„Skifahren is des Leiwandste“, diese Behauptung hat schon die SZ als eine der großen Lügen der Après-Ski-Hits erkannt. (Die anderen beiden sind "We are the Champions" und "Ich bin so schön, ich bin so toll!) Ich kann mir durchaus was Schöneres vorstellen, als mich am Wochenende hinter Tausenden Münchnern und anderen Preußen in den Schlangen unserer heimischen Skigebiete anzustellen.
Vielleicht wäre ich ja ein begeisterter Pisten-Bayer geworden. Aber irgendwie haben meine Eltern es versäumt, mich rechtzeitig in die physikalischen Geheimnisse des Berg- und Tal-Skis einzuweisen. Im Skilager in der 7. Klasse war es dann zu spät. Ich war der einzige der gesamten Jahrgansstufe, der im Anfängerkurs war und wirklich nicht Skifahren konnte. Dass der Skilehrer mein Lateinlehrer war, bei dem ich eine 5 hatte, war dem zarten Aufkeimen einer Wintersportbegeisterung ebenfalls eher hinderlich. Jahre später habe ich mich diesem vorpubertären Trauma gestellt. Als echter Bayer muss man halt auch gerne Wintersport treiben. Deshalb habe ich mir von meinem ersten Lohn eine gescheite Skiausrüstung gekauft und bin die Folgejahre tatsächlich 2, 3 Mal Skifahren gegangen. Einmal hat es sogar Spaß gemacht!
Seit ich selber Papa bin, beiße ich Winter für Winter in den sauren Apfel und begleite die Kleinen auf die Piste. Die sollten ja nicht dasselbe Schicksal erleiden wie ich und von Anfang an gescheit Skifahren lernen. Inzwischen sind sie gar nicht mehr so klein und auch die Berge sind größer geworden. So kehrte ich 20 Jahre später in eines der Skigebiete zurück, dessen Existenz ich so lange erfolgreich verdrängt hatte. Die Schlange an der Kasse war noch länger als früher. Während ich wartete, fiel drei Mal das Absperrgitter um, weil wieder einer das Schild „Keine Ski anlehnen!“ nicht beachtet hatte. In der Gondel sah ich in der Ferne einen Hubschrauber fliegen, der die ersten Opfer abtransportierte. Innerlich kochend zählte ich all die tausend Gründe auf, warum Skifahren eben nicht das Leiwandste ist: Klimawandel, Kommerz, Unfallgefahr, Umweltverschmutzung. Und wie viel der ganze „Spaß“ eine vierköpfige Familie kostet, darüber dachte ich lieber gar nicht erst nach. Früher waren wir für denselben Betrag ein paar Tage in Urlaub gefahren.
Das mürrische Hadern wurde langsam weniger, je höher wir uns dem Gipfel näherten. Auf einmal lichtete sich der Nebel, die Pisten leuchteten in glitzerndem Weiß. Und als ich die ersten Abfahrten meisterte und es mich nur ein einziges Mal geschmissen hatte, da erwischte ich mich, wie ich einen lauten Jauchzer ausstieß. Ähnlich wie beim Radlfahren verlernt man scheinbar auch das Skifahren nicht. Da war ich meinem Lateinlehrer dann doch dankbar. Dankbar, dass er mir damals zwar nicht Latein, aber immerhin das Skifahren erfolgreich beigebracht hatte. Ich wedelte selbst die schwierigen Abfahrten Richtung Tal, schrie: „Skifahren is des Leiwandste!“ und nahm mir vor, dieses Jahr vielleicht doch noch einmal Skifahren zu gehen.
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