in dem er Pater Bernhard als Menschen rühmt, der ihm unvergeßlich sein wird. Er beschreibt Pater Bernhard als weltoffenen Menschen, dem es gelang, die Jugend mit der Welt zusammenzubringen. Jemand, der andere begeistern konnte, der zuhören konnte und im richtigen Moment zu schweigen vermochte.
Krankheiten waren es, die ihn in den Sechziger Jahren in seiner Tatkraft einbremsten. Er übte weiter pflichtbewusst seine klösterlichen Ämter aus. Starb schließlich aber 1970 in Pfaffenhofen nach langer Krankheit.
Als ich am Grab von Pater Bernhard in Scheyern stand, fragte ich mich, ob ich mit diesem so gelehrten Mönch bis auf den Namen irgendeine Gemeinsamkeit hätte. Es stellte sich heraus, dass Pater Bernhard die Gegend um den Waginger See sehr liebte und viele der geschichtlich – historischen Ereignisse nicht nur memorierte und wieder erzählte, sondern auch niederschrieb.
Gero Hermes schrieb in seinem Gedicht „Über dich soll nicht geschwiegen sein, denn dich zu verschweigen wäre eine Sünde.“ Und deshalb möchte ich diesen Text hier in den Weiten des Internets festhalten, dass diese eindrucksvolle Persönlichkeit noch lange in Erinnerung bleibt.
Engelbert Baumeister von der Benediktinerabtei Scheyern war so freundlich, mir den Nachruf auf Pater Bernhard aus dem "Scheyerer Turm" zur Verfügung zu stellen. In Erinnerung an Pater Bernhard kann er hier nachgelesen werden:
Nach langer schwerer Krankheit verschied am 18. Okt. 1970, in der Nacht zum Kirchweihsonntag, im Krankenhaus zu Pfaffenhofen/Ilm unser hochwürdiger P. Prior
Dr. Bernhard (Matthias) Walcher OSB
Seine Heimat, der er zeitlebens treu verbunden blieb, war Waging am See im Rupertiwinkel. Dort wurde er in der Filialgemeinde St. Leonhard am Wonneberg (Greinach II) am 23. Februar 1893 als ältester Sohn des Schmiedemeisters Johann Walcher geboren und auf den Namen Matthias getauft. Durch eifrige Kapläne gefördert und durch Wohltäter unterstützt, konnte er trotz bescheidener Vermögensverhältnisse der großen Familie (7 Kinder) 1905 nach Scheyern zum Studium kommen.
Nach dem Abitur in Freising bat er in Scheyern um Aufnahme und erhielt bei der Einkleidung am 30. August 1913 den Namen Bernhard, in Erinnerung an den großen Reformer des ausgehenden Mittelalters, Bernhard von Waging (gestorben 1472 als Prior von Tegernsee). Zwei leibliche Schwestern und eine Erziehungsschwester folgten seinem Beispiel und traten in Ursberg und bei den Barmherzigen Schwestern ein. P. Bernhard setzte in Scheyern die ruhmvolle Reihe der Waginger fort, die seit der Wiedererrichtung des Klosters i.J. 1838 in ununterbrochener Folge dem Konvent als wertvolle Glieder angehört hatten. Während seine drei Mitnovizen alsbald in den ersten Weltkrieg ziehen mußten, konnte Dr. Bernhard in Eichstätt und Freising seine philosophischen und theologischen Studien vollenden und am Guthirten-Sonntag, 7. April 1918, die Priesterweihe empfangen.
Zunächst wirkte er als Kaplan in der Pfarrei Scheyern, dann 5 Jahre an unserer damaligen Lateinschule. Erst dann konnte er das Studium der Altphilologie an der Universität München aufnehmen, das er 1930 mit dem Staatsexamen für das höhere Lehramt und einer Promotion in der bayerischen Geschichte abschloß. Mit Begeisterung nahm er an unserer inzwischen zum Progymnasium aufgestockten Schule seine Lehrtätigkeit wieder auf und versah zeitweise auch das Amt eines Präfekten, bis die gewaltsame Schließung unserer Schule durch die Nazis dieser Tätigkeit ein Ende setzte. 1939 wurde er in das von Salzburg nach Seitenstetten/NO verlegte Kolleg St. Benedikt als Lehrer für Altes Testament und Hebräisch berufen, bis 1942 auch dieses aufgelöst wurde, weil alle Hörer zum Heeresdienst eingezogen wurden.
Wieder zuhause, übernahm er zunächst die Betreuung unserer Bibliothek und des Archivs, dann 1943-1946 die Leitung unserer großen Klosterpfarrei. Nach Beendigung des Krieges kehrte er wieder an unsere Schule zurück, die zum Vollgymnasium ausgebaut wurde und übernahm 1953 auch dessen Leitung. Dazu wurde er 1951 auch zum Prior bestellt und versah dieses verantwortungsvolle Amt bis zu seinem Tode.
In den letzten 10 Jahren seines Lebens nahm Gott ihn in seine Leidensschule. Obwohl 1962 an allem durch sein immer gegenwärtiges Beispiel, war unermüdlich in der Betreuung Magenkrebs operiert, versah er weiterhin sein Amt als Prior, vor allem durch sein immer gegenwärtiges Beispiel, war unermüdlich in der Betreuung der Gäste und Pilger, stand immer bereit als Beichtvater, als Helfer in allen leiblichen und geistigen Nöten, als Stütze des Abtes, als eifriger Beter und als anspruchsloser und fröhlicher Dulder in seinen mannigfachen Leiden und Beschwerden. Als sich gegen Ende 1969 sein Krebsleiden erneut meldete und eine zweite Operation noch einmal eine kurze Besserung brachte, war er sich bewußt, daß es Zeit war, sich auf den Heimgang zum Vater zu rüsten und er übte die ars moriendi so gut, daß ihn der Tod freudig bereit und bereitet fand.
Wir verlieren in P. Bernhard einen vorbildlichen Mönch, dessen charakteristische Tugend neben vielen anderen die disponibilitas war, die stete, vorbehaltlose Verfügbarkeit. Mit ihr war er nach der Mahnung des Apostels allen alles geworden. So dürfen wir hoffen, daß er auch in Zukunft uns ein treuer und mächtiger Fürbitter bleiben wird.
Am 21. Oktober wurde er in Scheyern unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen. Als Vertreter des Erzbischöflichen Ordinariats war Weihbischof Dr. Johannes Neuhäusler erschienen, der auch den Gottesdienst hielt. In seiner Ansprache betonte er vor allem, daß jeder Mensch von Gott einen persönlichen Ruf, einen Beruf habe, dem zu folgen höchste Aufgabe sei. Der Verstorbene habe den schönsten Beruf gehabt, nämlich als Priester, Lehrer und Erzieher Menschen zu formen und zu bilden.
Nach dem Gottesdienst schilderte Abt Johannes kurz den Lebensweg des Verstorbenen in Form eines Dankgebetes. Der letzte Wunsch von P. Bernhard war, daß bei seiner Beerdigung über das Alleluja gepredigt werde. Dieses Wort heißt: ,,Gepriesen sei der Herr!" So dankte der Abt in seinem Namen für alle Gaben, die Gott dem Verstorbenen im Laufe des Lebens geschenkt hatte, für das Elternhaus auf dem Wonneberg bei Waging, für die schöne Heimat, für die Geschwister, für die reichen Geistesgaben, insbesondere das erstaunliche Gedächtnis, für alle Priester und Lehrer, die ihn auf seinem Lebensweg begegnet, begleitet und geführt haben. Er dankte aber auch ihm, für ihn selbst und sein gutes Beispiel, das er uns zeitlebens als Priester und Ordensmann gegeben hat. Er charakterisierte ihn als einen Mann, der allen alles gewesen sei.
Am Grabe sprach auch der Vorsitzende der Scheyerer Studiengenossenschaft Dr. Josef Beil ein kurzes Wort des Dankes: ,,Dankbar stehen wir an seinem Grabe. Er hat die Studiengenossenschaft auf- gebaut und uns viel Freundschaft und Liebe gegeben. Es liegt an uns, sein Werk weiterzuführen, die christlichen Werte zu pflegen in unserem Leben und in der Familie, im Berufe und in der Öffentlichkeit".
Dr. Balthasar Stumfall und P. Prior Dr. Bernhard Walcher waren die beiden geistigen Väter unserer Scheyerer Studiengenossenschaft. Diese Gemeinsamkeit im Leben hat sie auch im Tode verbunden. Genau an dem Tag, an dem P. Prior beerdigt wurde, am 21. Okt., starb in München im Krankenhaus rechts der Isar, unser lieber Ehrenvorsitzender Dr. Stumfall. Er hat am 26. Febr. 1958 im Kreuzbräu in München den Scheyerer Turm" aus der Taufe gehoben. Ein Jahr später, am 10. Nov. 1959 hat er dann in der Gaststätte Scholastika die bereits bestehende lose Verbindung der Altscheyerer weiter mit der Gründung der Scheyerer Studiengenossenschaft gefestigt und ihr die Satzung gegeben.
Die bayerische Heldenreise inspiriert nach wahren Begebenheiten findet ihr hier: https://www.chiemgauseiten.de/kurzgeschichten/der-matthias-vom-wonneberg/
Andrea Lutz geb. Walcher (Sonntag, 10 September 2023 20:32)
Mit großem Interesse haben wir die Geschichte vom Pater Bernhard Walcher ( unser Großonkel)gelesen. Kindheitserinnerungen haben wir noch an unsere Großtante Marie ( Schwester), bei der sich jedes Wochenende die ganze Familie getroffen hat. ( Im Greinachtal, allerdings nicht im Geburtshaus von Bernhard Walcher.)
Ferdinand Walcher ( unser Großvater) war ein Bruder von Ihm.
Viele Grüße Andrea Lutz , Marion Parzinger geb. Walcher
schuhliesl@hotmail.de