Wir haben unsere Kinder immer gut über den Tod aufgeklärt und offen über all die Menschen gesprochen, die uns nahe standen und die gestorben sind, als sie selber noch ganz klein waren. Wir waren sehr dankbar, dass unsere verbliebene kleine Kern-Familie viele Jahre gesund und von Schicksallschlägen verschont geblieben war. Leider ist der Tod seit dieser Woche wieder in unserer Familie zu Besuch.
Opa Jochen war auch außerhalb seiner Familie als Eisenbahner und Zugliebhaber überall bekannt, wo es Züge gab. Seine Gartenbahn war ein riesiges Kinderparadies und wer die letzten Jahre im Zug zwischen Traunstein und Ruhpolding gefahren ist und dort einem stets zu Scherzen und Sprüchen aufgelegten Schaffner begegnet ist, der hatte den Opa Jochen ebenfalls kennengelernt.
Opa Jochen ist nun völlig überraschend an einem Herzinfarkt gestorben.
Wie oft wir im Dezember diskutiert hatten, ob wir uns aufgrund der Corona-Situation überhaupt treffen sollten, ob wir die Kinder bei ihnen lassen dürften. Mit dem Wissen von heute sind wir unendlich dankbar, dass wir noch einmal ein stilles, harmonisches Weihnachtsfest gemeinsam gefeiert haben und auch die Kinder am Wochenende bevor er starb, noch einmal bei ihm waren. Wir hatten uns von ihm verabschiedet mit dem Wissen, dass wir uns wegen des Lockdowns einige Wochen nicht mehr sehen würden. Nun war es also ein Abschied für immer.
Wie erklärt man den Kindern, wenn ein lieber Mensch gestorben ist?
Leider wird es nie einen guten Zeitpunkt, oder eine richtige Art und Weise geben, um einem Kind den Tod vom Opa der Oma oder einen Verwandten mitzuteilen. Nach unseren Erfahrungen ist es natürlich möglich, den Tod ganz zu verschweigen oder zu beschönigen und wolkige Legenden zu erzählen. Die Kinder sind vielleicht kurzfristig weniger traurig. Aber ihnen wird auch diese Möglichkeit genommen, sich durch die Trauer zu verabschieden und wirklich zu begreifen, dass sie den Verstorbenen nie wiedersehen werden.
Wir haben am Abend, nachdem wir es erfahren hatten, eine Kerze angezündet und lange und viel über den Tod gesprochen. Der Kleinste hatte das Bedürfnis, dem Opa noch ein Bild zu malen. Da unsere Kinder viel über den Tod wussten, war die Nachricht, dass nun auch der Opa gestorben ist, leider die ersten Stunden sehr dramatisch und auch für uns Eltern kaum auszuhalten.
Die gute Nachricht ist aber, dass unsere Kinder schon am nächsten Tag zwar immer noch traurig waren, aber bereits wieder fröhlich und lachend in ihr Spiel vertieft waren. Es ist immer wieder ein kleines Wunder, wie gesund und resilient Kinder mit dem Tod umgehen können. Deshalb ist es unsere Erfahrung, dass man mit Kindern offen und ehrlich über den Tod sprechen kann und ihnen Anfangs viel Nähe und Aufmerksamkeit geben muss, damit die Kinder genügend Möglichkeit haben, zu trauern. Unsere fanden jedenfalls schneller wieder zum Lachen, als wir es gedacht hätten.
Wichtig war in dieser Situation, dass auch wir Eltern noch genug Zeit für uns hatten, um das Geschehene zu verarbeiten. Auch wenn wir natürlich wissen, dass die Trauerarbeit bei uns Erwachsenen sehr viel länger dauert als bei den Kindern. Deshalb waren wir sehr dankbar über die vielen Hilfsangebote, die uns erreicht hatten. An dieser Stelle ein Dankeschön an euch alle, das hat sehr gut getan.
Wir haben einige genutzt und konnten so an den ersten Tagen die Dinge tun, die ein Todesfall leider einmal erfordert: Bürokratie, Termine vereinbaren, Planen, Absprachen, Verwandte und Freunde informieren. Die Kinder mussten da nicht dabei sein. Die erlebten fröhliche Stunden im Schnee.
Wir sind gerade noch mittendrin in der Anfangsphase der Trauerarbeit, aber unsere Kinder scheinen auf einem guten Weg zu sein.
Eine Erinnerung möchte ich noch gerne mit euch teilen: Als meine Oma starb, war ich fünf Jahre alt. Ich war weniger traurig als nach dem Tod meines Wellensittiches. Denn ich wusste ja, dass Omas sterben. Damals verabschiedete man sich von den Verstorbenen sogar, indem der offene Sarg in der Wohnstube aufgebahrt wurde. Ich habe bis heute ganz intensive Erinnerungen daran. Worüber ich aber bis heute enttäuscht bin war, dass mich meine Eltern damals nicht zur Beerdigung mitgenommen hatten. Ich war fünf Jahre alt. Ich erinnere mich, wie wütend ich war, dass mich meine Eltern, statt auf die Beerdigung mitzunehmen, in den Kindergarten gebracht hatten. Vermutlich wollten sie mich schützen. Aber ich bin bis heute überzeugt, dass Kinder dadurch etwas lernen, was ihnen im Leben früher oder später ohnehin begegnen wird.
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Klaus (Freund und Kollege) (Mittwoch, 20 Januar 2021 17:24)
Dein Eintrag war sehr ergreifend, auch für mich, da ich Jochen seit 1973 kenne und wir sehr vertrauliche Dinge ausgetauscht haben!
Wir wünschen Euch viel Kraft bei der Trauerbewältigung!
Klaus und Petra