Kein Adriaurlaub ohne einen Besuch in Venedig. So jedenfalls kannte ich das noch aus meiner Kindheit. Wobei ich bis heute traurig bin, dass die Erwachsenen uns Kinder nie mitgenommen haben. Ich würde das einmal anders machen, wenn ich groß bin, schwor ich mir. Dreißig Jahre später hatte ich also die Gelegenheit und habe meine Kinder tatsächlich nach Venedig mitgenommen. Seitdem verstehe ich Tante Marlene und Onkel Percy besser...
Liebe Eltern: Auch wenn Venedig eine der schönsten Städte der Welt ist. Lasst euch nicht täuschen: Euren Kindern ist das sowas von egal! Venedig ist für Kinder eine Wüste der Langeweile. Und für Eltern der pure Horror. Deshalb mein Rat: Meidet Venedig! Bleibt am Strand! Spielt bei schlechtem Wetter tagelang im Hotel Monopoly. Aber fahrt nicht nach Venedig!!! Hier mein Leidensbericht:
Es begann schon, dass der Opa supergünstige Tickets für Bus- und Schiffahrt nach Venedig gekauft hatte. Eine halbe Stunde lang standen wir wie bestellt und nicht abgeholt an der Bushaltestelle und jeder Busfahrer sagte nur: "Venezia? Andere Bus!" Irgendwann klärte uns das Reisebüro darüber auf, dass der Bus nur zwei Mal in der Woche fährt. Da wir unseren Kindern die vermeintliche Riesenenttäuschung, nicht nach Venedig zu dürfen, ersparen wollten, fuhren wir kurzerhand selbst.
Anders als befürchtet, ist das Übersetzen nach Venedig keinen Deut komplizierter als die Schiffahrt von Gstadt zur Fraueninsel: Man parkt in Punto di Sabbione für 7 Euro pro Tag. Statt sich gleich am ersten Stand das teure Ticket für die Überfahrten zu kaufen, gingen wir zu den Docks und besorgten uns für 20 Euro ein Tagesticket für das gesamte venezianische Netz. Damit konnten wir den ganzen Tag lang durch die Kanäle kuttern.
Die Schiffahrt gefiel den Kindern erwartungsgemäß. Doch ab der Anlegestelle San Zaccaria begann der Alptraum. Glühende Hitze, Millionen Touristen die sich durch die Stadt wälzten. Dazwischen die Kinder und Oma und Opa die abwechselnd aufs Klo mussten oder Hunger hatten. Die Kinder beschlossen kurzerhand, mitten auf dem Markusplatz im Schatten des großen Turmes ein Picknick zu machen, während die Oma sich ein geeignetes Klo suchte. Sie wählte zielstrebig das Café Florian aus und kehrte stinksauer zurück, weil sie dort abgewiesen wurde. Auf halbem Weg zum Canale Grande entdeckten wir ein Schild,das auf die öffentlichen Toiletten hinwies. Aufgeregt und so überstürzt, dass wir vergaßen, der Mama Bescheid zu sagen, folgte ich mit Oma und Kindern der Schnitzeljagd. Es war, wie bei einer Schnitzeljagd üblich, gar nicht so leicht, die versteckten Wegweiser Richtung toileta publica zu finden. Aber mit ein wenig Übung und indem man die Menschen fragte, fanden wir den Weg. Er führte und wieder direkt zurück zum Markusplatz in die finsterste, stinkendste Hinterhofgasse, die man sich nur vorstellen konnte. Der Lohn für unsere Mühe: Eine Toilette die nur 1,50 Euro kostete und dafür halbwegs sauber war. Auf dem Rückweg schließlich die Frage: Wo sind die anderen? Nachdem wir halb Venedig abgesucht hatten und unsere kleine Reisegruppe wieder zusammengefunden hatte, war die Stimmung am Tiefpunkt und alle hatten Hunger.
Da keiner eine konkrete Sehenswürdigkeit benannte, die er unbedingt sehen wollte, bis auf den Opa, der sehr bestimmt "Bahnhof" sagte, fuhren wir halt dorthin. In der Theorie freuten wir uns auf eine romantische Schiffahrt den Canale Grande entlang. In der Realität waren wir mit hundertzwanzigtausend Touristen in einen klapprigen Seelenverkäufer zusammengepfercht und bekamen kaum Luft. Vom Canale Grande war kaum etwas zu sehen, umso mehr von japanischen Touristen.
Immerhin erreichten wir bald den Bahnhof. Und, ja, der Bahnhof von Venedig ist echt schön. Der Opa schlug vor, im Bahnhofsrestaurant zu Speisen, das wäre dann aber des Guten zu viel gewesen, Eisenbahnromantik hin oder her. Zielstrebig wählten wir das nächstbeste überteuerte Restaurant aus und freuten uns, dass ein menu de giorno nur 18 Euro kostete. Das Dreigängemenü bestand dann allerdings aus winzig portionierten, überfrittierten Speisen, die im Kiosk um die Ecke noch liebevoller zubereitet worden wären. Dafür führten sich unsere Kinder so auf, als wären sie Milliardäre im Sechs-Sterne Hotel. Mehrmals wurde laut und maßregelnd gezischt. Ich bewahrte als gelassener Vater Würde und bekleckerte mich kurzerhand selbst mit Olivenöl. Richtig gut war allerdings die Panna Cotta zur Nachspeise. Folglich verputzten diese die Kinder, die die Hauptspeise noch verschmäht hatten. Sie forderten danach trotzdem Eis ein. Leider war kein Watschnbaum (Sowas kennen noch Kinder aus alten, längst vergangenen Zeiten) in der Nähe. Die hatten die Venezianer damals gefällt, um ihre schöne Stadt bauen zu können. Gut so, sonst wäre vielleicht einer gefallen.
Neunzig Euro später gelang mir ein Kunststück, für das ich auf ewig dankbar sein würde. Denn so bescherte ich den Kindern doch noch ein unvergessliches Erlebnis: Ich entdeckte in einem naheliegenden Park einen Spielplatz!
Und hier die naheliegende Erkenntnis: Kindern gefällt es auf Spielplätzen am besten. Und um einen guten Spielplatz zu finden, muss man nicht unbedingt nach Italien fahren. Erst recht nicht nach Venedig. Denn auch wenn Venedig die schönste Stadt der Welt sein möge. Die Spielplätze schauen genau so aus wie daheim. So verbrachten wir also unseren Tag in Venedig auf einem Spielplatz.
So ein Spielplatz hat aber auch noch einen anderen Vorteil: Unsere Kinder sammeln für ihr Leben gern Stecken ("Stegga"). An einen Urlaubsort, wo man keine Stecken finden kann, brauchen wir gar nicht erst zu fahren. Auch in Venedig kann sich ein Kind ohne einen gescheiten Stecken gar nicht erst blicken lassen. Natürlich ist Venedig eine Stecken-Wüste. Trotzdem ist es Loni gelungen, den einzigen Stecken in ganz Venedig auf dem Spielplatz zu finden. Wie wir nachträglich auf den Fotos noch festgestellt haben : )
Zum Schluss nutzten wir noch unsere Tageskarte aus und fuhren mit dem Schiff einmal um die Insel herum und bewunderten aus der Ferne das eindrucksvolle Industriegebiet von Mestre. Die Kinder freuten sich noch über einen Railjet den sie über den Lido brausen sahen und schliefen schließlich erschöpft vom Spielen ein.
Oft musste ich an diesem Tag an Gerhard-Polt-Zitate denken, die bei einem Adria-Urlaub immer passen:
"Du warst nicht brav, du kriegst kein Eis!"
"Schade ums Geld!"
"Da fahr ich nächstes Jahr nicht mehr hin."
Einladung zur Lesung am 21.6.18 in Lauter:
Am Donnerstag, 21. Juni 2018 um 20 Uhr findet die nächste Lesung statt zu der ich Euch recht herzlich einladen möchte:
Das "Elterntagebuch - Heimspiel" gastiert diesmal dort, wo viele der Geschichten entstanden sind: In der Kindertagesstätte Moosflitzer in Surberg/Lauter.
Kommt doch vorbei, der Eintritt ist frei!
Alle Mamas die ihre Papas daheim in Ruhe Fußball schauen (und auf die Kinder aufpassen) lassen, bekommen eine kleine Überraschung!
Kommentar schreiben