Thomas Bernhard, geboren am 9. Februar 1931 in Heerlen, Niederlande, gestorben am 12. Februar 1989 in Gmunden, Oberösterreich, war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller und Dramatiker. Wo er wohnte, entstanden nach seinem Tod wahre Wallfahrtsorte. Nicht nur, weil er alle Städte, in denen er lebte, leidenschaftlich literarisch beschimpfte. Dies gilt auch für Traunstein, wo er von 1937 bis 1946 wohnte. In unmittelbarer Nähe, im benachbarten Ettendorf, lebte auch sein Großvater, der Schriftsteller Johannes Freumbichler.
Thomas Bernhard ist der bedeutendste Dramatiker Österreichs und hat als Schriftsteller Weltliteratur erschaffen. Sein Nachruhm geht so weit, dass die Bernhard-Jünger all die Orte bereisen, in denen Thomas Bernhard einst gelebt und über die er geschrieben hat. Eine dieser Städte ist Traunstein, wo Thomas Bernhard seine Kindheit verbracht hat.
Diese Zeit hat Bernhard auf seine unnachahmliche Art mit viel Grant und deftigen Worten in seinem Buch "Ein Kind" sehr zum Missfallen vieler Traunsteiner zu Ungunsten der Stadt festgehalten.
Berühmt geworden ist vor Allem eine Anekdote, in der Bernhard eine missglückte Spritztour auf einem Steyrer Waffenrad nach Salzburg schildert, die für den späteren Literaten mit Schürfwunden und gerissener Fahrradkette im Straßengraben endet.
Da er sich aus Angst vor der Mutter nicht nach Hause traut, beschreibt Bernhard, wie er, spät Nachts heimgekommen, stattdessen nach Ettendorf flüchtet, wo der geliebte Großvater des Kindes, Johannes Freumbichler, lebt.
Genau dieser Weg ist im Buch, gewürzt mit weiteren Anekdoten, so trefflich beschrieben, dass bis heute Thomas Bernhard Freunde nach Traunstein pilgern, um auf dessen Spuren von der Stadt hinauf nach Ettendorf zu spazieren.
Empfohlen werden kann dazu der regelmäßig vom Bernhard-Experten Willi Schwenkmeier angebotene Thomas Bernhard-Spaziergang.
Oder einfach virtuell dieser:
Der Weg beginnt in Bernhards Wohnhaus am Taubenmarkt, wo der Schriftsteller im zweiten Stock gelebt hat. (Das Haus wurde leider inzwischen abgerissen)
Das Kind flüchtet im Buch Buch aus der Enge der Stadt. Sein Weg hinunter führt ihn über die Dentistenstiege, eine Treppe in die Unterstadt, die inzwischen, trotz des zwiespältigen Verhältnisses der Traunsteiner zu dem Dramatiker, nach Thomas Bernhard benannt ist.
Das Kind wählt nicht den kürzesten Weg nach Ettendorf, sondern überquert die Traun am mächtigen Viadukt. Sei es, dass sich das Kind noch eine Galgenfrist herausschinden möchte, oder dem Autor die Gelegenheit zu geben, noch eine anarchistische Zerstörungsfantasie einer Sprenung der Eisenbahnbrücke mit einzuspinnen.
Den Weg nach Ettendorf hinauf beschreibt Bernhard, als ginge das Kind auf einen Heiligen Berg hinauf. Empor aus den Niederungen, Alles zurücklassend, was engstirnig, schmutzig, im Grunde nichts als ekelerregend war, wie er das Kind denken lässt, hoch zur höchsten Instanz, dem Großvater.
Im Morgengrauen kommt er oben in Ettendorf an.
Der Großvater lebte im alten Straßer Hof, der sich auf Höhe der heutigen Siedlung am Kircherl befand und längst abgerissen ist.
Von hier aus hatte man, und hat man noch immer, einen weiten Blick auf die bayerischen Voralpenberge, auf den Hochfelln, auf den Hochgern, auf die Kampenwand und hat den Chiemsee.
Jene Schimpfkanonade auf Traunstein, die viele Traunsteiner Bürger bis heute verärgert, legt Bernhard übrigens geschickt etwas später im Buch dem Großvaters in den Mund. Das Kind gab also nicht die Meinung des Autoren, sondern die Wutreden des verbitterten, gescheiterten intellektuellen Schriftstellers Johannes Freumbichler wieder.
Dass die Tiraden allerdings auch so manches wahre Wort über mögliches Kleinbürgertum enthalten, lässt sich erahnen, wenn man auch die bitterbösen, spitzfindigen Erinnerungen des in Traunstein heißgeliebten Ludwig Thoma an das damalige Traunstein aufmerksam liest.
Wer von Ettendorf aus noch etwas weiter nach Hufschlag spaziert, kommt am alten Wohnhaus der Ratzingers vorbei, in dem, zeitgleich mit Thomas Bernhard, die frommen Buben Joseph und Georg lebten.
Bis heute fasziniert dieses Gedankenspiel die Thomas Bernhard Freunde, ob es die nicht unwahrscheinliche Begegnung des kritischen Schriftstellers mit dem späteren Papst gegeben hat und wie diese ausgesehen haben könnte.
Dort, wo heute die Ettendorfer Siedlung beginnt, stand zu Thomas Bernhards Zeiten der Straßer Hof. Dort lebte nicht nur der Straßer Schorschi mit seiner Familie, sondern auch das Ehepaar Freumbichler. Der Schriftsteller Johannes Freumbichler, der Großvater von Thomas Bernhard war für das Kind Thomas Bernhard ein wichtiger Mentor. Ettendorf selbst war für den Jungen ein Rückzugsort von seinem harten Leben unten in Traunstein, in der Stadt.
Anni Mayer, die damals beim Hochhäusl in unmittelbarer Nähe zum Straßer Hof aufgewachsen ist, erinnerte sich an eine Begegnung mit Thomas Bernhard:
"Einmal kam der Straßer Schorschi vorbei und hatte einen schüchternen Jungen mit dabei. Das ist mein Freund, sagte der Schorschi. Dem geht es ziemlich schlecht. Der wird daheim nämlich mit einem Ochsenziemer geschlagen."
Erst Jahre später, als das Buch "Ein Kind" zu lesen bekam, erinnerte sie sich an die Begegnung und es war ihr sofort klar, dass der arme Junge Thomas Bernhard gewesen war.
Auch an die Freumbichlers konnte sie sich noch gut erinnern. Diese holten damals die Milch beim Hochhäusl. Allerdings waren Johannes Freumbichler und seine Frau finanziell so schlechtgestellt, dass sie die Milch oft nicht zahlen konnten. Eine weitere Erinnerung an die beiden war, dass sie jeden Tag zur Mittagszeit in die Stadt hinunter gingen. Thomas Bernhard selbst löste das Rätsel: Beide bekamen in der Stadt bei der Familie Bernhard ein Mittagessen.
Jahrzehnte später besuchte ein feiner Herr den Hochhäusl-Hof. Er erkundigte sich bei dem alten Wimmer, was denn aus dem Straßer Schorschi geworden sei. Leider konnte nichts Schönes berichtet werden. Der Straßer Schorsch war Alkoholiker geworden und lebte damals in einem Heim. Auch der Straßer Hof war kaum mehr wiederzuerkennen. Ein Gebrauchtwarenhändler hatte den Hof gekauft und rund um den Straßer Hof standen alte Autos. Der feine Herr fragte verwundert, was das solle.
Natürlich stellte sich später heraus, dass es sich bei dem eleganten Mann um den inzwischen erfolgreichen Schriftsteller Thomas Bernhard gehandelt hatte.
Thomas Bernhard würde sich entweder im Grabe umdrehen, oder kopfschüttelnd murmeln: Was anderes war von dieser Stadt ja nicht zu erwarten. Denn das Poschinger-Haus, in dem er einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte, ist inzwischen abgerissen. An selbiger Stelle wurde das wunderschöne Poschinger-Carré erbaut. Prominent ist darin die regionale CSU untergebracht. Auch Ministerpräsident Markus Söder lächelt in Pappe beim Schaufenster hinaus. Thomas Bernhard hätte mit Sicherheit seine helle Freude an den neuen Nachbarn im Parterre gehabt. Die Erinnerungs-Plakette an Thomas Bernhards Wirken an diesem Ort ist übrigens nicht mehr aufgetaucht...
Der Straßerhof befand sich hier
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