Die wahre Weihnachtsgeschichte meines Großvaters. Heiligabend 1940 verbrachte er im besetzten Frankreich als Teil der deutschen Besatzungsmacht. Das, was in jener Weihnacht passierte, sollte sein Leben - und damit auch meines - für immer verändern.

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Weihnachten 1940

Der Heilig Abend 1940 ist in Deutschland ein besonders stiller. Es ist die zweite Kriegsweihnacht und viele Familien können den Weihnachtsabend nicht gemeinsam verbringen. Es ist ein bescheidenes Weihnachten, da viele der gewohnten Speisen und Weihnachtsfreuden streng rationalisiert sind, oder gar nicht zur Verfügung stehen. Beim Jellenbauern in Kirchanschöring haben sie etwas mehr Glück gehabt. Während die Städterer schon Wochen vor Weihnachten in die Dörfer fahren, um bei den Bauernhöfen auf Hamstertour zu gehen, haben sie beim Jellenbauern alles, was man braucht. Wild, Geflügel, Butter. Nur Zucker und Bohnenkaffee sind knapp. Und der Hans, der dritte Sohn vom Bauern, ist nicht da. Er ist seit Monaten als Besatzungssoldat in Frankreich stationiert. Die Familie feierte Weihnachten 1940 in der Stube, in der Ecke stand der geschmückte Weihnachtsbaum. Aus dem Radiogerät lief die Weihnachtsansprache von Hitlers Stellvertreter Heinrich Heß. Dieser erinnerte an die großen Erfolge, die Deutschland in diesem Jahr erreicht hatte. Halb Europa war nun in der Hand der Deutschen. Er gedachte an all die Gefallenen und die trauernden Familien. Auch die Familie vom Jellenbauern war bedrückt. Seit Wochen versuchte Max, die Rückkehr seines Bruders zu erwirken. Max hatte gute Kontakte zur Partei und er argumentierte, dass die Firma der beiden – sie hatten eine Baufirma – kriegswichtige Arbeit verrichtete. Dennoch war es ihm nicht gelungen, den Hans schon zu Weihnachten zurück nach Hause zu holen.

Der Hans verbrachte zeitgleich Weihnachten in den besetzten Gebieten von Frankreich. Gemeinsam mit den Kameraden standen sie eng zusammengerückt um ein kleines Bäumchen im Mannschaftsraum. Es roch nach Tannennadeln, Kerzen brannten. Einer spielte Zither, ein anderer Mundharmonika. Auch sie hörten die Rede Heß‘ an. Nach einem bescheidenen Weihnachtsessen wurde gemeinsam getrunken. Der Hans dachte an seine vierjährige ledige Tochter, die er viel zu selten sah. Er dachte an deren Mutter, das Roserl. Eine bildhübsche junge Frau, die er aber aus irgendeinem Grund bisher nie geheiratet hatte. Die wehmütige Stimmung und das Heimweh kippten beim Hans rasch in Ärger und blanke Wut. Hans war, beeinflusst von seinem Bruder Wast, politisch ein SPD- Anhänger gewesen und verachtete die Nazis. Nach einigen Bier stellte er die Frage, wo der Hitler eigentlich sei, warum der nicht die Weihnachtsrede gehalten hätte. Aber er kannte die Antwort natürlich. Hitler war gar nicht so weit weg. Auch er war in Frankreich und feierte, wie bereits im letzten Jahr, zusammen mit Frontsoldaten das Weihnachtsfest.

Hans redete sich immer mehr in Rage. Er schimpfte auf den Führer. Er erzählte von zu Hause und welch guter Jäger er war und was für ein sicherer Schütze. Der Alkohol lockerte seine Zunge immer mehr und schließlich sprach er diesen einen Satz aus, der sein Leben von einem Moment auf den anderen veränderte: „Wenn er se außa draut der Führer, dann dat en daschiaßn.“

Obwohl Heilig Abend war und alle etwas getrunken hatten, meldete einer der anwesenden Kameraden den Vorfall an seinen Vorgesetzten. Hans wurde noch in der Weihnachtsnacht verhaftet. Man sperrte ihn in den Keller eines ausgebombten Hauses. Dort war es eisig kalt. Er und sein Mithäftling hatten nur eine einfache Decke bekommen, um sich vor dem Frost zu schützen. Fatalerweise war sein Mitgefangener schwer an Tuberkulose erkrankt und hustete unaufhörlich.

Als die Nachricht am Jellenbauernhof zu Hause eintraf, war das Weihnachtsfest für die Familie beendet. Hans‘ Vater, der lange Zeit Bürgermeister des Ortes war, nutzte seinen Einfluss, um beim Ortsgruppenleiter Jochum zu intervenieren. Der Hans war wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet worden. Die übliche Strafe in diesem Fall war die Todesstrafe. Es konnte aber auch das Vermögen eingezogen werden. Hans‘ Vater gelang es zu argumentieren, dass sein Sohn ein harmloser Wirrkopf war, der nie etwas Unrechtes getan hatte und die unbedachte Aussage im Suff getätigt hätte. Außerdem führte man erneut an, dass seine Arbeit als Zimmerermeister in der Baufirma kriegswichtig sei und somit auch ein Einzug des Vermögens – was die Firma schädigen würde – nicht in Frage kam. Der Ortsgruppenleiter Jochum intervenierte seinerseits und es gelang ihm, dass man Hans als „minderschweren Fall“ akzeptierte und es bei den drei Tagen Haft beließ.

Allerdings war der Hans, der das eisige Kellergefängnis verließ, nicht mehr derselbe. Er hustete inzwischen selbst und kehrte als Lungenkranker nach Hause zurück.

Die Tage und Nächte im Keller während der Weihnachtszeit hatten ihm viel Zeit zum Nachdenken beschert. Vielleicht ahnte er, wie schwer er erkrankt war. Nur fünf Wochen nach seiner Rückkehr ins Dorf, hatte er sein zuvor recht unordentliches Privatleben geregelt. Er machte der Mutter seines unehelichen Kindes einen Antrag und heiratete sie Anfang Februar. Das Haus, das sich seit zwei Jahren im Bau befand, wurde in kürzester Zeit fertiggestellt. Seine Tochter, die bei Pflegeeltern aufgewachsen war, holte er zu sich ins Haus. Innerhalb von nicht einmal zwei Monaten hatte er nach diesem folgenreichen Weihnachten 1940 sein Leben geordnet. Gute vier Jahre blieben der jungen Familie noch. Trotz der schweren Erkrankung vom Hans bekamen die beiden noch vier Söhne, von denen drei überlebten. Auch das Kriegsende im Mai 1945 und die totale Niederlage der Nazis durfte Hans noch miterleben. Er war einer der wenigen in Deutschland, der das Kriegsende feierte. Als es im folgenden Herbst wieder kalt und feucht wurde, verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand. Hans starb am 23. November 1945. Knapp fünf Jahre nach dem folgeschweren Weihnachtsabend 1940.

 

Ende.

 

75 Jahre später werden Dutzende seiner Enkelkinder um Christbäume im ganzen Rupertiwinkel stehen. Sie haben alle ihren Opa nie kennenlernen dürfen. Besonders in einer Zeit wie dieser lohnt es sich daran zu denken, welche Entbehrungen und Gefahren unsere Vorfahren aushalten mussten. Vielleicht relativiert sich so manche Klage der Entbehrungen dieses Jahres. 

Die Geschichte von Hans Straßer - aufgezeichnet von A. Niedergünzl

Geschichte von Hans Straßer – Version Adolf Niedergünzl

 

Hans Straßer (2.5.1902 – 23.11.1945)

Sein Elternhaus war beim Jellenbauer in Voglaich. Von Beruf war er Zimmermann und hat mit seinem Bruder Max Straßer eine Zimmerei und Baufirma in Kirchanschöring gegründet, Bruder Max war Hausbesitzer in der Götzinger Straße 7.

Neben dem Wohnhaus bauten sie 1938/39 eine Werkstatt, im Erdgeschoß war die Baufirma und im Obergeschoß die Zimmerei. Das Gebäude ist heute im Besitz von Heinrich Wallner (Rupertistraße 3). Hans hat sich 1938 an der Ache ein Wohnhaus gebaut.

Im Jahre 1940 musste Hans den Wehrdienst leisten und kam als Besatzungssoldat nach Frankreich.

Sein Bruder Max hat beim Ortsgruppenleiter Fritz Jochum eine Eingabe gemacht, dass sein Bruder Hans beim Bau und Zimmereigeschäft dringend gebraucht werde. Die Entlassung verzögerte sich und Hans war Weihnachten 1940 noch in Frankreich. Bei der Weihnachtsfeier hat Hans sehr unüberlegt über den Führer gesprochen. „Wenn er se außa draut der Führer, dann dat en daschiaßn.“ Von einem Kameraden wurde er den Vorgesetzten gemeldet und man sperrte den Hans drei Tage in einen zerbombten Haus in den Keller ein. In diesem Raum war es eisig kalt.

Als die Nachricht zu Hause ankam, setzten die Eltern und Ortsgruppenleiter Fritz Jochum alles in Bewegung, dass Hans nie etwas unrechtes getan hat und bei seinem Bruder dringend gebraucht werde. Beim Eingesperrt sein hat sich Hans eine Lungenkrankheit zugezogen.

Nach der Entlassung hat er geheiratet – am 9. Februar 1941 Rosina Stadler aus Kühnhausen. Sie hatten vier Kinder. Es kam zu mehreren Krankenhaus- und Sanatoriums-Aufenthalten. Unter anderem im Juni im Allgäu und Berchtesgaden. Nach einer Besserung der Gesundheit arbeitete er ein paar Jahre mit seinem Bruder zusammen.

Die Lungenkrankheit kam immer öfter und die medizinische Versorgung war in den Kriegs- und Nachkriegsjahren sehr schlecht. Besonders gefreut hat er sich, dass er das Kriegsende erleben durfte und den Untergang vom 1000jährigen Reich.

Nach dem letzten Sanatoriums-Aufenthalt hat er sich wegen der Ansteckungsgefahr in der Wiese neben dem Wohnhaus ein kleines hölzernes Häuschen gebaut und dort gewohnt. Nach langem Leiden ist er am 23. November 1945 gestorben.

 

Weihnachten 1940 in der Französischen Besatzung

Heiligabend 1940: Ein Fest der Widersprüche

 

Heiligabend ist ein Fest der Liebe, des Friedens und der Freude. Es ist ein Fest, das die Geburt Jesu Christi feiert, der für die Erlösung der Menschheit gestorben ist. Es ist ein Fest, das die Menschen zusammenbringt, um ihre Gemeinschaft, ihre Dankbarkeit und ihre Hoffnung zu teilen. Aber wie war Heiligabend 1940 für die Soldaten der deutschen Besatzung in Frankreich? War es ein Fest der Liebe, des Friedens und der Freude? Oder war es ein Fest der Einsamkeit, des Krieges und der Trauer?

 

Die deutsche Besatzung in Frankreich begann im Juni 1940, nachdem die Wehrmacht die französische Armee besiegt hatte. Die Nazis teilten das Land in zwei Zonen: die nördliche Zone, die direkt von den Deutschen kontrolliert wurde, und die südliche Zone, die von dem kollaborierenden Vichy-Regime verwaltet wurde. Die Besatzung brachte viele Einschränkungen, Leiden und Widerstände für die Franzosen mit sich. Die Deutschen beschlagnahmten ihre Ressourcen, verletzten ihre Rechte, verfolgten ihre Juden und unterdrückten ihren Widerstand. Die Franzosen hassten die Deutschen und sehnten sich nach ihrer Befreiung.

 

Die deutschen Soldaten in Frankreich waren nicht alle fanatische Nazis, die den Krieg und den Führer verehrten. Viele von ihnen waren einfache Männer, die ihren Dienst leisteten, weil sie dazu gezwungen waren oder weil sie keine andere Wahl hatten. Viele von ihnen waren jung, unerfahren und unschuldig. Viele von ihnen waren nicht glücklich, in einem fremden Land zu sein, das sie nicht kannten oder verstanden. Viele von ihnen vermissten ihre Heimat, ihre Familien und ihre Freunde.

 

Heiligabend 1940 war für die deutschen Soldaten in Frankreich ein Fest der Widersprüche. Einerseits versuchten sie, etwas Normalität, Gemütlichkeit und Fröhlichkeit zu schaffen, indem sie ihre Traditionen aufrechterhielten oder anpassten. Sie schmückten ihre Unterkünfte, tauschten Geschenke aus, sangen Lieder, hörten Radio, schrieben Briefe oder besuchten Gottesdienste. Andererseits konnten sie nicht vergessen, dass sie in einem Krieg waren, dass sie Feinde waren, dass sie Leid verursachten oder erlitten. Sie spürten die Spannung, die Feindseligkeit, die Angst oder die Schuld. Sie fragten sich, ob sie das Richtige taten, ob sie überleben würden, ob sie jemals nach Hause zurückkehren würden.

 

Heiligabend 1940 war für die deutschen Soldaten in Frankreich kein echtes Fest. Es war ein Versuch, die Realität zu verdrängen, die Hoffnung zu bewahren und die Menschlichkeit zu zeigen. Es war ein Zeichen für die Zerrissenheit, die Ambivalenz und die Tragik der deutschen Soldaten, die sich in einem sinnlosen und grausamen Krieg befanden.