Nachdenkliche, berührende Weihnachtsgeschichten haben uns dieses Jahr durch die Adventszeit begleitet. Sie haben viele Likes und Shares im Social Media erhalten. Ich nehme mich da nicht aus und leg noch einen drauf. Weihnachten ist zu einem Hochfest des Kommerzes geworden. Aber Kinder sind noch reinen Herzens und freuen sich mehr darüber, wenn der Papa mit den Kindern in der Natur spazieren geht, als über die Spielzeuggeschenke. So suggerieren es die Adventsgeschichten. Ich habe den Selbstversuch gemacht:
Advent. Die stade Zeit. Dieses Jahr wollten wir alles besser machen. Wir wollten die Geschenke, wie es die Christkind-Legende verlangt, dem Grad des Benehmens der Kinder anpassen. Sprich, heuer sehr sehr wenig herschenken. Desweiteren nahmen wir uns vor, nichts bei Amazon zu bestellen, sondern die heimischen Einzelhändler stärken. Außerdem wollten wir weniger Zeit mit dem Smartphone, sondern mehr Zeit mit den Kindern in der Natur verbringen.
Als nach und nach die Wunschlisten der Neffen und Nichten auf Whatsapp eintrudelten, pilgerten wir in die Stadt, um die in der Alexa-Einkaufsliste gespeicherten Artikel einzukaufen. Doch weder beim Müller noch beim Rofu gab es die gewünschten Spiele. Und beim UFO kostete es doppelt so viel wie im Internet. Also - schwupps auf die Amazon Einkaufsliste.
Als Ausgleich machte ich kurz vor Sonnenuntergang einen Spaziergang mit dem Kleinen im Schnee zum Klobenstein. Ich hatte eine Traunsteiner Weihnachtsgeschichte geschrieben und brauchte noch passende Fotos für Instagram.
Es war saukalt und der Schnee mehr Schmelze als Winterweiß. Der Kleine protestierte schon nach wenigen Metern: Zu kalt, zu nass, ich will heim! Wir kämpften uns bis zum Klobenstein durch, es gab Tränen und Schreie in der winterlichen Adventsnacht. Wir inszenierten unsere Instagram-Idylle und ich kämpfte mich mit dem bockigen Kind wieder zurück zum Parkplatz. "Ich mag nicht spazieren!", schimpfte der Kleine empört.
Die nächsten Tage bekamen wir auch von anderer Seite Schimpfe. Nämlich vom Postboten. Der ließ uns die volle Breitseite unserer unmoralischen Einkaufspolitik spüren und faltete uns bei jeder erneuten Amazon-Paket-Lieferung so zusammen, wie wir es verdient hatten. Wenigstens haben in dieser heutigen Zeit des Materialismus noch die Postbeamten Anstand und Rückgrat.
Weihnachten näherte sich. Nun muss man erwähnen, dass bei uns aufgrund Geburtstag die Materialschlacht bereits am 23. Dezember beginnt.
Es gab die Playmobil Feuerwehr mit Drehleiter. Die Playmobil Feuerwache. Und noch Dutzende Kleingeschenke. Die Papiertonne war noch vor Heiligabend proppevoll mit Geschenkpapier.
Wir diskutierten lange, dass dieser Turbomaterialismus in keinster Weise gesund für unsere Kinder sein kann und beschlossen, dieses Jahr WIRKLICH ernst zu machen und den Kindern nur Kleinigkeiten zu schenken.
Heiligabend ohne Geschenke
Heiligabend kam und wir begingen ihn so, wie auch katholische Montessori-Lehrer-Familien ihn wohl begehen würden: Wir gingen gemeinsam in die Kindermette, machten anschließend mit den anderen Verwandtschaftskindern Hausmusik (drei Blockflöten und ein Schlagzeug) und warteten auf das Christkind. Als das Glöckchen erklang, standen wir alle artig um den Christbaum, lauschten der Weihnachtsgeschichte und sangen "Stille Nacht Heilige Nacht". Anders als die Jahre zuvor, durften sich die Kinder danach nicht in wilder Anarchie auf die Geschenke stürzen, sondern, beginnend bei der Jüngsten, packte ein Kind nach dem anderen seine Geschenke aus.
Und unsere Kinder bekamen jeweils "Eine Bommelmütze!" "Ein paar Socken..." Die gekünstelte Freude nahm jedoch nach jedem ausgepackten Geschenk merklich ab. Dem Kleinen war es wurst. Er hatte ja bereits den halben Playmobil Katalog am Vortag bekommen. Aber der Große schaute sich unruhig um: "Vielleicht liegen ja noch irgendwo Geschenke für uns..."
Als es unter dem Baum immer leerer wurde und die anderen Kinder ihre Fotodrucker, Drohnen und Kugelbahnen auspackten, wurde das Gesicht bei unserem Kind immer länger. Bald war die Enttäuschung nicht mehr zu leugnen und Oma und Opa schauten uns mit kritischem Blick an: Wir waren gerade dabei, unserem Kind Weihnachten zu versauen.
Wir Eltern tauschten einen Blick aus. Selbstzufrieden grinsten wir und freuten uns diebisch über unseren Triumph. Wir hatten es geschafft, unserem Kind Bescheidenheit beizubringen!
Nur wenige Minuten später war unser Großer aber wieder blendend gelaunt. Was war passiert? "Ich will jetzt heim!", forderte er. "Wieso?"
"Weil das Christkindl doch daheim auch nochmal was bringt!"
Entsetzt schauten wir uns an. Er hatte unseren Plan durchschaut.
Im Kofferraum lagen bereits zwei Riesen Pakete, die wir den Kindern erst zu Hause schenken wollten, wenn sie ihre Lektion verstanden hatten.
Denn dann würde der Weihnachtswahnsinn komplett ausbrechen. Die Kinder hatten sich die Lego-Eisenbahn gewünscht. Da sich der Opa nicht entscheiden konnte, ob er den ICE oder den Güterzug kaufen sollte, besorgte er kurzerhand beide.
Auf der Fahrt zurück diskutierten wir auf Englisch, ob wir die Kinder "überraschen" sollten und sie auch zu Hause einen leeren Christbaum vorfanden. Wir würden ihnen stattdessen anbieten, mit uns "Carcassonne" zu spielen - das lag nämlich für uns Eltern noch unterm Christbaum.
Aber, allen besinnlichen Weihnachtsgeschichten zum Trotz war uns klar, dass wir dadurch aufrichtige Enttäuschung und wahrhaftige Krokodilstränen erzeugen würden.
Also schmuggelten wir die Riesenpakete heimlich noch schnell ins Wohnzimmer.
Und, Kommerz hin oder her, die Freude und die Erleichterung, die die Kinder empfanden, als sie die Lego-Eisenbahnen auspackten, die war so echt, so ehrlich, dass wir selbst erleichtert waren, den Heilig-Abend doch noch mit Geschenken gerettet zu haben.
Ach ja, wer nun noch anführt, es sei wertvoller gewesen, Zeit mit den Kindern zu verbringen, der weiß noch nicht, wie lange es dauert, zwei Lego-Züge zusammen mit den Kindern aufzubauen...
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